2.29 (lut1p): Nr. 29 Bericht des Reichsbankpräsidenten über die Lage der Reichsbank und über Fragen der Währungs- und Finanzpolitik. 26. Februar 1925, 11 Uhr

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[108] Nr. 29
Bericht des Reichsbankpräsidenten über die Lage der Reichsbank und über Fragen der Währungs- und Finanzpolitik. 26. Februar 1925, 11 Uhr1

R 43 I /633 , Bl. 364-3792

Anwesend: Luther, v. Schlieben, Neuhaus, Graf v. Kanitz; RbkPräs. Schacht; StS Kempner, Fischer; MinDir. Pünder; ORegR Grävell; für Preußen: MinR Becker; für Bayern: StR Ritter v. Wolf; für Sachsen: Gesandter Gradnauer; für Württemberg: ORegR Schick; für Baden: MinDir. Kempff; für Hamburg: Senator Strandes.

Reichskanzler Dr. Luther: Meine Herren! Unsere heutige Zusammenkunft beruht auf dem § 20 Abs. 3 des Bankgesetzes3:

Zur Aufrechterhaltung einer ständigen Fühlung in den währungs- und finanzpolitischen Angelegenheiten ist das Reichsbankdirektorium verpflichtet, in regelmäßigen Zeitabständen der Reichsregierung sowie jederzeit auf Ersuchen über Angelegenheiten dieser Art Bericht zu erstatten.

Und in der Begründung ist ausdrücklich hervorgehoben:

Wenn zwar das bisherige Reichsbankkuratorium entfällt, so ist durch die Berichterstattung doch Vorsorge für die erforderliche Unterrichtung, auch zugunsten der Landesregierungen, getroffen.

Daß eine Sitzung bisher noch nicht stattgefunden hat, drückt nicht etwa ein mangelndes Interesse der Reichsregierung und insbesondere auch sicherlich nicht der Landesregierungen an dieser Berichterstattung aus, auch nicht, was ich mir eben erlauben wollte hervorzuheben, des Herrn Reichsbankpräsidenten. Als ich, bald nachdem ich die Bürde des Kanzleramts übernommen hatte, eine Besprechung mit dem Herrn Reichsbankpräsidenten hatte, hat der Herr Reichsbankpräsident von sich aus mit Nachdruck betont, daß er ein öfteres Stattfinden solcher Sitzungen wünscht und das bisherige Unterbleiben bedauert. – Meine[109] Herren, der Grund liegt eben einfach in den politischen Schwierigkeiten der Kabinettsbildung usw., die sich hingezogen hat. Es sind auch Einladungen versucht worden. Nun ist für heute eine Einladung genau in der Form des alten Reichsbankkuratoriums erfolgt4. Ich glaube, mit dieser Feststellung der Sitzung die Grundlage gegeben zu haben, und darf bitten, daß der Herr Reichsbankpräsident das Wort ergreift.

Reichsbankpräsident Dr. Schacht: Meine sehr geehrten Herren! Die letzte Sitzung des Reichsbankkuratoriums hat am 29. April 1924, also vor 10 Monaten, stattgefunden5. Nun wird es Ihnen wahrscheinlich nicht erwünscht sein, daß ich Ihnen über die ganzen letzten 10 Monate einen historischen Bericht gebe, da wir alle ja in diesen Dingen so lebendig daringestanden haben, daß Sie ebensogut mit den Ereignissen vertraut sind wie ich selbst. Dazu kommt, daß der Herr Reichskanzler die Liebenswürdigkeit gehabt hat, einige Punkte für das Programm der heutigen Sitzung besonders hervorzuheben, und davon fangen drei Punkte mit „künftig“, „künftig“ und „weitere“ an6, so daß ich annehmen darf, daß auch bei dem Herrn Reichskanzler der Wunsch besteht, mehr auf die Zukunft, die sich aus der gegenwärtigen Situation ergibt, Gewicht zu legen, als auf eine historische Darstellung.

Wenn ich damit das Einverständnis des Herrn Reichskanzlers annehmen darf –

Reichskanzler Dr. Luther: Ich glaube, auch das Einverständnis der übrigen Mitglieder des Kuratoriums, die weniger Gewicht auf historische Darstellungen legen!

Reichsbankpräsident Dr. Schacht: –, dann darf ich vielleicht zur praktischen Behandlung nur noch sagen: Ich habe es vermieden, hier einen schriftlichen Geschäftsbericht vorzulegen, sondern glaube, daß in der lebendigen Aussprache und Berichterstattung die Dinge etwas klarer und verständlicher werden, ich bin aber selbstverständlich sehr gern bereit, wie ich das auch bei der vorigen Kuratoriumssitzung getan habe, unmittelbar im Anschluß an diese Sitzung eine kurze Zusammenstellung derjenigen Ziffern und Daten zu machen, die von Wichtigkeit sind, und den Herren, die an der Sitzung teilgenommen haben, durch die Reichskanzlei zur Verfügung zu stellen7, so daß sich die Herren hier nicht so sehr mit der Niederschrift dieser Ziffern zu bemühen brauchen.

[110] Ich darf zunächst hervorheben, daß die Kräftigung der deutschen Währung in der ganzen Zeit eine ganz erfreuliche gewesen ist. Wir haben insbesondere unseren Goldbestand auf jetzt ungefähr 866 Millionen M gebracht und haben das nicht nur in der Weise gemacht, daß wir drüben in New York regelmäßig aus den Erträgnissen der Dawes-Anleihe Dollar in Gold konvertiert haben und das hier herübergeschickt haben, sondern wir haben auch überall an allen anderen Stellen, wo es uns ohne Störung des Marktes möglich war, versucht, auch wenn es sich um kleinere Beträge handelte, den Goldbestand durch Ankauf zu stärken. Wir haben gerade in der letzten Woche wieder 4 Millionen M in London bekommen, und – was besonders interessant ist, was ich aber vorläufig noch vertraulich zu behandeln bitte – wir haben nicht weniger als 60 Millionen M geprägtes deutsches Gold von der Schweizerischen Nationalbank bekommen. Wir hatten zunächst einen Kurs geboten, der der Schweizerischen Nationalbank zu niedrig erschien; sie hat dann um einen erhöhten Kurs gebeten. Wir haben das abgelehnt, und sie hat es uns dann schließlich zu dem von uns angebotenen Kurse überlassen. Wir haben mit Dollars drüben bezahlt, gegen die sich wahrscheinlich die Schweizerische Nationalbank ihrerseits Barrengold kaufen will. Der Grund für die Schweizerische Nationalbank war der, daß sie mit dem geprägten deutschen Gold nicht viel anfangen konnte. Wir haben infolgedessen auch die Prägekosten nicht mitbezahlt, da wir der Bank gegenüber gesagt haben: Da wir zur Zeit mit geprägten deutschen Goldmünzen hier nichts machen können, sondern sie eventuell für internationale Verwertung umschmelzen müssen, so können wir eben für die Prägung nichts bezahlen. Aber für die Zukunft ist es natürlich sehr angenehm, wenn wir einmal wieder zum Goldumlauf kommen, daß wir dann geprägte Münzen in sehr ansehnlichem Umfange haben.

Dagegen haben wir bei der Hereinnahme des amerikanischen Goldes immer darauf gehalten, daß wir geprägte große Stücke bekommen, die bekannten 20-Dollar-Stücke, die international ja außerordentlich gut verwendbar sind.

Wir haben heute, wenn ich das kurz anführen darf, nach dem letzten Ausweis – vom 15. [2. 25] – an Gold 866 Millionen RM. Davon haben wir 667 Millionen in unseren Kellern und nur 199 Millionen auswärts. Wir haben darauf gesehen, daß wir alles Gold uns hierher transportieren lassen, und ich nehme an, daß das auch im Sinne der Gesamtpolitik liegt; denn ich sage mir immer: Gold, das ich im Auslande habe, kann mir im Ernstfall, in jedem politischen Konfliktsfall, ganz glatt gesperrt werden und nützt mir für meine Valuta nichts; während das Gold, das ich im Keller habe, in einem Ernstfalle gute Dienste leisten kann.

Noch erfreulicher ist der Devisenbestand gewachsen. Wir haben Guthaben bei ausländischen Korrespondenten 960 Millionen täglich fällig, 115 Millionen auf längere Frist; dazu kommen eine Reihe anderer kleinerer Forderungen, so daß wir insgesamt ungefähr 1100 Millionen RM ausländischer Devisen haben. Dazu kommt ein Auslandswechselbestand von noch 190 Millionen, also Wechsel, die auf ausländische Valuta lauten. Ich gebe in dem schriftlichen Bericht die ganz genauen Ziffern. Sie wissen, daß wir vom 3. Juni vorigen Jahres an einen vollständig freien Devisenmarkt haben, d. h. wir haben jeden Betrag von Devisen,[111] der bei uns angefordert wird, in vollem Umfange zugeteilt, und zwar in jeder beliebigen Valuta. Infolgedessen haben wir die Devisenvorschriften Ende Oktober aufgehoben8, und es ist von allen Devisenzwangsmaßnahmen in der Hauptsache nur noch der Einheitskurs bestehen geblieben, den wir auch nicht gern verlassen möchten, weil er ein außerordentlich bequemes Mittel der Handhabung ist, und uns vor allem die Übersicht über den Bedarf gibt, den wir bei einer vollständigen Aufhebung des Einheitskurses und damit der Wiedereinführung des Termingeschäfts nicht bekommen würden. Das ist der einzige Punkt, in dem wir noch etwas zögernd sind, daß wir sagen: eine Wiedereinführung des Termingeschäfts möchten wir nicht haben, weil wir dann gar nicht mehr übersehen können, wieviel Forderungen und Verpflichtungen in Devisen bestehen, während wir heute eine gute Übersicht über den Devisenmarkt haben.

Nun ist ja das Bild unserer Zahlungsbilanz nicht sehr erfreulich. Die Außenhandelsbilanz für das vergangene Jahr gibt im reinen Warenverkehr insgesamt ein Passivum von 2,6 Milliarden9, und wenn nicht, was ich annehmen möchte, diese Ziffern zu einem wesentlichen Teile falsch sind, dann möchte ich glauben, daß die Dinge jedenfalls in der Wirtschaftspolitik so nicht weitergehen können. Diese 2,6 Milliarden sind entstanden und sind zu betrachten natürlich unter dem Gesichtspunkt des Übergangs der Wirtschaft von einer Inflationswirtschaft zu einer normalen Wirtschaft. Ich nehme an, daß darin sehr große Ansammlungen von Rohmaterialvorräten enthalten sind. Indessen wird man sich doch überlegen müssen, ob nicht die Steigerung des Exports eine Aufgabe ist, der wir uns wesentlich mehr zuzuwenden haben als bisher.

Wir haben bei der Reichsbankpolitik, bei der ganzen Währungspolitik, nicht nur unsere eigene Reichsbanksituation, sondern auch immer die Höhe des gesamten Zahlungsmittelumlaufs zu berücksichtigen. Der gesamte Zahlungsmittelumlauf ist in den letzten Monaten in außerordentlich erfreulichem Umfange entwickelt worden. Wenn ich einmal eine Gesamtübersicht historisch darlegen darf, die sehr interessant ist, so hatten wir am 31. Dezember 1923, also bald nach Beginn der Stabilisierung, 497 Millionen Reichsbanknoten, wir hatten 1,049 Milliarden Rentenbankscheine – Privatbanknoten existierten damals so gut wie gar nicht –, Notgeld und Goldanleihe waren 1157 Millionen und Scheidemünzen etwa nur 1½ Millionen im Umlauf, d. h. der gesamte Geldumlauf war 2,704 Milliarden. Nun ist es ja gar keine Frage, daß ein solcher Umlauf im Verhältnis zu der Bevölkerung und der ganzen industriellen Lage Deutschlands wesentlich zu niedrig war.

Reichskanzler Dr. Luther: Zumal es damals fast noch gar keinen bargeldlosen Zahlungsverkehr gab!

Reichsbankpräsident Dr. Schacht: – der besonders in der Zwischenzeit durch Entwicklung des Postscheckverkehrs, abgesehen vom Reichsbankgiroverkehr,[112] außerordentlich gewachsen ist, wie überhaupt der Postscheckverkehr eine große Bedeutung gewonnen hat.

Dann waren es am 30. April 1924 – ich gebe die Gesamtsummen immer der Reihe nach –, also am Beginn der Kreditrestriktion10, wenn die Herren sich erinnern, 2,9 Milliarden, also keine sehr wesentliche Steigerung. Am 7. August 1924 – da ließen wir die Zügel wieder locker – waren es 3,3 Milliarden. Dann hat sich die Summe bis zum 30. November auf 3,9 Milliarden gesteigert – ich gebe die runden Ziffern, werde aber den Herren im Exposé die genauen Ziffern geben –; und am 31. Dezember war der Höchststand mit 4,274 Milliarden erreicht. Er ging am 7. Januar wieder auf 4,023 herunter, am 23. Januar, wo wir den niedrigsten Stand seit dem Herbst hatten, auf 3,669 Milliarden. Er ist dann ultimo Januar wieder etwas gestiegen, ist aber am 23. Februar nicht wesentlich höher als am 23. Januar11.

Interessant ist auch die Entwicklung der gesamten Kredite, die überhaupt durch, sagen wir einmal, Währungsinstitute und Währungseinrichtungen der Wirtschaft zur Verfügung gestellt worden sind. Darunter kommen zunächst die Wechsel und Lombards in Frage, die die Reichsbank gegeben hat, Wechselkredite und Lombardkredite; dann die im Rediskontwege durch die Reichsbank der Wirtschaft zur Verfügung gestellten öffentlichen Gelder; dann kommen die Rentenbankkredite, soweit sie durch die Reichsbank oder die Privatnotenbanken gegeben sind; dann kommen die Kredite der Privatnotenbanken und zuletzt die Kredite der Golddiskontbank. Alles das sind die sogenannten Währungseinrichtungen, wie ich sie zusammenfasse. Von diesen sind Kredite gegeben worden: am 31. Dezember 1923 nur 605 Millionen – das war also der Anfang der Stabilisierung –, die Ziffer steigt dann sehr rasch bis zum Beginn der Wirkung der Restriktion auf 2,3 Milliarden, bleibt auf ungefähr dieser Höhe, bis die Lockerung in der Kreditrestriktion eintritt, steigt am 15. November auf 2,9 Milliarden, am 30. November auf 3 Milliarden, Ende Dezember auf 3,156 Milliarden und hält sich auf dieser Höhe bzw. geht noch ein klein wenig niedriger bis zum gegenwärtigen Stand. Wir haben am 14. Februar nicht ganz 3 Milliarden gehabt und nehmen an, daß per 23. Februar der Betrag noch etwas heruntergehen wird. Das heißt, der Gesamtbetrag der durch die Währungsinstitute gegebenen, in die Wirtschaft hineingebrachten Kredite ist 3 Milliarden gegenüber 605 Millionen am Beginn der Stabilisierung, also 2,4 Milliarden sind hineingeflossen. Dabei sind natürlich nicht berücksichtigt die 1200 Millionen, die durch die Rentenbank, über den Staat gewissermaßen, hineingepumpt worden sind12; das sind ja aber keine eigentlichen Kredite, aber es ist eine große Erleichterung gewesen, es ist ein Kredit, der an den Staat gegeben ist und dadurch wieder indirekt die Wirtschaft alimentiert hat.

[113] Sie sehen also, meine Herren, daß die Höhe des Zahlungsmittelumlaufs sich verhältnismäßig befriedigend entwickelt hat. Infolgedessen darf man wohl sagen, daß die Situation der Reichsbank als Ganze eine recht befriedigende ist. Aus diesem Grunde haben wir auch die im Dawes-Plan vorgesehenen Maßnahmen zur Stärkung der Reichsbank nicht voll durchgeführt. Wir haben insbesondere die Kapitalserhöhung der Reichsbank auf 300 Millionen13, wie sie im Organisationskomitee14 festgesetzt wurde, nachdem der Dawes-Plan 400 verlangt hatte, nicht durchgeführt, und ich habe bisher bei den Herren des Generalrates15, die ja in dieser Frage ein gewisses Wort mitzusprechen haben, sehr großes Verständnis dafür gefunden, wenn ich ihnen gesagt habe, daß eine Kapitalerhöhung der Reichsbank zur Zeit absolut nichts nützen kann. Devisen kommen durch die Kapitalerhöhung nicht herein. Wenn wir die neuen Anteile gegen Devisen herausgeben würden und würden das im Inlande machen, so würden die Leute mit Mark bei der Reichsbank die Devisen kaufen und würden sie uns in Zahlung für die Anteile wieder hereingeben; das wäre einfach ein circulus, der uns nichts bringen würde. Die Anteile im Auslande zu plazieren ist m. E. etwas, was wir unter allen Umständen solange wie möglich vermeiden sollten. Die Herren erinnern sich aus den Besprechungen im Haushaltsausschuß, daß ich immer diese Auffassung vertreten habe, daß die Anteile der Reichsbank im wesentlichen in den Händen der eigenen Staatsbürger sein sollen.

[…]

Wir haben eine Kapitalserhöhung der Reichsbank, wie Ihnen aus dem Ausweis ersichtlich gewesen ist, lediglich in zwei Fällen vorgenommen, und zwar haben wir die Golddiskontbankaktien eingetauscht, soweit sie in Devisen eingezahlt waren. Sie erinnern sich, meine Herren, daß wir seinerzeit bei Errichtung der Golddiskontbank 5 Millionen Pfund Aktien in Händen eines deutschen Bankenkonsortiums plaziert hatten16. Die Einzahlung hierauf ist mit ungefähr 30% erfolgt, und wir haben dann, obwohl die Herren ursprünglich wünschten, für ihre ganzen 100 Millionen M Anteile zu bekommen, ihnen gesagt: das ist auf keinen Fall möglich, wir können Ihnen diese Anteile nur in dem Umfange[114] aushändigen, wie Sie selbst Devisen zur Erleichterung der Situation im April vorigen Jahres hereingebracht haben, und das sind eben die 30%, die eingezahlt worden sind, so daß für die Übernahme der Golddiskontbank ca. 30 Millionen neue Anteile der Reichsbank ausgegeben worden sind, die das Kapital auf ungefähr 120 Millionen gebracht haben. Das ist das Kapital, wie es die Reichsbank nach der Zusammenlegung heute hat. Dazu kommt ein ganz kleiner Betrag von 600 000 M Anteil, die wir den Anteilseignern der Schleswig-Holsteinschen Girobank gegeben haben, die im letzten Moment der Inflation errichtet worden war und infolgedessen noch gerade dazu gekommen ist, ihre sämtlichen Steuern für die Gründung zu bezahlen, aber kein Geschäft zu machen, so daß es ein glattes Verlustgeschäft für die Anteilseigner gewesen ist, gewissermaßen als Entschädigung haben wir beschlossen, die Herren dadurch zu trösten, daß wir ihnen für die effektiv eingezahlten Devisen Reichsbankanteile al pari gegeben haben. Das sind, wie gesagt, insgesamt 600 000 M, eine Maßnahme, der auch der Generalrat zugestimmt hat.

Dagegen werden wir die nominell noch ausstehenden rund 180 Millionen Mark Reichsbankanteile, wenn es irgend geht, vorläufig nicht begeben, sondern uns mit dem Kapital von rund 120 Millionen, welches wir zur Zeit haben, so lange wie möglich begnügen, da die Frage, ob wir ein kleines oder großes Kapital haben, zur Sicherung der Bank und für die Sicherung der Währung zur Zeit gar keine Bedeutung hat. Es zeigt sich eben auch hier, daß viele Dinge die der Dawes-Plan beschlossen hat, im Laufe der Zeit überholt und überflüssig geworden sind.

Was nun die Kreditpolitik der Reichsbank anlangt, so haben wir ja, wie Ihnen bekannt, am 7. April den bekannten Schlußstrich unter unser Diskontgeschäft gemacht17. Wir haben im August angefangen, die Lockerung wieder eintreten zu lassen, und waren bis Ende Dezember etwa um etwas über 15% über das Kontingent vom 7. April hinausgegangen. Der Zweck der Restriktion ist, glaube ich, in vollem Umfange erreicht worden. Es sind damals sehr starke Lagerbestände, die aus spekulativer Absicht errichtet waren, verkauft worden; es sind große Beträge gehamsterter Devisen an die Reichsbank geflossen, und es sind die Bemühungen um die Hereinholung von Auslandskrediten damals erheblich gesteigert worden.

Was die Hereinholung solcher Auslandskredite betrifft, so ist ja die Reichsbank von ihnen in einem sehr starken Umfange insofern betroffen, als und sobald diese Auslandsvaluten, die durch die Auslandskredite hereinkommen, in Mark umgewandelt werden und diese Markbeträge dann bei der Reichsbank gegen Auslandsdevisen abgefordert werden. Es sah gegen Mitte Dezember einmal so aus, als ob wir mehr Auslandsdevisen hereinbekommen würden bei der Reichsbank, als uns lieb war, und ich habe damals anläßlich der Tagung des Verbandes des Bank- und Bankiergewerbes Gelegenheit genommen, den Herren darzulegen, welche Gefahren mit der Hereinholung kurzfristiger Auslandskredite verbunden sind, indem ich ihnen gesagt habe: ich bin zwar bereit, diese Auslandsdevisen qua Reichsbank zu kaufen und sie zur Verfügung zu halten[115] und sie auch wieder abzugeben, wenn die Not es erfordern sollte, aber dann muß die Wirtschaft mit Mark bezahlen und nicht etwa mit der Hereingebung von Wechseln, also engagiert euch in kurzfristigen Auslandskrediten nicht mehr, als es euer normaler Geschäftsgang verträgt. Ich glaube, daß diese Warnung sehr stark beachtet worden ist; denn von dem Augenblick an ist eine gewisse Abflauung in der Hereinnahme kurzfristiger Auslandskredite sichtlich zu bemerken. Die Herren wissen alle, daß sie nicht ohne weiteres diese Auslandskredite zurückzahlen können, ganz einerlei, ob mit Mark oder mit Pfunden, wenn sie sich nicht entsprechend flüssig halten, d. h. wenn sie diese Auslandskredite etwa langfristig investieren würden, und infolgedessen ist – die Beobachtung glauben wir gemacht zu haben – die Hereinholung von kurzfristigen Auslandskrediten im wesentlichen jetzt auf das effektiv flüssige Betriebskapital beschränkt worden, das im Notfall auch wieder liquidiert werden kann.

Dagegen sind natürlich die Bemühungen um Hereinholung langfristiger Auslandskredite sehr gewachsen. Es ist Ihnen allen bekannt, daß eine Reihe von langfristigen Auslandskrediten aufgenommen worden ist. Indessen könnte das natürlich noch wesentlich mehr sein.

Erfreulich ist – und das ist Ihnen auch bekannt, ich brauche nicht näher darauf einzugehen –, daß der Herr Reichsfinanzminister seinerzeit eine Kontrolle über die Hereinholung von Auslandskrediten für öffentliche Körperschaften eingerichtet hat18. Dieselbe funktioniert insofern, als sie den Beteiligten sehr viel Arbeit macht, ohne daß bisher noch irgendeiner dieser Kredite zustande gekommen ist. (Zuruf.) – Sehr wenig, soviel ich gesehen habe. Ich glaube, es ist nur der Kredit an die Sächsischen Werke. (Zuruf.) – Stuttgart eine Kleinigkeit; das ist mir noch nicht gemeldet. Jedenfalls im Verhältnis zu den Anträgen, die vor die Kommission kommen, ist effektiv noch recht wenig gemacht worden.

Dagegen glaube ich doch, daß gewisse Chancen bestehen, noch einige große Kredite hereinzuholen. Insbesondere hoffe ich, daß für die Rentenbankkreditanstalt19 ein großer Kredit hereingeholt werden kann.

Ich darf vielleicht in Paranthese bemerken, daß ich die vorzeitigen Veröffentlichungen in der Presse über solche Kreditverhandlungen sehr bedauere, und daß ich die Art und Weise, wie diese Sachen in der Zeitung behandelt worden sind, nur als sehr abträglich für die Verhandlungen bezeichnen kann. Wenn man da etwas tun könnte, um mehr Diskretion und Takt walten zu lassen, wäre das sehr erwünscht.

Jedenfalls liegen die Dinge mit den hereingekommenen Auslandsdevisen so, daß zur Zeit die Reichsbank zwar reichlich mit Devisen versehen ist, in diesem Devisenbesitz aber keinerlei Gefahr erblickt. Ich glaube deshalb, daß auch von diesem Gesichtspunkt aus die Lage der Reichsbank als befriedigend angesehen werden kann.

[116] Dann, meine Herren, haben wir einen großen Teil Arbeit verwandt auf die Herabdrückung des Zinssatzes in den letzten Monaten. Ich muß allerdings gestehen, daß unsere Hoffnungen und Wünsche nach der Richtung hin noch lange nicht genügend berücksichtigt worden sind. Insbesondere der Herr Landwirtschaftsminister wird sich erinnern, daß ich seinerzeit schon bei der Tagung in Königsberg, also im Februar vorigen Jahres, darauf hingewiesen habe, daß die Marge zwischen der ursprünglichen Geldquelle und dem letzten Kreditnehmer zu groß ist, daß in erster Linie da gearbeitet werden muß. Ich kann nach der Richtung hin konstatieren, daß die Landwirtschaft und insbesondere auch die da in Frage kommenden genossenschaftlichen Organisationen sehr bemüht gewesen sind, nach dieser Richtung hin zu wirken. Der letzte Ausfluß dieser Bemühungen ist die Herabsetzung des Rentenbankzinssatzes in einzelnen Fällen, die darauf zurückzuführen ist, daß der Grundsatz durchgeführt worden ist: der letzte Kreditnehmer soll nicht über 12% zahlen, und da, wo der Weg von der Geldquelle bis zum Kreditnehmer eben etwas zu lang war, weil sich noch eine oder zwei Instanzen mehr einschalteten, ist die Rentenbank eingesprungen und hat dann ihrerseits auf einen Teil ihres Zinses verzichtet.

Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft Graf v. Kanitz: Das ist aber nur für die Wechsel, die von Mitte März laufen!

Reichsbankpräsident Dr. Schacht: Das gilt selbstverständlich nur für diejenigen Wechsel, die von dem Tage ab, wo diese Herabsetzung erfolgt ist, hereinkommen. Bei denjenigen, die noch laufen, ist der Diskont vorweg abgezogen – daher der Name Diskont –, das kann man nicht nachträglich zurückvergüten; die sind eben erledigt.

Die Herabdrückung der Zinssätze bei den öffentlichen Kassen, Kommunalbanken, Girozentralen ist m. E. am weitesten rückständig. Die Herabdrückung bei den Banken liegt in der Mitte zwischen diesen beiden. Bei der Landwirtschaft ist es am besten gelungen, bei den Kommunalinstitutionen m. E. bisher am wenigsten und bei den Banken noch nicht befriedigend. Wir verhandeln regelmäßig und ständig mit den Banken, um die Spanne herabzudrücken. Sie beträgt augenblicklich zwischen dem Satz für täglich fällige Depositen, der ja für die Banken eine gewisse Rolle spielt, und dem Satz für normale Debetkosten 9,5%. Nun darf man hierbei nicht vergessen, daß erstens die Banken immer noch mit einem großen Teil überflüssiger Arbeit belastet sind, die namentlich daraus resultiert, Herr Reichskanzler, daß diese unendlichen Stöße von Papieren noch bei den Banken liegen, die immer bewältigt werden wollen, die Coupon-Abtrennungen von den Appoints, die jetzt durch die Deflation im Werte sehr klein geworden sind. Das wird sich erst ändern, wenn die ganze Deflation sich auch auf die Aktien, Schuldverschreibungen usw. übersetzt hat und technisch auch bei ihnen durchgeführt worden ist.

Dann aber ist ein großer Teil der Gelder und der ganz überwiegende Teil der Gelder, die zu den Banken kommen, heute kein tägliches Geld mehr, sondern es ist längerfristig, d. h. im wesentlichen 14-Tage- und Monatsgeld, und dafür betragen die Sätze 8 und 9%, so daß effektiv die Spanne nicht 9,5, sondern nur 5 oder 6% ist, eventuell 7%, was aber immer noch zu hoch ist, und wir bemühen uns immer wieder, auf die Banken zu drücken.

[117] Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft Graf v. Kanitz: Das ist über Reichsbankdiskont?

Reichsbankpräsident Dr. Schacht: Nein, die Spanne zwischen Debet- und Kreditzinsen der Banken. Der Debetsatz ist heute 15% gegenüber 10% Reichsbankdiskont. Die Bankzinsen sind vor ungefähr 2 Monaten heruntergesetzt worden. Wir bleiben nach dieser Richtung hin bemüht und hoffen, daß es uns insbesondere gelingen wird, die Marge zu verkleinern, soweit die Reichsbank mit ihrem Diskontsatz selbst herunterzugehen in der Lage ist.

Die Golddiskontbank wickelt sehr langsam ab, und zwar absichtlich. Wir haben die Erfahrung gemacht, daß das System der Golddiskontbank eigentlich etwas ist, was wir nicht preisgeben sollten, und die Vorsicht, die wir haben walten lassen, daß wir die Golddiskontbank nicht als solche liquidiert haben, sondern nur zugesagt haben, ihre Geschäfte zu liquidieren20, gibt uns vielleicht die Hoffnung, daß wir doch das eigentliche Geschäft der Golddiskontbank wiederaufnehmen können. Das ist das Gute bei der Golddiskontbank gewesen, daß wir Exportwechsel gekauft haben, die sich aus sich selbst, d. h. aus den Transaktionen der betreffenden Firmen wieder ganz automatisch ersetzen, d. h. aus dem Ausland hereinkommen. Die exportfördernde Wirkung der Golddiskontbank ist nach unseren Beobachtungen nicht zu unterschätzen gewesen, und wir gehen mit dem Gedanken um, der natürlich nur im Einverständnis mit dem Organisationskomitee, mit dem Generalrat eventuell, da es sich um die Rückziehung einer gegebenen Zusage handelt, durchgesetzt werden könnte, daß wir die Golddiskontbank wieder in Betrieb setzen für den Ankauf von Pfundwechseln oder von Dollarwechseln, jedenfalls von ausländischen Wechseln.

[…]

Ich darf dann vielleicht einige Bemerkungen über die Lage des gesamten Kapitalmarktes in Deutschland anfügen. Ich kann auch hier nur sagen, meine Herren, daß die Lage durchaus nicht so trostlos ist, wie sie naturgemäß und auch ganz zweckmäßig in der Öffentlichkeit immer geschildert wird. Im großen und ganzen ist die Entwicklung der Spareinlagen doch im Tempo eine sehr erfreuliche. Sie war in den ersten Monaten der Stabilisierung zweifellos darauf zurückzuführen, daß die Leute ihr vorhandenes Geld wieder mehr den Sparkassen gegeben haben, nicht also sonst irgendwie angelegt haben. In der letzten Zeit fasse ich die Ziffern aber doch so auf, daß effektiv eine Ersparung neuen Kapitals eingetreten ist. Die Giro- und Spareinlagen bei den deutschen Sparkassen sind gestiegen von 409 Millionen im Januar auf 1,8 Milliarden im Dezember 1924. Also das Tempo der Zunahme ist ein sehr erfreuliches, und es darf etwa geschätzt werden, daß hiervon die Hälfte auf Giroeinlagen und die Hälfte auf Spareinlagen, also auf langfristige Einlagen, entfällt.

Reichskanzler Dr. Luther: Kann man wissen, wieviel die Steigerung seit August21 beträgt?

[118] Reichsbankpräsident Dr. Schacht: Seit August ist sie allein 500 Millionen. Ich kann die Ziffern so sagen: August 1,342 Milliarden, September 1,452 Milliarden, Oktober 1,611 Milliarden, November 1,7 Milliarden, Dezember 1,8 Milliarden; das letztere sind noch geschätzte Ziffern. Es ist also eine ganz regelmäßige, stetige monatliche Zunahme.

Reichskanzler Dr. Luther: Ich glaube, erst vom August an kann man die abnormen Gesichtspunkte ausschalten, die Sie zuerst nannten.

Reichsbankpräsident Dr. Schacht: Ich bin ganz Ihrer Ansicht, Herr Reichskanzler; ich glaube, daß das richtig ist.

Meine Herren, ganz besonders erfreulich ist die Entwicklung im Versicherungswesen, und zwar gebe ich zunächst die Ziffern für die öffentlichen Unternehmungen, also Reichsversicherungsanstalt für Angestellte und sonstige unter Landesaufsicht stehende öffentliche Feuer- und Lebensversicherungen. Diese hatten am 1. Juni 1924 ein Vermögen von 67 Millionen und Ende 1924 – es sind zum Teil Schätzungen, die aber auf ziemlich sicheren Unterlagen beruhen, die Berichte erscheinen ja immer erst ziemlich spät im neuen Jahre – ein Vermögen einschließlich der Prämienreserven von 225 Millionen. Bei den privaten sind die Ziffern noch viel erfreulicher. Da war das vorhandene Vermögen der staatlich erfaßten Gesellschaften am 1.6.1924 nur 47 Millionen und ist für alle Gesellschaften bis Ende 1924 auf schätzungsweise 500 Millionen angewachsen.

Reichskanzler Dr. Luther: Wie sind die Vorkriegszahlen?

Reichsbankpräsident Dr. Schacht: Die habe ich leider nicht bei mir; aber die sind natürlich ganz unendlich viel höher gewesen22.

[…]

Über das Anwachsen der Kreditoren bei den Banken und die Wiederbelebung des normalen Bankgeschäfts im Jahre 1924 kann man natürlich zunächst nur auf Grund der Großbankbilanzen schließen. Veröffentlicht haben bisher ihre Bilanzen die Berliner Handelsgesellschaft und die Mitteldeutsche Kreditbank, die ein Anwachsen der Kreditoren auf ungefähr das Dreifache des Standes von Ende 1923 zeigen. Damit bleiben die erreichten Ziffern allerdings um rund die Hälfte hinter den entsprechenden Ziffern der Vorkriegszeit zurück, wobei natürlich die Verminderung der Kaufkraft der Mark immer noch außerdem zu berücksichtigen ist. Auch bei den Banken entfällt die eigentliche Zunahme natürlich auf Geschäftskonten und nicht auf Sparkonten, d. h. also auf Kassenbestände von Firmen usw.

In der Belebung des Bankgeschäfts zeigt sich – und das ist für die Reichsbank sehr erfreulich – insbesondere eine Wiederbelebung des Wechselkontos, das prozentual die stärkste Steigerung aufzuweisen hat, aber immer noch unter der Hälfte des Standes von 1914 bleibt. Die Erhöhung des Kontos gegenüber 1923 beträgt bei der Handelsgesellschaft das 13fache, bei der Mitteldeutschen Kreditbank das 18fache. Sie sehen, in welchem Umfange gegenüber Ende 1923 sich doch der Wechselverkehr wieder eingebürgert hat, was sehr erfreulich ist.

[119] Die Steigerung des Debitorenkontos beträgt rund das 3,5fache der Ziffern von Ende 1923, womit auch nur der vierte Teil des Debitorenbestandes von Ende 1913 erst erreicht ist. Immerhin zeigt die Entwicklung dieser Ziffern, daß das Bankwesen sich eigentlich verhältnismäßig schnell erholt, und wenn es gelänge, die Banken noch etwas stärker von toter Arbeit zu befreien, so würde, glaube ich, eine Wiederkräftigung unseres Bankwesens in die Erscheinung treten, die uns doch eine gewisse Hoffnung geben kann.

Ich darf dann zu den öffentlichen Geldern übergehen, die ja auf der einen Seite vielleicht ein schmerzliches Kapitel sind, weil sie eben alle aus Lasten aufgebracht werden, auf der anderen Seite aber doch für die Erleichterung des Geldmarktes heute eine sehr wesentliche Rolle spielen. Danach stellen sich die zur Verfügung stehenden Gelder von öffentlich-rechtlichen Stellen, bzw. die aus öffentlich-rechtlichen Verhältnissen aufkommen, beim Reiche etwa auf 500 Millionen – hier können Schwankungen sein, die mir nicht bekannt sind –, wovon 375 Millionen als Rediskonte bei der Reichsbank liegen. Bei der Post sind es etwa 600 Millionen, wovon 500 Millionen Postscheckgelder, von denen allerdings ein erheblicher Teil als Kassenreserve verbleiben muß. Die Post behält 75 Millionen Mark als tägliche Kassenreserve bei sich in den einzelnen Ämtern und hat ungefähr 30 Millionen bei der Reichsbank tägliches Geld auf Girokonto gut. Die Reichsbahn hat ungefähr 100 Millionen zur Verfügung, die öffentlichen Versicherungsgesellschaften 225 Millionen. Die Reichskredit AG, die ich einmal hier mit hineingenommen habe ebenso wie die Staatsbanken und die Landesbanken, hat etwa 200 Millionen fremde Gelder, die Staatsbanken 590 Millionen fremde Gelder, die Girozentralen 410 Millionen und die Landesbanken 270 Millionen. Man muß sich natürlich hüten, hier einfach zusammenzuzählen; die öffentlichen Gelder erscheinen zum Teil bei den Banken, sind also zwei Seiten desselben Bildes. Es ergibt sich aber immerhin aus diesen Ziffern, daß heute etwa 1,5 bis 1,6 Milliarden öffentlich-rechtliche Gelder zur Verfügung stehen. Das ist natürlich für den Geldmarkt eine ganz außerordentlich wichtige Hilfe.

[…]

Meine Herren, die Tatsache, daß so außerordentlich große öffentliche Gelder vorhanden sind, hat uns, wie Sie wissen, seit langem außerordentlich beschäftigt, und das Bestreben der Reichsbank ist immer darauf gerichtet gewesen – ich erinnere daran, daß ich schon im Frühjahr vorigen Jahres im Kabinett auf diese Dinge zu sprechen gekommen bin –, diese Gelder der Wirtschaft in einer Form nutzbar zu machen, die den wirtschaftlichen Erfordernissen entspricht. Nun liegt es mir vollkommen fern, heute etwa hier retrospektiv zu werden und auf die Dinge, die zu den unerquicklichen Erörterungen der letzten Wochen geführt haben23, hinzuweisen. Aber ich glaube, es wird sich doch heute wohl überall der Gedanke durchgesetzt haben, daß wir in unseren Grundgedanken bei der Reichsbank recht gehabt haben, daß diese öffentlichen Gelder in einer Form verwendet werden müssen, die drei Grundsätzen entsprechen, einmal dem der absoluten Sicherheit, zweitens dem der möglichst großen Liquidität und drittens dem der möglichst wirtschaftlichen Verwendung, wobei „wirtschaftlich“[120] im sinne von Allgemeinwirtschaft verstanden ist und nicht im Sinne von einzelwirtschaftlich, d. h. möglichst hohe Zinsen für die betreffende Kasse herauszuholen. Es geht m. E. nicht an – und dieser letztere Gesichtspunkt ist so furchtbar schwer aus den betreffenden Ressortstellen herauszubringen –, es geht m. E. nicht an, daß jede Kasse, die aus öffentlichen Mitteln gespeist wird, glaubt, nun noch mit diesen Geldern, wenn ich mich einmal des scharfen Ausdrucks bedienen darf, wuchern zu müssen; er befindet sich ja auch in der Bibel, und ich will ihn nicht in schlechtem Sinne gebraucht wissen.

Reichskanzler Dr. Luther: Da darf man nur mit „Pfunden“ wuchern und nicht mit Mark. (Heiterkeit.)

Reichsbankpräsident Dr. Schacht: Die Pfunde sind in dem Umfang leider nicht zur Verfügung. (Heiterkeit.) Im übrigen, Herr Reichskanzler, darf ich vielleicht auch an dieser Stelle, da Sie es gerade berühren, kurz erwähnen, daß die Reichsbank mit ihren „Pfunden“ recht gut gewuchert hat. Wir haben die Pfunde aus der Dawes-Anleihe zum Kurse vom 10. Oktober bekommen, während wir hoffen, sie noch einmal ganz in Gold einlösen zu können, und machen einen Verdienst von ungefähr 10% daran. Wir sind übrigens augenblicklich, wenn ich das erwähnen darf, wohl der größte Kunde der Bank von England und haben augenblicklich ungefähr 25 Millionen Pfund allein auf dem Londoner Markt gut; infolgedessen werden wir da drüben furchtbar gut behandelt.

Nun haben wir uns infolgedessen gesagt, meine Herren, daß für diese Gelder besondere Regelungen eintreten müssen, und ich glaube, daß die Reichsbank in dieser Frage nach keiner Richtung hin für sich egoistisch verfahren ist. Es ist nicht so, daß wir verlangt haben, daß diese öffentlich-rechtlichen Gelder alle an die Reichsbank gehen sollen, sondern wir haben lediglich gewünscht, daß diese Gelder in einer Form verwendet werden, die, sagen wir einmal, im Benehmen mit der Reichsbank erfolgt und der Reichsbank eine gewisse Kontrolle über diese Gelder gibt. Das, was wir auf diesem Gebiete erreicht haben, hat sich bisher im wesentlichen in zwei schriftlich niedergelegten Abmachungen kristallisiert. Das eine ist eine Abmachung mit der Post, die genau vorsieht, in welcher Weise die Post ihre verfügbaren Gelder verwenden soll. Davon geht – Sie haben ja die Dinge alle in der Zeitung gelesen – nur ein Teil an die Reichsbank für Rediskont, ein Teil geht in den Privatdiskontmarkt, ein Teil geht an die Seehandlung24 und andere Staatsbanken, ein Teil geht in festverzinsliche Anlagen hinein, d. h. in den Ankauf von Pfandbriefen usw. Und das zweite ist die Niederlegung von Richtlinien, nach denen die Seehandlung zu arbeiten hat. Diese bewegen sich in der Gedankenrichtung, die ich vielleicht in einer Antithese kurz so darstellen darf: Man kann zwei Grundsätze verfolgen. Entweder der Staat Preußen – und damit die Seehandlung – entschließt sich, ein Bankgeschäft zu führen, dann muß er alle Einrichtungen und alle Personen einstellen und einsetzen, die ein solches Geschätft zu führen in der Lage sind; oder aber er entschließt sich, von einem Bankgeschäft und all seinen Risiken und all seiner Verantwortung und all seinen Angriffspunkten, die es bietet, abzusehen und gewissermaßen eine öffentliche Kasse in weiterem Sinne zu machen, dann muß[121] er für diese Verwaltung dieser öffentlichen Kasse Richtlinien aufstellen, die eine sachliche Begrenzung der Geschäfte dieser öffentlichen Kasse darstellen.

Ich glaube, es war gar nicht zweifelhaft, daß nur der letztere Weg gewählt werden konnte, und infolgedessen ist in sorgfältig ausgearbeiteten Richtlinien der Seehandlung bestimmt worden, daß die Seehandlung sich im allgemeinen jeder direkten Kreditgewährung an Handel und Industrie zu enthalten und als die große Ausgleichskasse an dem größten deutschen Geldplatz, der Berlin nun einmal ist, zu dienen hat und dadurch der ganzen Wirtschaft ständig auf dem liquidesten und schnellsten und sichersten Wege auch wirtschaftlich in einer Weise dient, die dem Ganzen zugute kommt. Und ich darf vielleicht mit Rücksicht auf die hier und da auftretenden lokalpatriotischen Betrachtungen doch darauf hinweisen, daß man nicht das Geld nutzbar machen kann, indem man es verzettelt und auf die einzelnen Gebiete verteilt und nun jeden für sich seine Sicherungen gegen Risiko, Illiquidität usw. machen läßt, sondern daß der größte Nutzen vom Gelde nur dann zu erzielen ist, wenn man wirklich das Geld konzentrisch verwertet und durch die konzentrischen Kanäle wieder der Wirtschaft zuführt. Mit anderen Worten: das Geld, das in die Berliner Haute-Finanz und die Berliner Börse kommt, dient in ganz gleichem Maße dem Oberbayern und dem Niedersachsen wie dem Badenser und dem Ostpreußen, weil es durch zahlreiche natürliche Kanäle immer wieder in die Wirtschaft hineinfließt. Ich würde mich sehr freuen, wenn diese Erkenntnis überall nach Kräften durchdränge.

Wir haben einen gewissen Erfolg insbesondere auch in den allerletzten Tagen durch eine neue Vereinbarung mit den Banken erzielt, die dahin geht, daß wir uns bereit erklärt haben, Primabankakzepte jederzeit in beliebiger Höhe ohne Kontingentierung zum Diskont anzunehmen, und da dementsprechend eine Vereinbarung mit der Berliner Stempelvereinigung25 gerade im Gange ist, die in den nächsten Tagen zu einer schriftlichen Abmachung führen wird, haben wir es erreicht, daß die Situation auch auf dem offenen Wechselmarkt eine gewisse Entspannung erfahren hat. Wir bekommen mehr Privatdiskonten herein, und ich glaube, daß infolgedessen die ganze Situation augenblicklich so befriedigend anzusehen ist, wie sie bisher nicht gewesen ist.

Das hat uns Veranlassung gegeben, für heute früh den Zentralausschuß der Reichsbank zusammenzurufen und ihm folgende Mitteilung zu machen:

Der Status der Reichsbank hat sich sowohl gegen Ende des alten Jahres wie auch insbesondere nach Überwindung des Dezember-Ultimos verhältnismäßig befriedigend entwickelt. Die gesamte Wechsel- und Lombard-Anlage der Reichsbank, die Ende Oktober ungefähr 2373 Millionen Reichsmark betragen hatte, stellte sich Ultimo des Jahres 1924 nur auf 2081 Millionen Reichsmark, also rund um 300 Millionen Reichsmark niedriger; sie ist dann bis zum 15. Februar d. J. nahezu um weitere 500 Millionen Reichsmark, nämlich auf rund 1600 Millionen Reichsmark zurückgegangen. Zu dieser Entlastung hat einmal beigetragen[122] das Hereinkommen ausländischer Kredite, die, soweit sie zu Markanschaffungen benutzt worden sind, den Devisenbestand der Reichsbank wesentlich gestärkt haben, ferner die Herausnahme landwirtschaftlicher Wechsel aus dem Reichsbank-Portefeuille auf Grund des Rentenbank-Liquidierungs-Gesetzes26 und endlich eine allgemeine Entlastung, die dazu geführt hat, daß die intern für die Bankanstalten gesetzten Kreditkontingente in der letzten Zeit nur an wenigen Stellen voll ausgenutzt worden sind.

Der gesamte Zahlungsmittelumlauf – das sind also Reichsbanknoten, Privatbanknoten, Rentenbankscheine und Münzen – hatte sich für Ende Dezember 1924 auf 4276 Millionen Reichsmark belaufen. Er ist bis zum 23. Februar ungefähr auf 3800 Millionen Reichsmark zurückgegangen und hat damit den Stand vom 23. Dezember v. J. etwas unterschritten. Die Lage der Reichsbank gestattet danach die Erwägung einer Diskontherabsetzung.

Da ferner die Bemühungen der Reichsbank um die Wiedereinführung eines Privat-Diskontverkehrs Fortschritte gemacht haben, und da ebenso die auf eine Konzentration der öffentlichen Gelder und ihre Verwendung am offenen Geldmarkte gerichteten Bestrebungen bei mehreren der in Frage kommenden Stellen volles Verständnis gefunden haben, so hat das Reichsbankdirektorium sich entschlossen, den Diskontsatz mit Wirkung vom heutigen Tage von 10% auf 9% herabzusetzen, ohne damit auf das auch bisher geübte und gegebenenfalls auch weiter anzuwendende Recht einer Kontingentsregulierung zu verzichten.

Reichskanzler Dr. Luther: Sie haben in einer sehr interessanten Mitteilung Ihre Darlegungen ausklingen lassen, Herr Reichsbankpräsident. Ich darf Ihnen namens der übrigen Herren aufrichtig danken für die umfangreichen Darstellungen, die von großem Wert gewesen sind. Ich nehme an, daß sich eine Erörterung daran anschließen wird.

Ich darf vielleicht eine rein statistische Frage vorweg stellen. Kann man sich bei der Reichsbank eine Vorstellung machen, wieviel Giralgelder wir heute haben, besonders im Verhältnis zu den Giralgeldern vor dem Kriege? Auch keine schätzungsweisen Zahlen?

Reichsbankpräsident Dr. Schacht: Sehr schwer! Der Giroverkehr der Banken als solcher, der sich innerhalb der Großbanken vollzieht, ist sehr schwer zu schätzen. Wir haben einmal versucht, eine Enquete zu machen, wobei natürlich vor allen Dingen die Girozentralen ein sehr großes Feld bieten. Es wäre mir interessant, Herr Reichskanzler, wenn sie mir sagen würden, was Sie daraus schließen wollen.

Reichskanzler Dr. Luther: Das Gesamtbild! Man muß natürlich auch die Zeit vor dem Kriege haben. Das Gesamtbild des Zahlungsmittelumlaufs im Verhältnis zur Wirtschaft!

Reichsbankpräsident Dr. Schacht: Das ist im Reichsbankgiroverkehr ungefähr wieder auf der Höhe, vielleicht sogar etwas darüber. Es ist ganz erstaunlich, in welchem Umfange der Giralverkehr der Reichsbank nach der Stabilisierung sofort wieder eingesetzt hat. Wir sind ganz schnell fast wieder auf den[123] alten Stand gekommen. Es ist eine ganz erstaunlich rasche Kurve. (Zuruf: Nur nominell, wegen der Geldentwertung!) – Natürlich!

Reichsminister der Finanzen v. Schlieben: Der Reichswirtschaftsminister, der Ernährungsminister und ich müssen weggehen. Könnten wir nicht vielleicht, wenn wir den schriftlichen Bericht bekommen haben, den der Herr Reichsbankpräsident in Aussicht gestellt hat27, und wenn wir ihn noch einmal durchgearbeitet haben, noch einmal zusammenkommen, wenn noch Fragen zu stellen sind?

Reichskanzler Dr. Luther: Ich hatte nur die statistische Frage vorweggenommen. Das Fragengebiet des Punktes 4 meines Schreibens28, wenn ich recht verfolgt habe, ist noch nicht behandelt worden. Die Herren haben nun eine ungemein wichtige Besprechung vor. Die ganze Situation wird ja durch die Diskontherabsetzung eine besondere Beleuchtung erfahren, wobei ich mit der Möglichkeit gerechnet habe, daß die Herren vielleicht über die Höhe der Diskontherabsetzung hätten Bemerkungen machen wollen. Vielleicht ist es richtiger, wir kommen in einiger Zeit noch einmal zusammen, als daß wir jetzt hastig über die Dinge sprechen.

Nun handelt es sich noch um den Punkt 4 meines Schreibens. Ich weiß nicht, ob die anderen Herren Mitteilung davon bekommen haben: ich hatte mir erlaubt, an den Herrn Reichsbankpräsidenten die Bitte zu richten, sich zu äußern über die allgemeine Goldmarkt- und Goldpreislage und ihre mögliche künftige Entwicklung. Die Herren wissen, daß das wegen 1928 in den Bestimmungen der Dawes-Abkommen für uns eine Angelegenheit von unter Umständen sehr großer Bedeutung ist. Das wird aber vielleicht in Kürze auch nicht gehen, Herr Reichsbankpräsident? (Dr. Schacht: Das ist sehr rasch zu machen!) – Dann darf ich vielleicht bitten, den Punkt noch zu erwähnen.

Reichsbankpräsident Dr. Schacht: Diese Frage ist für uns nach zwei Richtungen hin von Wichtigkeit. Einmal daß wir unsere Zahlungen unter dem Dawes-Plan nach dem Londoner Goldpreis einzurichten haben, d. h. die effektive Abrechnung erfolgt nach dem Londoner Goldpreis29. Ich weiß nicht, ob das gemeint ist.

Reichskanzler Dr. Luther: Die prozentuale Verschiebung, die vom Standpunkt 1928 eintritt30, und die etwaige Goldkreditpolitik Amerikas bis 1928, um dadurch unsere Leistungen zu erhöhen31!

[124] Reichsbankpräsident Dr. Schacht: Ich habe nicht den Eindruck, daß die Entwicklung so geht, daß innerhalb des Goldwertes sehr erhebliche Schwankungen eintreten, die doch schon bis zu 10% gehen müssen, wenn sie überhaupt berücksichtigt werden sollen. Natürlich ist es eine Gefühlssache, eine Erwägung, die sich aus der ganzen Entwicklung der Goldproduktion und des Goldwertes zur Zeit ergibt. Ich habe nicht den Eindruck – und die Herren der Reichsbank teilen meine Auffassung –, daß wir nach der Richtung hin irgendwelche Befürchtungen zu haben brauchen.

Reichskanzler Dr. Luther: Die Frage wäre die, ob bis 1928 mit einer planvollen Senkung des Goldpreises als solchem zu rechnen ist.

Reichsbankpräsident Dr. Schacht: Im Gegenteil!

Reichskanzler Dr. Luther: Ich stelle die Frage wegen des Gegenteils.

Reichsbankpräsident Dr. Schacht: Die Tendenz geht zweifellos dahin, den Goldwert zu heben, nicht zu senken.

Reichskanzler Dr. Luther: Glauben Sie, daß diese planvolle Hebung des Goldwertes, die sich vielleicht ausdrückt in dem Gedanken der Währungskonferenz, von der Amerika spricht, irgendwelchen größeren Ausschlag haben wird?

Reichsbankpräsident Dr. Schacht: Nein, ich kann mir nicht vorstellen, daß die Schwankungen so groß sein werden. Ich möchte aber vor allem folgendes sagen, und das habe ich damals schon bei dem Experten-Komitee32, bei der Konferenz, gesagt. Den Wert des Goldes kann man nur an Warenpreisen messen. Ich bin der Ansicht, daß niemand beweisen kann, daß die Veränderungen der Warenpreise in einer Veränderung des Goldwertes begründet sind, sondern da gibt es tausend technische und wirtschaftliche Möglichkeiten, die den Warenpreis beeinflussen. Also ich halte diese ganze Klausel im Dawes-Plan – sie stammt von Franqui – für eine im letzten Moment hineingebrachte Beruhigungspille für die Öffentlichkeit. Aber ich halte sie nach keiner Richtung für praktisch bedeutend.

Reichskanzler Dr. Luther: Die Situation würde die sein: wenn bis 1928 eine erhebliche Steigerung der Goldpreise auf Grund einer ganz bewußten amerikanischen Währungspolitik einsetzt und von 1928 an die entgegengesetzte Bewegung abläuft, dann würden wir zu unter Umständen erheblichen Steigerungen kommen.

[125] Reichsbankpräsident Dr. Schacht: Ich halte es nicht für möglich, eine solche Politik planmäßig zu betreiben; selbst von Amerika nicht. Frankreich hätte vielleicht ein Interesse daran. Amerika nicht. Aber das kann man ja nie wissen.

Darf ich aber darauf eines erwidern. Auch diese ganzen Erwägungen sind m. E. weniger wesentlich, wenn die europäischen Länder wieder verstärkt dazu übergehen, sich selbst Gold hinzulegen. Zum Beispiel ist unser deutscher Einfluß heute auf dem Goldmarkt schon außerordentlich groß, und wenn die anderen Länder das ebenso machen, wozu sie ganz zweifellos kommen werden und wozu England ganz zweifellos kommen muß und kommen wird, dann ist Amerika bei weitem nicht mehr so in der Lage, eine systematische Politik zu machen.

Reichskanzler Dr. Luther: Es wird sachgemäß sein, wenn wir uns heute mit diesen paar Andeutungen begnügen. Daß die Sache in der Entwicklung genau verfolgt werden muß, damit, glaube ich, gehe ich mit dem Herren Reichsbankpräsidenten einig.

Reichsbankpräsident Dr. Schacht: Absolut!

Reichskanzler Dr. Luther: Ich würde vorschlagen, daß wir die Sitzung heute mit bestem Dank an den Herrn Reichsbankpräsidenten für seine Darlegungen schließen, und ich darf mir vorbehalten – ich glaube, daß es der Meinung der anderen Herren auch entspricht –, daß wir in nicht zu langer Frist erneut zusammenkommen, um über die Dinge zu sprechen. Ich werde mich mit Ihnen über den Termin in Verbindung setzen33.

(Schluß der Sitzung 12 Uhr 25 Minuten.)

Fußnoten

1

Die Berichterstattung war angeregt worden durch den RFM mit Schreiben an die Rkei vom 12. 2., worin es u. a. heißt: „Ich halte den Augenblick einer solchen Berichterstattung nicht nur aus allgemeinen Erwägungen heraus für gekommen, sondern auch aus der besonderen Sorge, daß der Zufluß an Auslandskrediten in die private Wirtschaft, wenn er in dem bisherigen Umfange anhält, erheblichen Einfluß auf die Währungslage gewinnen muß und insofern die gegenwärtige Währungspolitik zu beeinflussen geeignet ist. Es entsteht die Frage, ob mit einer Beschaffung der ausländischen Zahlungsmittel bei Fälligkeit der Auslandskredite ohne erhebliche Schwierigkeiten gerechnet werden kann. Weiterhin fragt es sich, wie sich das Zusammenströmen der Devisen bei der Reichsbank und ihre Umwandlung in Reichsmarkguthaben oder auf Reichsmark lautende Zahlungsmittel bei diesem Institut, namentlich im Hinblick auf den Zahlungsmittelumlauf, auswirkt.“ (R 43 I /633 , Bl. 354).

Einladung an den RbkPräs. erging daraufhin mit Schreiben des RK vom 23. 2., worin um Behandlung folgender Themen gebeten wurde: 1) künftige Währungs- und Kreditpolitik, 2) künftige Zins- und Diskontpolitik, 3) währungspolitische Bedeutung des weiteren Zuflusses an Auslandskrediten, 4) allgemeine Goldmarkt- und Goldpreislage und ihre künftige Entwicklung besonders im Zusammenhang mit den Bestimmungen der im Londoner Pakt vorgesehenen Goldklausel (R 43 I /633 , Bl. 361 f.).

2

Das Protokoll ist nicht unterzeichnet. Am Kopf der Titelseite ist handschriftlich vermerkt: „Streng vertraulich! Nur für die Teilnehmer an der Sitzung bestimmt.“

3

Reichsbankgesetz vom 30.8.24 (RGBl. II, S. 235 ).

4

d. h. in der Zusammensetzung des Rbk-Kuratoriums, wie sie durch Gesetz vom 16.12.19 (RGBl., S. 2117 ) festgelegt und bis zum Erlaß des Reichsbankgesetzes (s. zuvor Anm. 3) in Geltung gewesen war. Danach gehörten dem Kuratorium an: der RK als Vorsitzender sowie acht Mitglieder, von denen zwei durch den RPräs., die übrigen durch den RR berufen wurden. Es waren dies der RFM und der RWiM sowie Vertreter der Länder Preußen, Bayern, Sachsen, Württemberg, Baden und Hamburg.

5

Protokoll dieser Sitzung (63 Seiten) in R 43 I /632 , Bl. 383-444.

6

S. das Einladungsschreiben des RK (Anm. 1).

7

Eine solche „Ziffernzusammenstellung“ übersendet die Statistische Abteilung der Rbk mit Schreiben vom 6. 3. Sie enthält Angaben über die Gold- und Devisenbestände der Rbk, über die Außenhandelsbilanz 1924, über den Zahlungsmittelumlauf zwischen Januar 1924 und Februar 1925, über die Giro- und Spareinlagen bei den dt. Sparkassen und über die Entwicklung des Vermögens bei den Versicherungsunternehmen. Die Zusammenstellung ist obigem Protokoll als Anlage A beigefügt (R 43 I /633 , Bl. 380 f.).

8

Hierbei handelt es sich wohl um die VO des RPräs. vom 31.10.24 (RGBl. I, S. 729 ), mit der die seit der VO über die Devisenerfassung vom 7.9.23 (RGBl. I, S. 865 ) geltenden devisenpolizeilichen und Kapitalfluchtvorschriften außer Kraft gesetzt wurden.

9

Nach der Ziffernzusammenstellung der Rbk (s. Anm. 7) wurden 1924 Waren im Werte von 9067 Mio GM eingeführt und Waren im Werte von 6533 Mio GM ausgeführt.

10

Über die Restriktionsmaßnahmen der Rbk, die am 7.4.24 durch einen allgemeinen Kreditstop (die Gesamtsumme der Wirtschaftskredite durfte den Stand vom 7. 4. fortan nicht mehr überschreiten) eingeleitet und erst ab August 1924 durch Erleichterungen im Diskont- und Lombardverkehr allmählich wieder abgebaut wurden, s. Schacht, Die Stabilisierung der Mark, S. 117 ff.; Luther, Politiker ohne Partei, S. 253 ff.; Verwaltungsbericht der Rbk für das Jahr 1924, S. 5.

11

Die Zusammenstellung der Rbk weist für diesen Termin 3818 Mio GM aus.

12

S. die Rentenbankverordnung vom 15.10.23 (RGBl. I, S. 963 ), dort bes. §§ 16–19.

13

Bestimmung des § 5 des Reichsbankgesetzes (s. zuvor Anm. 3).

14

Im all. Sachverständigengutachten vom 9.4.24 (Text: RT-Drucks. Nr. 5, Bd. 382 ) vorgesehenes und Ende April 1924 eingesetztes Komitee, das mit den Vorarbeiten zur Umgestaltung der Rbk beauftragt war. Ihm gehörten nur zwei Mitglieder an: RbkPräs. Schacht und Sir Robert Kindersley, Aufsichtsratsmitglied der Bank von England. Näheres über die Arbeiten des Komitees s. bei Schacht, Die Stabilisierung der Mark, S. 135 ff.

15

Auf Grund des Sachverständigengutachtens zur Sicherung des ausländischen Einflusses bei der Rbk eingerichtete Körperschaft, die sich (auch gemäß Reichsbankgesetz vom 30.8.24, s. Anm. 3) aus sieben ausländischen und sieben dt. Mitgliedern zusammensetzt. Die wichtigste Funktion des Generalrats liegt darin, daß er den RbkPräs. wählt und daß seine Zustimmung für die Ernennung der Rbk-Direktoriumsmitglieder erforderlich ist.

16

Über die Errichtung, über Aufgaben und Rechte der Dt. Golddiskontbank, deren Gesamtkapital von 10 Mio Pfund Sterling je zur Hälfte von einem dt. Bankenkonsortium und von der Rbk (Kredit eines ausländischen Konsortiums) aufgebracht wurde, s. das „Gesetz über die Deutsche Golddiskontbank“ vom 19.3.24 und das unter dem gleichen Datum verkündete „Gesetz über die Änderung des Bankgesetzes“ (RGBl. II, S. 71  und 73). Nach nicht ganz einjährigem Bestehen der Bank wurden ihre Anteile in Rbk-Anteile umgetauscht und ihre Geschäftstätigkeit allmählich beendet. Als Abteilung der Rbk, jedoch rechtlich als selbständige Kreditbank, nimmt die Golddiskontbank im Mai 1925 ihre Tätigkeit als Zwischenglied zwischen Rbk und Kreditnehmern erneut auf.

17

S. zuvor Anm. 10.

18

S. dazu Anm. 2 zu Dok. Nr. 8.

19

Zum Projekt einer Dt. Rentenbankkreditanstalt, über deren Errichtung das Kabinett gegenwärtig noch berät, s. Dok. Nr. 16, P. 7 und Dok. Nr. 76, P. 2.

20

Über diese Zusage, die gegenüber dem Expertenkomitee des Dawes-Sachverständigenkomitees (s. Anm. 32) im Februar 1924 abgegeben wurde, vgl. Schacht, Die Stabilisierung der Mark, S. 108.

21

d. h. wohl seit Lockerung der Kreditrestriktionen, vgl. Anm. 10.

22

Nach der Ziffernzusammenstellung der Rbk (s. zuvor Anm. 7) belief sich das Vermögen der öffentlichen Versicherungsunternehmen im Jahre 1913 auf 3500 Mio, das der privaten auf 6000 Mio GM.

23

Offenbar Anspielung auf die Barmat-Kutisker-Affaire. S. dazu Anm. 2 zu Dok. Nr. 20.

24

Pr. Staatsbank.

25

Kurzbezeichnung für „Vereinigung Berliner Banken und Bankiers“, gegr. 1883 speziell zur Herbeiführung gerichtlicher Entscheidungen in Stempelsteuerfragen. Die Vereinigung, die sich später zu einer Banken-Interessengemeinschaft allgemeiner Art entwickelte, ist insbesondere bemüht um Herstellung gleichmäßiger Geschäftsbedingungen auf dem Gebiet des Zins- und Provisionswesens.

26

Gemeint ist das Gesetz über die Liquidierung des Umlaufs an Rentenbankscheinen vom 30.8.24. S. dazu Anm. 18 zu Dok. Nr. 16.

27

S. zuvor Anm. 7.

28

S. zuvor Anm. 1.

29

Bestimmung des Londoner Schlußprotokolls (Unteranlage 1 zu Anlage I) vom 16.8.24 (s. das „Gesetz über die Londoner Konferenz“ vom 30.8.24, RGBl. II, S. 289 ).

30

Betrifft Abs. 9 der Unteranlage 1 zu Anlage I des Londoner Schlußprotokolls, der hierzu bestimmt: „Die Deutsche Regierung, die Reparationskommission und die in der Reparationskommission vertretenen Regierungen können jede für sich vom Jahre 1928 ab in jedem künftigen Jahre eine Abänderung der deutschen Verpflichtung verlangen mit der Begründung, daß sich die allgemeine Kaufkraft des Goldes im Vergleich zu 1928 um mindestens 10 Prozent geändert habe.“

31

Diese Befürchtung hatte Grävell in einem Referentengutachten für den RK vom 17. 2. zum Ausdruck gebracht und dazu u. a. dargelegt: Der Bestimmung des Dawes-Plans, Veränderungen des Goldwerts sich von 1928 ab in den Annuitäten auswirken zu lassen, „hat wohl ganz bewußt die Absicht zugrunde gelegen, die Zwischenzeit zu Goldmanipulationen auszunutzen, die es der Gegenseite ermöglichen sollen, ein doppeltes Geschäft zu machen: einmal ein solches an den Annuitäten, und zum anderen ein solches an den jetzt zur Verfügung gestellten und an den in der nächsten Zeit zur Verfügung zu stellenden Anleihen. Der innere Wert dieser Anleihen steigt naturgemäß ebenfalls mit einer Steigerung des Goldwertes, was eine starke zusätzliche Belastung der Schuldner ergibt.“ Wie groß diese Gefahr sei, gehe daraus hervor, daß der amerik. Senatsausschuß für Währungsfragen kürzlich die US-Regierung ersucht habe, eine internationale Währungskonferenz einzuberufen, die zur Herstellung allgemeiner Währungsstabilität eine zweckmäßigere internationale Verteilung der Goldvorräte durchsetzen solle. „Das Ziel Amerikas dürfte daraus klar hervorgehen, nämlich Steigerung des Goldwerts.“ Von dt. Seite sollte daher alles darangesetzt werden, „um einer Bewegung zur Steigerung des Goldpreises wenigstens bis zum Jahre 1928 entgegenzuwirken.“ (R 43 I /633 , Bl. 355-360).

32

Vom Dawes-Sachverständigenkomitee im Januar 1924 eingesetzter Ausschuß für dt. Währungsfragen. Über die Verhandlungen des RbkPräs. mit dem Expertenkomitee s. Schacht, Die Stabilisierung der Mark, S. 103 ff.

33

Über den Bericht des RbkPräs. findet am 4. 4. in der Rkei eine Aussprache statt, an der Luther, v. Schlieben, Graf v. Kanitz, RbkVPräs. Kauffmann und Ländervertreter teilnehmen. Es werden u. a. Diskont- und Kreditfragen sowie Probleme der Exportförderung und des steigenden Umlaufs an Zahlungsmitteln erörtert (Protokoll – 15 Seiten – in R 43 I /634 , Bl. 8-22).

Zu Berichten des RbkPräs. in der obigen Form kommt es während der Amtszeit des Kabinetts Luther noch zweimal, und zwar am 14. 8. und 5.12.25 (s. Dok. Nr. 146 und 244).

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