1.97 (bru2p): Nr. 349 Vermerk des Ministerialrats Vogels über eine Reparationsbesprechung am 30. Juni 1931, 17 Uhr

Zum Text. Zur Fußnote (erste von 5). Zu den Funktionen. Zum Navigationsmenü. Zum Navigationsbaum

 

Bandbilder:

Die Kabinette Brüning I und II. Band 2 Das Kabinett Brüning I Bild 183-H29788NS-Wahlversammlung im Sportpalast Bild 102-10391Arbeitslose Hafenarbeiter Bild 102-11008Bankenkrise 1931 Bild 102-12023

Extras:

 

Text

RTF

Nr. 349
Vermerk des Ministerialrats Vogels über eine Reparationsbesprechung am 30. Juni 1931, 17 Uhr

R 43 I /312 , Bl. 92 a

Anwesend: Der Reichskanzler, Reichsminister Dietrich, Curtius, Staatssekretär Pünder, von Bülow, Schäffer, Ministerialdirektor von Krosigk, Ministerialrat Vogels und Reichsbankpräsident Luther.

Es wurde zunächst der Inhalt des Telegramms aus Washington vom 29. Nr. 290 erörtert, in welchem von gewissen Strömungen die Rede ist, Deutschland solle den Franzosen politische Konzessionen machen1. Ferner wurden noch Nachrichten aus England zur Sprache gebracht, denen zufolge der englische Außenminister Henderson Äußerungen nach der Richtung gemacht hat, daß es schwer durchsetzbar sein werde, Deutschland allein die Vorteile des Hoover-Plans zuzuwenden und daß Deutschland auch seinerseits wohl Opfer werde bringen müssen2. Sodann teilte der Reichskanzler den Inhalt einer Unterredung[1255] mit dem amerikanischen Botschafter Sackett mit, die er soeben gehabt hatte3. Er bemerkte, daß Sackett mit keinem Wort angedeutet habe, daß Amerika deutscherseits politische Konzessionen gegenüber Frankreich erwarte. Er habe aus der Darstellung Sacketts aber entnommen, daß der amerikanische Schatzsekretär Mellon bei seinen Verhandlungen in Paris ziemlich festgefahren sei und daß es daher erwünscht sei, wenn ihm, Sackett, deutscherseits „technical suggestions“ an die Hand gegeben würden, die Mellon in den Stand setzen könnten, die Verhandlungen mit den Franzosen fortzusetzen.

Aus diesem Wunsch und auch aus den Nachrichten von England wurde entnommen, daß die Haltung sowohl der amerikanischen wie auch der englischen Regierung für einen Kompromiß weich geworden sei und daß es daher im deutschen Interesse liegen müsse, gegenüber dem durch Sackett vorgetragenen Wunsch sich nicht absolut negativ zu verhalten, um Schlimmes zu verhüten. Auf Grund der Aussprache wurde in Aussicht genommen, Sackett, der unmittelbar nach Beendigung der Chefbesprechung zur Entgegennahme einer Antwort wieder erscheinen will, etwa in folgendem Sinne zu antworten: Politische Konzessionen irgend welcher Art gegenüber Frankreich seien gänzlich unmöglich, insbesondere Konzessionen in puncto Zollunion und Panzerkreuzer. Bei der gegenwärtigen Lage Deutschlands werde sich keine Regierung halten können, die in diesen Punkten nachgebe4.

Auch gegenüber dem Hoover-Plan könne Deutschland von sich aus keinerlei Vorschläge machen, die auf eine Einschränkung hinauslaufen, da jede Einschränkung für die deutsche Lage verhängnisvoll sein werde. Wenn jedoch die amerikanische Regierung der Meinung sein sollte, daß sie selbst den Hoover-Plan gegenüber Frankreich nicht ohne Einschränkung durchsetzen könne und es daher zu einem amerikanisch-französischen Diktat an Deutschland kommen lassen wolle, so seien die in der Anlage skizzierten Vorschläge für Deutschland als amerikanisch-französisches Diktat äußerstenfalls noch erträglich5.

Vogels

Fußnoten

1

Leitner hatte in diesem Telegramm berichtet, daß der UStS im amerik. Außenministerium Castle im Gespräch mit ihm eine dt. Geste befürwortet habe, die ein frz. Nachgeben erleichtern könnte, da die Verhandlungen sehr langsam und schwierig vor sich gingen, und die Franzosen immer wieder darauf hinwiesen, daß Dtld nicht nur profitieren solle, sondern auch seinerseits irgendeine Konzession machen müsse. Castle habe Sackett auf diese Notwendigkeit hingewiesen. Die Rückfrage Sacketts, ob etwa deutscherseits ein Entgegenkommen auf dem Gebiet der Zollunion infrage komme, habe Castle kategorisch verneint und damit beantwortet, daß eventuell an den Verzicht auf den Neubau des Panzerschiffs zu denken sei (Telegramm Leitners, Nr. 290 vom 29.6.31, Pol. Arch. des AA, WRep. Friedensvertrag Allg. 21, Die Frage einer Revision des Young-Plans, Bd. 12).

2

Der brit. Geschäftsträger Newton hatte den RAM am 30.6.31 aufgesucht und sich eines Auftrags des brit. AM Henderson entledigt, den er als „rein persönlich“ und „nicht formell“ bezeichnet hatte. Henderson, so hatte Newton ausgeführt, sei sehr besorgt wegen der Entwicklung der Dinge in Paris. Es sei nicht zu verkennen, daß das Gefühl um sich greife, Dtld empfinge alles und sei nicht bereit, Opfer zu bringen. Wenn Dtld finanzielle Opfer nicht bringen könnte, müsse es etwas anderes als Konzession anbieten. Henderson würde es für einen großen Fortschritt für die Beruhigung der politischen Atmosphäre während des Feierjahres ansehen, wenn Dtld den Plan der Zollunion fallen ließe. Der RAM hatte erwidert, daß er diese Mitteilungen zur Kenntnis nehme (Vermerk des RAM vom 1.7.31, Pol. Arch. des AA, Büro RM, 5 Reparation Bd. 30).

3

S. Dok. Nr. 351.

4

S. Dok. Nr. 351.

5

Vgl. zu diesem Dok. auch die Aufzeichnung Schäffers in seinem Tagebuch vom 30.6.31 (IfZ ED 93 Bd. 11, Bl. 280–283).

Extras (Fußzeile):