1.169 (ma12p): Nr. 381 Richtlinien über die Aufnahme von Auslandskrediten durch Länder, Gemeinden und Gemeindeverbände. [Vereinbarung der Länder vom 23. Dezember 1924]

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Nr. 381
Richtlinien über die Aufnahme von Auslandskrediten durch Länder, Gemeinden und Gemeindeverbände. [Vereinbarung der Länder vom 23. Dezember 1924]1

R 43 I /1398 , Bl. 30-33 Umdruck

A.

Die Länder sind sich darüber einig, daß die Erhaltung der Währung und allgemeine politische Gründe die äußerste Beschränkung bei Aufnahme von Auslandskrediten durch öffentliche Verbände gebieten. Die Länder verpflichten[1252] sich daher gegenseitig, bei der Aufnahme von Auslandskrediten, soweit diese durch unabweisbare Bedürfnisse erforderlich werden, die nachfolgenden Richtlinien einzuhalten oder für ihre Beachtung Sorge zu tragen. Diese Richtlinien gelten für Auslandskredite, die von Ländern, Gemeinden oder Gemeindeverbänden unmittelbar aufgenommen oder mittelbar für diese durch öffentlichrechtliche oder private Geldanstalten oder in anderer Weise beschafft werden. Sie gelten, soweit die Auslandskredite an Länder, Gemeinden oder Gemeindeverbände gegeben werden sollen, insbesondere für Auslandskredite der kommunalen Giroverbände einschließlich ihrer Bankanstalten sowie für Auslandskredite sonstiger Kreditinstitute, deren besondere Aufgabe die Befriedigung des kommunalen Kreditbedarfs oder die Pflege des Hypothekar-Kredits ist. Ebenso finden sie Anwendung auf Bürgschaften und Sicherheiten, die zugunsten Dritter von Ländern, Gemeinden und Gemeindeverbänden für Auslandskredite gestellt werden.

B.

Als verhältnismäßig unbedenklich und daher dem unter C dargestellten Verfahren nicht unterworfen gilt die Aufnahme von Auslandskrediten, die folgende Bedingungen erfüllen (unter Wegfall von B III Absatz 2 und 3 für die kurzfristigen Kredite der Länder nach B I,2):

I. Form des Kredits.

1. langfristige, d. h. auf mindestens 10 Jahre abgeschlossene, jedoch spätestens nach 5 Jahren vom Schuldner kündbare Anleihen;

2. kurzfristige, auf längstens 1 Jahr abgeschlossene, nur der vorübergehenden Verstärkung der Betriebsmittel dienende Auslandskredite der Länder, soweit die Länder durch ausdrückliche Erklärung gegenüber der Beratungsstelle (vgl. D) die Gewähr übernehmen, daß die Rückzahlung bei Fälligkeit gesichert ist und die Umwandlung in eine langfristige Anleihe nicht in Betracht kommt. Der Nennbetrag, die Bedingungen und die Kreditgeber sind der Beratungsstelle spätestens 8 Tage nach Abschluß mitzuteilen. Kommt die Beratungsstelle auf Grund der Mitteilungen zu dem Ergebnis, daß durch Häufung der Fälligkeitstermine, durch Anwachsen der aufgenommenen Beträge oder auf sonstige Weise eine ernste Gefahr für die Währung entsteht, so ist sie berechtigt, durch eine Mitteilung an die Länder zeitweilig, jedoch nicht für länger als 3 Monate,[1253] das unter C vorgesehene Verfahren auch für die vorstehend bezeichneten kurzfristigen Auslandskredite in Kraft zu setzen.

II. Maximalbelastung.

Die von der Beratungsstelle gemäß D Abs. 2 festzusetzende jährliche Maximalbelastung, berechnet auf Grundlage des Nettoerlöses unter Berücksichtigung des Disagios bei der Ausgabe auch in Hinsicht auf die Tilgungsbedingungen, der Vermittlerprovision und aller sonstigen Spesen darf nicht überschritten werden.

III. Verwendungszweck der Auslandskredite.

Die von Ländern, Gemeinden oder Gemeindeverbänden aufzunehmenden Auslandskredite müssen für eigene Zwecke des Kreditnehmenden oder eines der unter A genannten öffentlichen Verbände bestimmt sein. Sie dürfen insbesondere nicht an physische oder juristische Personen des Privatrechts weitergegeben werden.

Die Auslandskredite müssen unmittelbar produktiven Zwecken dienen, d. h. nur solchen werbenden Anlagen, die durch unmittelbare Erzeugung von Werten die Verzinsung und die Amortisation des investierten Kapitals aus eigenen Einnahmen gewährleisten, ohne daß allgemeine Einnahmen des öffentlichen Verbandes in Anspruch genommen werden.

Die Anlagen müssen in dem Sinne notwendig sein, daß die geplanten Ausgaben nicht bis zu der Zeit zurückgestellt werden können, in der inländisches Kapital für die in Frage kommenden Zwecke zur Verfügung steht.

IV. Sicherstellung der Auslandskredite.

Die Bedingungen dürfen keine speziellen Pfänder irgendwelcher Art vorsehen, ebenso keine Verbindung mit anderen Geschäften wie z. B. Verkäufen von Produkten aus staatlichen Unternehmen.

C.

Vor Aufnahme der unter A fallenden Auslandskredite, die von den unter B genannten Bedingungen abweichen, sowie vor Stellung von Bürgschaften oder Sicherheiten für Auslandskredite hat die beteiligte Landesregierung, auch für die ihr zugehörigen Gemeinden oder Gemeindeverbände, Girozentralen und sonstige unter A aufgeführte Kreditinstitute, das Gutachten einer Beratungsstelle einzuholen, die den in Frage kommenden Kredit auf seine Unbedenklichkeit unter Berücksichtigung der unter A dargelegten Gesichtspunkte, mithin auch unter Berücksichtigung des Verwendungszweckes, zu prüfen hat. Die Länder sind berechtigt, die geplante Kreditaufnahme vor der Beratungsstelle mündlich zu vertreten. Die Gutachten werden von der Beratungsstelle unverzüglich erstattet und dem Reichsfinanzministerium sowie der Regierung des in Betracht kommenden Landes mitgeteilt.

Will ein Land von dem Gutachten abweichen, und ist eine Einigung mit der Beratungsstelle nicht alsbald zu erzielen, so hat es vor endgültiger Entschließung über die Aufnahme des Kredits die Stellungnahme eines Ausschusses[1254] einzuholen, dessen Mitglieder von den Länderregierungen bestellt werden und in dem sämtliche Länder mit der Stimmenzahl vertreten sind, die ihrer Vertretung im Reichsrat entspricht. Dieser Ausschuß beschließt mit einfacher Stimmenmehrheit. Die Länderregierungen entscheiden selbständig darüber, ob und wieweit sie der Stellungnahme dieses Ausschusses entsprechen wollen. Dabei sind sich jedoch die Länder darüber einig, daß ihr eigenes Interesse an der Durchführung des unter A Satz 1 aufgestellten Grundsatzes die Beachtung der Stellungnahme dieses Ausschusses erfordert.

D.

Die Beratungsstelle ist ein aus Sachverständigen bestehender Vertrauensausschuß der Länder. Er setzt sich wie folgt zusammen:

1)

ein vom Reichsfinanzministerium zu bestellender Sachverständiger als Vorsitzender,

2)

ein vom Reichswirtschaftsministerium zu bestellender Sachverständiger,

3)

ein vom Reichsbank-Direktorium zu bestellender Sachverständiger; als von den Ländern bestellte Sachverständige:

4)

Dr. Schroeder, Präsident der Preußischen Staatsbank,

5)

Arnold, Präsident der Bayerischen Staatsbank;

6)

jeweils ein staatlicher Vertreter des ein Gutachten einholenden Landes.

Für die unter 1 bis 3 genannten Sachverständigen können Stellvertreter ernannt werden. Für den Fall der Behinderung der unter 4 und 5 genannten Sachverständigen werden Vertreter durch die Beratungsstelle ernannt werden. Die Beratungsstelle gibt sich eine Geschäftsordnung, die dem Reichsrat mitzuteilen ist. – Die Geschäftsführung liegt beim Reichsfinanzministerium.

Die Beratungsstelle hat die unter B genannten Bedingungen an Hand der Entwicklung dauernd auf ihre verhältnismäßige Unbedenklichkeit zu prüfen und gegebenenfalls den Ländern Abänderungsvorschläge zu machen. Die Maximalsätze für die Belastung durch den Kredit (B II) werden von den ständigen Mitgliedern der Beratungsstelle nach Lage der Verhältnisse selbständig festgesetzt. – Die Beratungsstelle hat ferner die Aufgabe, den ausländischen Kapitalmarkt zu beobachten und nach Möglichkeit Auskünfte zu erteilen, z. B. über sich bietende Gelegenheiten und Vertrauenswürdigkeit von Kreditvermittlern. – Die Länder sind verpflichtet, die Beratungsstelle laufend über ihre Erfahrungen zu unterrichten und ihr den Nennbetrag, die Bedingungen, den Verwendungszweck und die Geldgeber der von ihnen oder den ihnen zugehörigen öffentlichen Verbänden, Girozentralen und sonstigen unter A genannten Kreditinstituten aufgenommenen Auslandskredite, soweit sie nicht ohnehin zur Kenntnis der Beratungsstelle zu bringen sind, mitzuteilen. Die Beratungsstelle hat ihre Erfahrungen für die Länder nutzbar zu machen.

E.

Die Länder werden dafür Sorge tragen, daß die Innehaltung der vorstehenden Richtlinien durch die ihnen zugehörigen Gemeinden, Gemeindeverbände, Girozentralen und sonstigen unter A aufgeführten Kreditinstitute gesichert sind.

[1255] F.

Das vorstehende Abkommen läuft bis zum 30. Juni 1925 und gilt von diesem Zeitpunkt an jeweils um 3 Monate verlängert, wenn es nicht 4 Wochen vor Ablauf der genannten Fristen von einem Lande gekündigt wird.

Fußnoten

1

Zur Vorgeschichte s. Dok. Nr. 365, P. 10. Die Richtlinien sind einem Schreiben des RFM vom 2.1.25 an die Rkei und sämtliche RM als Anlage beigefügt. Im Schreiben des RFM heißt es: „Die von den Ländern bevollmächtigten Vertreter haben in der am 23.12.1924 im RFMin. abgehaltenen Sitzung vereinbart, bei der Aufnahme von Auslandskrediten, die für Länder, Gemeinden und Gemeindeverbände bestimmt sind, die anliegenden Richtlinien einzuhalten. Was die zwei Fassungen betrifft, die in meinem, mit Schreiben vom 26.11.1924 vorgelegten, Entwurf der Richtlinien über die Zuständigkeit des unter C genannten Ausschusses der Länder vorgesehen waren [s. Dok. Nr. 365, Anm. 18], so war eine Einigung unter den Ländern nur über die zweite Fassung zu erzielen, nach der dem Ausschuß nur die Abgabe eines Gutachtens obliegt. Die Annahme der ersten Fassung begegnete dem Widerstand von Bayern, Württemberg, Thüringen, Oldenburg, Braunschweig und Anhalt. Dagegen gaben auch diese Länder die Erklärung ab, daß sie von den gutachtlichen Beschlüssen des Länderausschusses nicht abweichen würden, wenn nicht unbedingt zwingende Gründe vorlägen, und waren mit der Aufnahme dieser Erklärung in das Schlußprotokoll der Sitzung vom 24. 12. einverstanden.“ Der RFM schlägt im übrigen vor, dem RPräs, die Aufhebung der VO über die Aufnahme von Auslandskrediten durch Länder, Gemeinden und Gemeindeverbände vom 1.11.24 (RGBl. I, S. 726 ; vgl. Dok. Nr. 347, Anm. 8) zu empfehlen, sobald die im Schreiben des RFM vom 26.11.24 geforderte Erweiterung des Aufsichtsrechts der Länder erfolgt sei („Das Aufsichtsrecht der Länder über die unter die Richtlinien fallenden öffentlichen Verbände und Kreditinstitute muß, gegebenenfalls im Wege von Notverordnungen, durch die Länderregierungen dahin erweitert werden, daß den Landesaufsichtsbehörden ein entscheidender Einfluß auf die Aufnahme von Auslandskrediten durch diese Verbände und Anstalten gesichert ist.“). Diese Erweiterung des Aufsichtsrechts der Länder sei jedoch insbesondere in Preußen und Sachsen noch nicht durchgeführt, zumal dort der Weg der ordentlichen Gesetzgebung beschritten werden müsse (R 43 I /1398 , Bl. 28f).

Da sich die Verabschiedung von Landesgesetzen, die die Aufsicht über die Kreditaufnahme der Gemeinden sicherstellen sollen, in Preußen und Sachsen weiterhin verzögert, erläßt der RPräs. auf Antrag der RReg. am 29.1.25 auf Grund des Art. 48 der RV eine neue VO „über Aufnahme von Auslandskrediten durch Gemeinden und Gemeindeverbände“ (RGBl. I, S. 7 ). Diese VO wird schließlich ersetzt durch das verfassungsändernde „Gesetz über Aufnahme von Auslandskrediten durch Gemeinden und Gemeindeverbände“ vom 27.3.25 (RGBl. I, S. 27 ; Entwurf mit Begründung in RT-Drucks. Nr. 573, Bd. 399 ). Daneben bleiben die oben abgedruckten Richtlinien in Kraft. Vgl. hierzu Hans Luther, Nur scheinbar in eigener Sache, in: Mitteilungen der List-Gesellschaft, Fasc. 2, Nr. 8, S. 176 ff.; Netzband/ Widmaier, Währungs- und Finanzpolitik der Ära Luther, S. 250 ff.

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