2.89 (bru1p): Nr. 89 Der Reichswehrminister an den Reichskanzler, 25. Juli 1930

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Nr. 89
Der Reichswehrminister an den Reichskanzler, 25. Juli 1930

R 43 I /2500 , Bl. 80–81

[Verbot ausländischer Kriegsfilme]

Sehr geehrter Herr Reichskanzler!

Aus den zahlreichen, Ihnen gewiß zur Kenntnis gebrachten Berichten der deutschen Auslandsvertretungen und der Presse über ausländische Filme, die das deutsche Ansehen in übler Weise verletzen, habe ich im Laufe des vergangenen Jahres mit steigendem Befremden ersehen, daß die Hoffnung unberechtigt ist, die Produktion dieser Filme werde mit der Zeit von selbst aufhören. Diese Auffassung sehe ich bestätigt durch eine Äußerung des Vertreters des Auswärtigen Amtes vor dem Bildungsausschuß im März dieses Jahres, die nach dem veröffentlichten Bericht lautete: „Die Tendenz, den Deutschen im Film verächtlich und lächerlich zu machen, ist international im Wachsen.“

[344] Umsomehr muß ich mich wundern, daß die zuständigen Reichsbehörden sich bisher nicht entschließen konnten, die einzige wirksame Maßnahme gegen das Hetzfilmunwesen ins Auge zu fassen: Ausschließung nicht nur der beanstandeten, sondern sämtlicher Filme des schuldigen ausländischen Produzenten vom deutschen Markt. Ich habe mich in der Vergangenheit darauf beschränkt, die bei mir aus dem Ausland eingehenden Beschwerden dem Auswärtigen Amt als zuständiger Reichsbehörde zur Kenntnis zu bringen in der Annahme, daß es dieser Behörde gelingen würde, eine Bestimmung der erforderlichen Art in das seit 1922 in Bearbeitung befindliche neue Lichtspielgesetz1 hineinzubringen. Nachdem indessen der Bildungsausschuß den in Frage kommenden Paragraphen dieses Gesetzes ohne einen solchen Zusatz verabschiedet hat, da ferner die Ausführungsverordnung des Herrn Reichsministers des Innern über Zulassung ausländischer Filme2 keine Bestimmung enthält, mit der sich antideutsche Filme wirksam bekämpfen ließen, und da es schließlich mit wenigen Ausnahmen die deutsche Wehrmacht ist, die in der niedrigsten Weise besudelt und beschimpft wird, sehe ich mich veranlaßt, Ihre persönliche Aufmerksamkeit auf den unerträglichen Zustand auf diesem Gebiet zu lenken. Die beiliegende Liste3 nennt einige, mir bekannt gewordene ausländische Filme, die seit 1925 erschienen und vom deutschen Standpunkt zu beanstanden sind. Sie läßt deutlich erkennen, daß die Hetzfilmproduktion des Auslandes trotz aller Resolutionen, trotz des guten Willens mancher Regierungen und trotz der ernsten Bemühungen der deutschen Auslandsvertretungen nicht nachgelassen, sondern höchstens ein verändertes Gesicht gewonnen hat. Nach meiner Auffassung besitzen die Bestimmungen des Lichtspielgesetzes, die im neuen Entwurf nur unwesentlich erweitert sind, eine falsche Front. Sie bekämpfen den antideutschen Film in Deutschland, anstatt auf dem Weltmarkt. Was nützt es, wenn diese Filme, die doch kaum auf den deutschen Markt rechnen können, für Deutschland verboten werden und in der übrigen Welt ungehindert erscheinen. Es wäre besser gewesen, wenn man diese niedrigen Machwerke stets ungekürzt und unverändert in Deutschland gezeigt hätte; dann wäre durch eine Welle der Empörung das Ausland längst auf das unwürdige Verhalten seiner Filmproduzenten aufmerksam gemacht und die Stellung der deutschen Auslandsvertretungen in ihrem mühseligen Kampf gegen die Hetzfilme gestärkt worden, bei dem sie bisher ganz auf den guten Willen privater Geschäftsleute angewiesen sind. Wenn ich die Divergenz zwischen dem Urteil der deutschen Botschaft in London und privaten englischen und deutschen Urteilen[345] über den Film Nr. 38 (Im Westen nichts Neues)4 erwäge, kann ich mich übrigens des Eindrucks nicht erwehren, als ob die deutschen Auslandsvertretungen in dem Kampf gegen den Hetzfilm zu ermüden und nachzulassen beginnen.

Mein bereits erwähnter Vorschlag geht dahin, eine gesetzliche Handhabe zu schaffen, die es ermöglicht, die gesamte Produktion derjenigen ausländischen Produzenten ‚die Filme hergestellt haben oder herstellen, die das deutsche Ansehen verletzen, auf unbestimmte Zeit vom deutschen Markt auszuschließen. Da Deutschland nicht unbeträchtliche Mengen ausländischer Filme einführt, scheint mir hierin eine starke Einwirkungsmöglichkeit zu liegen. Ähnliche Bestimmungen bestehen seit einiger Zeit in Frankreich. Auch andere Länder arbeiten nach diesem Grundsatz. Die Gelegenheit, eine derartige Bestimmung in die Ausführungsverordnung des Reichsministers des Innern zum Gesetz über die Vorführung ausländischer Bildstreifen hineinzubringen, ist leider versäumt. Es scheint mir deshalb erforderlich, daß entweder ein Nachtrag zu dieser Verordnung ergeht, oder daß auf Grund des Artikels 48 eine entsprechende Bestimmung geschaffen wird, damit in einer Frage, die die nationale Ehre so tief berührt, nicht länger so unerträgliche Zustände bestehen bleiben, ohne daß die letzten und stärksten Gegenmittel angewandt werden5.

Groener

Fußnoten

1

Vgl. den GesEntw. zur Änderung des LichtspielGes. vom 8.7.29, RT-Bd. 437 , Drucks. Nr. 1298 .

2

Auf Grund des § 1 des Ges. über die Vorführung ausländischer Bildstreifen vom 15.7.30 (RGBl. I, S. 215 ) hatte der RIM am 21.7.30 eine AusführungsVO erlassen, die die Anmeldungsmodalitäten ausländischer Filme regelte (Dt. Reichsanzeiger u. Pr. Staatsanzeiger Nr. 171 vom 25.7.30).

3

Die hier nicht abgedruckte „Liste einiger ausländischer Filme, die vom deutschen Standpunkt zu beanstanden sind“, enthielt 39 Filmtitel überwiegend amerikanischer Herkunft (R 43 I /2500 , Bl. 82–86).

4

„Im Westen nichts Neues“ (amerikanisch) 1930. Deutsche Soldatentypen überwiegend sympathisch, Tapferkeit des deutschen Soldaten stark herausgearbeitet. Verächtlichmachung deutschen Militärs unterbleibt. Trotzdem häufig gründliche Unkenntnis des Wesens des alten deutschen Heeres (Deutsche Botschaft in London). Deutsche Truppen im Vorgehen und Grabenkampf nicht anders als französische. Aber warum müssen sie immer Wurst und Kommißbrot verschlingen? Sich lausen und Ratten erschlagen? Weshalb Heulen und Kreischen bei ihnen bei jedem schweren Einschlag? Wäre es nicht schöner und würdiger, auch die deutsche Armee leben und sterben zu lassen, wie sie wirklich gekämpft hat, mit dem Glauben an ihre Sache und mit wirklichem Heroismus? (Germania) Eine englische Rote-Kreuz-Schwester an den englischen Filmkritiker Atkinson, der gegen die Verunglimpfung der Deutschen auftrat: „Ich freue mich, daß Sie die deutschen Gymnasiasten verteidigen. Ich habe viele unter diesen Knaben sterben sehen und weiß, sie waren nicht die jämmerlichen Feiglinge des Films ‚Im Westen nichts Neues‘ (Daily Express)“ (Nr. 38 der „Liste“, R 43 I /2500 , Bl. 86; vgl. auch Dok. Nr. 190, P. 1).

5

Zu dem Vorschlag des RWeM bemerkte der RIM in einem Schreiben an den RK vom 3.8.30 u. a. folgendes: „Bereits bei der im Gange befindlichen Neuregelung des Reichslichtspielgesetzes vom 12. Mai 1920 hatte das Auswärtige Amt auf Aufnahme einer Bestimmung hingewirkt, mit dem Ziel, die Aufführung anti-deutscher Bildstreifen im Inland nach Möglichkeit auszuschließen. Wenn durch die Rechtsprechung der Filmoberprüfstelle auf Grund dieses Gesetzes vom Umlauf in Deutschland auch diejenigen Bildstreifen ausgeschlossen waren, die sich als Hetzfilme kennzeichneten und als solche im Ausland im Umlauf waren, so wurde darüber hinausgehend eine Bestimmung für erforderlich erachtet, die den Ausschluß auch solcher Bildstreifen ermöglichen sollte, denen nicht der Charakter als Hetzfilme, sondern nur eine abträgliche Tendenz beizumessen war. Entsprechend dieser Anregung ist in dem Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Lichtspielgesetzes eine Bestimmung dahin aufgenommen worden, daß die Prüfstellen in der Lage sind, Bildstreifen mit derartiger Tendenz im Originaltext zu prüfen, bevor über ihre Zulassung entschieden wird. Diese Gesetzesbestimmung ist vom Bildungsausschuß des Reichstags auch beschlossen worden. Gelegentlich der Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Vorführung ausländischer Bildstreifen ist das Auswärtige Amt erneut auf seine Anregung zurückgekommen und hat die Aufnahme einer entsprechenden Bestimmung in die dem Reichsminister vorbehaltene Ausführungsverordnung angeregt […] Wie die Verhandlungen im Bildungsausschuß des Reichstags ergeben haben, würde eine Mehrheit für eine dahingehende Bestimmung, die in ihrer Wirkung einem wirtschaftlichen Boykott gleichkommen würde, nicht zu erhalten sein […] Zur weiteren Begründung meiner ablehnenden Stellungnahme darf ich darauf hinweisen, daß ich bei der Vorbereitung der von mir erlassenen Verordnung zur Ausführung des Gesetzes über die Vorführung ausländischer Bildstreifen eingehende Verhandlungen persönlich mit den Vertretern der deutschen und amerikanischen Film- und Elektroindustrie mit dem Ziel geführt habe, die bestehende Spannung zwischen den beiden Ländern auf dem Filmmarkt durch Herbeiführung eines billigen Ausgleichs zu beheben und auf diese Weise die seit Jahren bestehenden wirtschaftlichen Boykottmaßnahmen Amerikas gegenüber dem deutschen Film zu beseitigen. Soweit ich überblicken kann, ist es gelungen, eine neue Grundlage für ein freundschaftliches Zusammenarbeiten der Industrien beider Länder zu schaffen […] Ganz abgesehen von grundsätzlichen Bedenken, eine Änderung der erst seit einigen Tagen in Kraft befindliche[n] Neuregelung der Vorführung ausländischer Bildstreifen unter Inanspruchnahme des Notverordnungsrechts des Herrn Reichspräsidenten auf Grund des Artikel 48 der Reichsverfassung herbeizuführen, muß ich im Interesse der deutschen Filmindustrie und der Aufrechterhaltung freundschaftlicher Beziehungen zwischen den beiden Staaten der Anregung des Herrn Reichswehrministers widersprechen“ (R 43 I /2500 , Bl. 87–88). Der RWeM beharrte in einem Schreiben vom 21.8.30 auf seinem Vorschlag (R 43 I /2500 , Bl. 101 bis 102), während das RIMin. am 4.9.30 eine NotVO ablehnte, „da ohne jeden Zweifel verneint werden muß, daß diese Bestimmung zur Wiederherstellung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung notwendig, ist, wenn man in diesem Zusammenhang überhaupt davon sprechen könnte, daß die öffentliche Sicherheit und Ordnung erheblich gestört oder gefährdet ist“ (R 43 I /2500 , Bl. 109–110).

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