1.168.1 (wir2p): Schutzpolizei.

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Schutzpolizei.

Reichsminister Dr. Köster trägt vor. Die Veranlassung der gegenwärtigen Verhandlungen habe dieses Mal nicht die Reichsregierung gegeben, sondern die Regierungen der Länder. Während der Beratungen des Landessteuergesetzes im Reichstag sei ein Antrag Preußens eingegangen, die Reichszuschüsse, die den Ländern für die Unterhaltung der Schutzpolizei gewährt würden, gesetzlich festzulegen2. In formeller Hinsicht könne dies geschehen durch das Landessteuergesetz selbst, durch ein Sondergesetz oder durch Vertrag. Die Reichsregierung halte die vertragliche Regelung für die zweckentsprechendste. Materiell habe die Festlegung unter Wahrung der beiderseitigen Interessen sowohl[1162] der Länder wie der des Reichs zu erfolgen, und zwar verlange das Reich

1. daß die Unterstützungen nur solange laufen sollten, wie die Schutzpolizei ihren jetzigen Charakter beibehalte;

2. daß die Schutzpolizei denselben politischen Charakter beibehalten müsse, wie sie bis jetzt gehabt habe;

3. daß eine Garantie seitens der Länder gegeben werde, daß die Schutzpolizei bei innerpolitischen Wirren zum Schutze von Reichseinrichtungen zugezogen werde.

Ministerialdirektor Schulz (Preuß. Finanzministerium) begründet das preußische Vorgehen im Reichsrat. Das Reichsfinanzministerium habe bisher keine rechtlichen Grundsätze für die Gewährung der Zuschüsse anerkannt. Dadurch habe sich eine Unsicherheit bei der Finanzgebarung der Länder ergeben. Um nun die Kosten einigermaßen fest beim Etat berücksichtigen zu können, halte Preußen eine endgültige Regelung der Zuschußfrage für zweckmäßig.

Ministerialdirigent Abegg (Preußen) begrüßt des näheren die Notwendigkeit einer endgültigen Regelung im Hinblick auf die Verhältnisse bei der Schutzpolizei selbst.

Minister Schweyer (Bayern) geht davon aus, daß es sich im vorliegenden Falle um eine rein finanzielle Frage handle, in die politische Gesichtspunkte keineswegs hineingetragen werden dürften. Ein festes Abkommen müsse geschlossen werden, um gesicherte und ruhige Verhältnisse zu schaffen. Finanzhoheit und Polizeihoheit müßten jedoch auseinandergehalten werden. Die Polizeihoheit habe in vollem Umfange bei den Ländern zu verbleiben.

Reichsminister Dr. Köster begründet demgegenüber das besondere Reichsinteresse an der Schutzpolizei, die einen anderen Charakter habe wie die Landespolizei.

Ministerialdirektor Dr. Schulze (Sachsen) führt aus, daß die Initiative zur heutigen Verhandlung allerdings von den Ländern ausgegangen sei, da der gegenwärtige Zustand für die großen Länder unerträglich geworden sei. Er wendet sich gegen den Plan einer Vereinheitlichung der Polizei und begrüßt, daß das Reichsministerium des Innern einen Angriff auf die Polizeihoheit der Länder im Prinzip nicht beabsichtige. Polizeiliche Hilfe würde dem Reiche innerhalb der Länder selbstverständlich gewährt werden, jedoch müsse er sich gegen eine Verwendung sächsischer Polizei außerhalb Sachsens verwahren. Das Reich solle sich bei der Aufmachung der ganzen Rechnung mehr an das organisatorische wie an das politische Prinzip halten, da über den politischen Charakter der Schutzpolizei beispielsweise sicher in Berlin, München oder Dresden durchaus verschiedene Auffassungen beständen.

Ministerpräsident Tantzen (Oldenburg) hält es mit Rücksicht auf die Schlagfertigkeit der Polizei für durchaus unerwünscht, dieselbe zu politisieren. Er will in entgegenkommender Weise mit dem Reiche verhandeln. Er stimme den Ausführungen des Ministers Köster im großen und ganzen zu.

Nach längerer Aussprache, an der sich die Vertreter Badens, Hamburgs, Thüringens, Württembergs und Mecklenburg-Schwerins noch beteiligten, wurde beschlossen, die eingehenden Beratungen über eine vertragliche Regelung zwischen dem Reich und den Ländern über die Schutzpolizei in kleinerem Rahmen[1163] heute nachmittag im Reichstag vorzunehmen. Jedes der hier vertretenen 14 Länder solle ein Mitglied zu dieser Beratung abordnen3.

Die Sitzung wurde hierauf geschlossen.

Fußnoten

2

Es geht darum, die den Ländern für die Schutzpolizei gewährten Reichszuschüsse (siehe Dok. Nr. 35, Anm. 4) zu institutionalisieren. In seinem Schreiben vom 4.11.22 an die Vertretungen der Länder, das abschriftlich in die Rkei gelangte, führt der RIM dazu aus: „Wenn auch, was ich ausdrücklich betone, die Reichsregierung nicht entfernt daran denkt, in der Subvention der Schutzpolizei eine wesentliche Änderung des bestehenden Zustandes eintreten zu lassen, solange die Schutzpolizei ihren derzeitigen Charakter bewahrt, so besteht doch eine bindende Verpflichtung hierzu nicht. Geht das Reich nun eine solche Verpflichtung ein, so kann es dies nur unter der Voraussetzung, daß die Länder auch dem Reiche gegenüber bezüglich der Schutzpolizei bestimmte Verpflichtungen übernehmen. Die Landeshoheit bezüglich der Polizei soll in keiner Weise angetastet werden. Es handelt sich nur darum, der Reichsregierung die Sicherheit zu schaffen, daß die Schutzpolizei, deren Kosten größtenteils das Reich trägt, jederzeit in der Lage ist, diejenigen Aufgaben zu erfüllen, für welche sie geschaffen wurde. Zu diesem Zwecke müßte Gewähr dafür geboten werden, daß die Schutzpolizei ihren derzeitigen unpolitischen Charakter behält, und daß auf Ersuchen der Reichsregierung Zuständen, die Anlaß zu Bedenken bezüglich der Leistungsfähigkeit der Schutzpolizei geben, abgeholfen wird. Es müßte ferner Vereinbarung dahin getroffen werden, daß die Landesregierungen, soweit es die Sicherheit des eigenen Landes erlaubt, dem Reiche auf Ersuchen polizeiliche Hilfe leisten.“ (R 43 I /2693 , Bl. 268).

3

Mit Schreiben vom 25.11.1922 übersendet der RIM (Oeser) der Rkei die zwischen dem Reich und den Ländern getroffene Vereinbarung. Danach sollte der Reichszuschuß für die Schutzpolizei generell 4/5, für die neutrale Zone, die besetzten Gebiete, Hamburg und Bremen sogar 9/10 der Ausgaben der Länder betragen. Der Zuschuß sollte als Pauschalsumme gewährt und nach besonderen, noch zwischen dem RIMin. und den Ländern zu vereinbarenden Grundsätzen errechnet werden. Für den Fall, daß eine solche Vereinbarung bis zum 1.1.1923 nicht zustande kommen sollte, sollten die Grundsätze von RReg. und RR aufgestellt werden. Dafür sollten die Länder dem Reich einräumen: 1. Das Reich stellt im Benehmen mit den Ländern Richtlinien bezüglich der Schutzpolizei auf. 2. Der unpolitische Charakter der Schupo sollte gewahrt bleiben. 3. Die RReg. kann in besonderen Fällen Auskunft erlangen, wenn Vorwürfe irgend welcher Art gegen die Schupo eines Landes erhoben werden. 4. Die Länder sollten im eigenen Lande dem Reiche polizeiliche Hilfe leisten (R 43 I /2693 , Bl. 274-276, 278).

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