1.89 (mu22p): Nr. 345 Die deutsche Delegation des Organisationskomitees der Bank für internationalen Zahlungsausgleich an den Reichskanzler. Baden-Baden, 9. November 1929

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Nr. 345
Die deutsche Delegation des Organisationskomitees der Bank für internationalen Zahlungsausgleich an den Reichskanzler. Baden-Baden, 9. November 1929

R 43 I /671 , Bl. 52-54, hier: Bl. 52-54

[Betrifft: Verhandlungen des Organisationskomitees.]

Sehr geehrter Herr Reichskanzler!

Über den weiteren Verlauf der hiesigen Verhandlungen1 beehren wir uns folgendes zu berichten:

Die Frage des Sitzes der Bank wurde am 7. d. M. zum ersten Mal in einer Vollsitzung behandelt. Der Vorsitzende schlug vor, da in den Vorbesprechungen[1133] die Diskussion so gut wie erschöpft sei, kurzerhand zur Abstimmung zu schreiten, und zwar durch schriftliche Stimmabgabe.

Herr Franck2 lehnte diesen Vorschlag ab und bestand auf Diskussion und Begründung jedes Votums.

Nachdem die Führer jeder Delegation ihren Standpunkt dargelegt hatten, stellte der Vorsitzende fest, daß gegen London und Brüssel je drei Delegierte sich erklärt hatten, nämlich gegen London die belgische, die französische und die italienische Delegation und gegen Brüssel die englische, japanische und deutsche. Er zog daraus die Folgerung, daß sowohl London als Brüssel ausscheiden und schlug demgemäß vor, zwischen neutralen Ländern, als welche er Holland und die Schweiz nannte, zu wählen.

Auch diesen Vorschlag lehnte Herr Franck ab und kam auf seine Forderung zurück, die Bank nach Brüssel zu verlegen, wobei er sich auf den Young-Plan berief (Kapitel 3 letzter Absatz), der eine Hintenansetzung aller politischen Gegensätze fordert3.

Sir Charles Addis fand sich damit ab, daß London ausschied und sprach sich gleichzeitig gegen Brüssel aus, wobei er auf die von Herrn Franck zitierte Bestimmung des Young-Planes Bezug nahm. Er fürchte gerade, daß, wenn man Brüssel zum Sitz der Bank wähle, man wieder neue Empfindlichkeit wecke. Er empfehle daher ein neutrales Land.

Der Linksunterzeichnete schloß sich dem an und erklärte, auch er glaube, daß die Wahl eines neutralen Landes das Beste sei, sollte aber die Majorität der Meinung sein, daß ein nicht neutrales Land gewählt werden solle, so wäre er bereit, für London zu stimmen.

Der Vorsitzende regte an, darüber zunächst abzustimmen, ob ein neutrales oder ein nicht-neutrales Land zu wählen sei.

In diesem Augenblick erklärte Herr Franck, er könne sich mit diesem Vorschlag nicht einverstanden erklären. Herr Schacht habe durch seine Erklärung die Debatte auf das politische Gebiet geschoben. Dies mache es der belgischen Delegation unmöglich, sich an den weiteren Sitzungen zu beteiligen. Die belgische Delegation verließ hierauf den Saal.

An den Sitzungen des folgenden Tages (8. November) beteiligten sich die Belgier nicht. Die Delegierten Franck und van Zeeland verließen Baden-Baden[1134] abends, nachdem sie sich von allen Mitgliedern verabschiedet hatten, wobei Franck den abschriftlich beigefügten Brief an den Vorsitzenden hinterließ4.

Die übrigen Mitglieder der Konferenz waren sich alsbald darüber einig, daß die Konferenz ihre Arbeit fortzusetzen habe. Noch am Abend des 8. November wurde einstimmig beschlossen, den Sitz der Bank nach der Schweiz zu verlegen, wobei der Name der Stadt zunächst noch offen blieb.

Am heutigen Tage wurde sodann einstimmig Basel als Sitz der Bank bestimmt.

Die Arbeiten der Konferenz nehmen nunmehr verhältnismäßig rasch ihren Fortgang und lassen ein Ende der Konferenz für Donnerstag nächster Woche erwarten.

Mit dem Ausdruck vorzüglicher Hochachtung

Ihre sehr ergebenen

Dr. Hjalmar Schacht

Vocke

Fußnoten

1

Vgl. die vorangegangenen Berichte Dok. Nr. 335 und 340.

2

Belgischer Delegierter.

3

Young-Plan Ziffer 21, siehe RGBl. 1930 II, S. 410 . – Der belg. MinPräs. hatte dem deutschen Gesandten Horstmann erklärt, er verstehe, daß die RReg. wegen der Frage des Sitzes der B. I. Z. keine Weisung erteilen könne. „Er bedauere jedoch nach wie vor, daß die deutsche Regierung in dieser Frage weiterhin kein Entgegenkommen zeige; falls alle in Betracht kommenden Staaten sich auf Brüssel als Sitz der internationalen Bank einigten und deutscherseits hiergegen ein Veto eingelegt würde, müsse dies zwangsläufig zu einer Verschlechterung der belgisch-deutschen Beziehungen führen. Zu seiner Freude hätten sich diese im vergangenen Jahre bedeutend gebessert; infolge der günstigen Erledigung der Markfrage sei ein vertrauensvolles Einvernehmen ermöglicht worden, das auf der Haager Konferenz bereits gute Früchte getragen habe. Er sei ebenso wie Briand ein Anhänger der Versöhnungspolitik und habe gehofft, dazu beitragen zu können, die glücklichen Anfänge dieser Politik gelegentlich der nächsten Konferenz noch zu vertiefen. Ein grundsätzlicher deutscher Widerspruch Deutschlands gegen starke belgische Wünsche würde es ihm in Zukunft der öffentlichen Meinung gegenüber sehr erschweren, auf diesem Wege fortzusetzen“ (Telegramm Nr. 157 vom 6. 11. aus Brüssel; R 43 I /671 , Bl. 48 f., hier: Bl. 48 f.).

4

In diesem Schreiben hatte die belgische Delegation dem Vorsitzenden für seine Tätigkeit gedankt und erklärt, sie fühle sich nicht befugt, politische Entscheidungen zu fällen. Ihr Schritt sei von der belgischen Regierung gebilligt worden. Belgische Verbindungsleute würden in Baden-Baden bleiben. Werde eine gemeinsame Unterzeichnung notwendig, so werde die Delegation nach Baden-Baden zurückkehren; außerdem werde sie an der zweiten Verhandlungsphase teilnehmen (Anlage in R 43 I /671 , Bl. 55, hier: Bl. 55).

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