2.198 (bau1p): Nr. 196 Der Vorsitzende der Deutschen Friedensdelegation an den Reichsaußenminister. Paris, 15. März 1920

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[692] Nr. 196
Der Vorsitzende der Deutschen Friedensdelegation an den Reichsaußenminister. Paris, 15. März 19201

PA, Deutschland 163, Bd. 14

[Betrifft: Auswirkung des Kapp-Lüttwitz-Putsches.]

Hochverehrter Herr Reichsminister!

Dem Bericht des Herrn Geschäftsträgers Dr. Mayer möchte ich vom Standpunkte der Friedensdelegation einige Worte hinzufügen:

Aus den Wertheimerschen Zeitungsberichten haben Sie ersehen, daß der Berliner Putsch alle die Befürworter einer Zerstückelung Deutschlands und einer Annektion des Rheinlandes wieder auf den Plan ruft und natürlich Wasser auf die Mühle aller derer führt, die England und Amerika klar machen wollen, daß jede Berücksichtigung deutscher Lebensnotwendigkeiten, einen Verrat an Frankreich bedeutet.

Gerade konnten wir hoffen, zu einer verständigen Lösung der Kohlenfrage zu kommen. Herrn Bergmanns Anstrengungen war es trotz des Einflusses Poincarés zunächst gelungen, einen Verhandlungsmodus zu erreichen, der unseren Wünschen vollauf entspricht2. Bisher hatten unsere Herren auf dem Armsünderbänkel hocken müssen und die Mitglieder der Reparationskommission thronten fern von ihnen an einem besonderen Tisch. Jetzt saß man in privaten und offiziösen Aussprachen um einen runden Tisch herum. Bei diesen Aussprachen wurde immer wieder versichert, daß man den Ansprüchen Deutschlands auf genügende Berücksichtigung seiner eigenen Wirtschaft Rechnung tragen werde. Man wolle keinen Zwang, sondern Verständigung und sehe ein, daß Deutschland nur liefern könne, wenn man ihm nicht die Lebensmöglichkeit abschneide. Wir konnten damit rechnen, daß uns in der kommenden Vereinbarung nur solche Lieferungen auferlegt werden, die wir wirklich in der Lage sind zu erfüllen. Wir stehen mitten in den Verhandlungen; wenn nicht schleunigst die alten Verhältnisse wiederhergestellt werden, fällt alles ins Wasser. Zu den neuen Leuten könnte niemand Vertrauen haben, auch nicht in wirtschaftlicher Beziehung. Alles wäre also vergeblich gewesen und wir wären auf den Stand vom 28. Juni zurückgeworfen.

Auch andere wichtige Verhandlungen werden in Frage gestellt, wenn es nicht bald gelingt, die Autorität der Reichsregierung in vollem Umfang wieder herzustellen. Jetzt ist es selbstverständlich nicht möglich über das Loch im Westen, über Schleswig und die anderen Abstimmungsgebiete zu verhandeln. Ebenso ist es ausgeschlosen, jetzt unsere Wünsche wegen der Freigabe[693] der aus dem Rheinlande verschleppten Personen und der zurückgehaltenen Kriegsgefangenen geltend zu machen. In vielen Angelegenheiten bedeutet eine Verzögerung den völligen Verlust.

Ich darf zum Schluß auf einen Artikel des „Observer“ vom 14. März hinweisen, den ich im „Temps“ vom 15. wiedergegeben finde. Es heißt dort: „Wenn Deutschland die ehrgeizigen Pläne der konservativen Partei unterstütze, so muß man zu den strengsten Vorsichtsmaßnahmen maritimer, militärischer und wirtschaftlicher Art greifen.

Wenn dagegen das gemäßigte Deutschland den Sieg davon trägt, so müssen ihm die Alliierten in Zukunft bessere Hilfe und Unterstützung leihen als bisher.“3

Mit dem Ausdruck meiner ausgezeichneten Hochachtung

ganz ergebenst

Göppert

Fußnoten

1

Mit Dok. Nr. 195 übersandt. Sichtparaphe Müllers vorhanden.

2

Vgl. Dok. Nr. 177, insbesondere Anm. 3.

3

Weitere Zusammenfassungen der ausländischen Reaktionen auf den Kapp-Lüttwitz-Putsch s. in den Berichten der dt. Auslandsvertretungen in: PA, Dtld. 163, Bd. 14.

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