1.162 (lut2p): Nr. 331 Vermerk des Oberregierungsrats Grävell über eine Ressortbesprechung im Reichswirtschaftsministerium am 13. April 1926

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Nr. 331
Vermerk des Oberregierungsrats Grävell über eine Ressortbesprechung im Reichswirtschaftsministerium am 13. April 1926

R 43 I /147 , Bl. 180 f.

Betrifft: Projekt Echevarrieta.

Die von dem Herrn Reichskanzler gewünschte Ressortbesprechung1 hat am 13. April im Reichswirtschaftsministerium stattgefunden. Beteiligt waren: Staatssekretär Trendelenburg, Staatssekretär von Schubert, Staatssekretär Fischer, Admiral Zenker, Admiral Oldekop, Ministerialdirektor von Brandt, Ministerialrat Reichardt, Legationssekretär Wagenmann, Oberregierungsrat Dr. Grävell, Rittmeister Planck.

Die Besprechung trug vorbereitenden Charakter. Beschlüsse wurden nicht gefaßt. Die Vertreter des Reichswehrministeriums betonten aufs neue die Bedeutung dieses Projekts für die Reichsmarine und legten außerdem dar, welche Vorteile der deutschen Wirtschaft aus diesem spanischen Projekt erwüchsen.

Staatssekretär Fischer legte Wert darauf, festgestellt zu sehen, daß das Projekt in sachlicher Richtung eigentlich zwei Teile umfasse, a) den U-Bootbau und b) die Gründung einer Torpedofabrik und die Lieferung von Feuerleitungsgerät.[1265] Das größte Projekt sei zweifellos das unter a) genannte. Für dieses würden aber Kredite nicht gewünscht; der gewünschte Kredit in Höhe von 8 Millionen Goldpeseten beziehe sich vielmehr nur auf die Lieferung von Feuerleitungsgerät und die Lieferung von Maschinen für die Einrichtung einer Torpedofabrik. Staatssekretär Fischer befürchtete daher, daß sich weitere Kreditwünsche in Spanien anschließen würden, wenn erst einmal das Projekt des U-Bootbaues konkretere Gestalt annehme.

Die Vertreter des Reichswehrministeriums glaubten, diese Befürchtung entkräften zu können. Den Spaniern käme es zunächst darauf an, eine Torpedofabrik einzurichten, für die die gewünschten 8 Millionen Goldpeseten benötigt würden. Sie kauften daher für einen erheblichen Teil dieser Summe in Deutschland Feuerleitungsgerät, blieben dieses den Deutschen schuldig und verkauften es in bar an die Spanische Regierung. Auf diese Weise finanzierten sie ihre Torpedofabrik. Gleichzeitig mit der Torpedofabrik würden sie die Gründung einer U-Boot-Werft beginnen. Sie hofften dann, wenn diese Einrichtungen geschaffen seien, von der Spanischen Regierung Aufträge zu erhalten, die von der Spanischen Regierung bezahlt würden. Weitere Kredite schienen dann von außerhalb nicht mehr erforderlich zu sein.

Staatssekretär Trendelenburg hielt dieses Vorgehen für plausibel.

Die Bedenken des Staatssekretärs v. Schubert, die sich in drei Richtungen bewegten, konnten nicht völlig zerstreut werden. Die Bedenken waren folgende2:

1.

ein Eingehen auf das spanische Projekt werde aus wirtschaftlichen und militärischen Gründen England stark verschnupfen;

2.

die Lieferung von Feuerleitungsgerät und irgendwelchen Teilen von U-Booten u. dergl. verstoße gegen den Versailler Vertrag;

3.

die Verschnupfung Englands und die Tatsache, daß Deutschland mit seinem Eingehen auf dieses Projekt gewisses Kriegsmaterial ausführe, werde die im Gange befindlichen Verhandlungen über die Festlegung des Begriffs Kriegsgerät sehr ungünstig beeinflussen.

Besonders den letzten Gesichtspunkt unterstrich auch Staatssekretär Trendelenburg. Er wies darauf hin, daß gegenwärtig gegenüber den Ansprüchen der Botschafterkonferenz der deutsche Standpunkt eine gewisse Unterstützung durch die englische Seite erfahre. Wenn die Engländer durch unser Vorgehen in Spanien aber verärgert würden, werde diese Unterstützung wegfallen und dann könnten durch die Botschafterkonferenz für den Begriff Kriegsgerät Grenzen gezogen werden, die für einen nicht unerheblichen Teil der deutschen Exportwirtschaft absolut zerstörend wirken würden.

Staatssekretär Fischer wies noch auf die politische Gefahr hin, die darin bestehe, daß man sich doch mit diesem, vom Standpunkt des Versailler Vertrages aus nicht ganz einwandfreien Projekt in die Abhängigkeit Spaniens begebe und dann wahrscheinlich zu weiteren Konzessionen gedrängt werde.

[1266] Admiral Zenker teilte diese Befürchtung nicht. Das ganze Geschäft könne in einer Form gemacht werden, daß es absolut vereinbar sei mit den Bestimmungen des Versailler Vertrages. So würden z. B. die Feuerleitungsgeräte zwar von Siemens & Halske, aber nicht in den Fabriken in Deutschland, sondern in den Fabriken in Holland hergestellt werden3.

Diese Mitteilung gab Veranlassung, die wirtschaftliche Seite eingehender zu prüfen. Es stellte sich dabei heraus, daß der wirtschaftliche Vorteil für Deutschland aus der Kreditgewährung nicht besonders erheblich sein werde. Es müßte ein größerer Teil der Bestellungen im Auslande hergestellt werden, wovon der deutsche Arbeitsmarkt keinen Gewinn habe. Es sei auch nicht mit Sicherheit anzunehmen, daß später, wenn erst die U-Boot-Werft errichtet sei, größere Bestellungen nach Deutschland gingen, ganz abgesehen davon, daß selbst die Errichtung dieser Werft noch nicht ganz sicher sei.

Die anwesenden Staatssekretäre werden über die zum Ausdruck gekommenen Auffassungen ihren Herren Ministern berichten.

Es dürfte sich nunmehr empfehlen, erneut eine Besprechung der zuständigen Herren Minister unter Vorsitz des Herrn Reichskanzlers abzuhalten, um endgültig über das Projekt Beschluß zu fassen4.

Gr[ävell], 15. 4.

Fußnoten

1

Mit Schreiben an Trendelenburg vom 9. 4. hatte Pünder im Auftrage des RK um Einberufung dieser Besprechung gebeten und Abschriften folgender Unterlagen zum Projekt Echevarrieta übersandt: 1) zwei Vermerke Kempners über die Besprechungen vom 31. 3. und 1. 4. (s. Anm. 11 zu Dok. Nr. 326), 2) das Schreiben Lohmanns an Kempner vom 29. 3. (Dok. Nr. 325), 3) die Schreiben v. Schuberts an die Rkei vom 3. und 7. 4. (Dok. Nr. 328, dort auch Anm. 3). Pünder im Schreiben an Trendelenburg abschließend: „Das Material und die Besprechung sind streng geheim zu halten, der Herr Reichskanzler würde es daher begrüßen, wenn zu der Besprechung nur die leitenden Beamten zugezogen würden.“ (R 43 I /147 , Bl. 148-176).

2

Schubert stützt sich hierbei auf die gutachtliche Stellungnahme Nords zum Projekt Echevarrieta vom 6. 4. S. dazu Anm. 3 zu Dok. Nr. 328.

3

In den Haag bestand seit 1922 als Firma „Ingenieurskantoor voor Scheepsbouw“ ein dt. U-Boots-Konstruktionsbüro, durch dessen Vermittlung und nach dessen Projekten seit 1925 auf holländischen Werften U-Boote für verschiedene ausländische Marinen (u. a. Türkei) gebaut wurden. Näheres dazu in der Dienstschrift Nr. 15 des Kapt. z. See Schüssler aus dem Jahre 1937: „Der Kampf der Marine gegen Versailles 1919 bis 1935“ in: Der Prozeß gegen die Hauptkriegsverbrecher vor dem Internationalen Militärgerichtshof Nürnberg, Bd. XXXIV, Dok. Nr. 156-C; s. auch: Dülffer, Weimar, Hitler und die Marine, S. 71 f.

4

Die Angelegenheit wird in einer Chefbesprechung am 1. 5. (Teilnehmer u. a.: Luther, Stresemann, Curtius, Fischer, Lohmann, Canaris) abschließend beraten. Als Ergebnis vermerkt Planck im Protokoll: „Nach eingehender Erörterung wurde festgestellt, daß von Regierungsseite kein Weg gefunden sei, den Vorschlag Echevarrietas zur Durchführung zu bringen.“ (R 43 I /147 , Bl. 185 f.).

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