1.105.4 (lut2p): 4. Außerhalb der Tagesordnung: Politische Lage.

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Die Kabinette Luther I und II (1925/26), Band 2.Das Kabinett Luther I Bild 102-02064Reichspräsident Friedrich Ebert verstorben Bild 102-01129Hindenburgkopf Bild 146-1986-107-32AStresemann, Chamberlain, Briand Bild 183-R03618

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4. Außerhalb der Tagesordnung: Politische Lage.

Der Herr Reichskanzler berichtete über seinen Vortrag beim Herrn Reichspräsidenten6. Er stellte fest, daß man davon ausgehen müsse, daß die Rechte des Reichstages gegen das Vertrauensvotum der Mittelparteien7 stimmen würde. Es sei von seiten der Linken durchgesickert, daß man hier im besten Falle mit einer Stimmenthaltung zu rechnen habe. Unter diesen Umständen sei es wahrscheinlich, daß nur eine ganz geringe Mehrheit für das Vertrauensvotum vorhanden sein werde. Sollte aber das Vertrauensvotum nicht zur Annahme gelangen, so bleibe nach seiner Auffassung nur der Weg der Auflösung des Reichstages. Er habe daher von dem Herrn Reichspräsidenten für diesen Fall die Auflösungsordre erbeten und erhalten. Diese Ordre sei von ihm aber noch nicht gegengezeichnet.

Der Reichswehrminister erklärte, daß er den Weg der Auflösung für katastrophal halte.

Der Reichskanzler bemerkte, daß er bei seinem Vortrag beim Herrn Reichspräsidenten davon ausgegangen sei, daß das Kabinett in dieser Frage einig hinter ihm stehe. Da dies nicht der Fall zu sein scheine, sei er selbstverständlich gern bereit, die Frage des taktischen Vorgehens zur Debatte zu stellen und erforderlichenfalls[1068] dem Herrn Reichspräsidenten erneut Vortrag zu halten. Er bäte also, die Auflösungsordre zunächst als nicht vorhanden anzusehen.

Nach längerer Debatte wurde jedoch die obenerwähnte Auffassung des Herrn Reichskanzlers vom Kabinett einstimmig gebilligt. Danach soll, falls eine Mehrheit sich für das Vertrauensvotum ergibt, nicht zur Auflösung geschritten werden, selbst wenn diese Mehrheit nur eine einzige Stimme betragen sollte. Im anderen Falle soll sofort nach der Abstimmung der Kanzler die Auflösungsordre bekanntgeben8.

Die Kabinettssitzung wurde darauf abgebrochen und die Weiterbehandlung des Punktes 3) auf eine spätere vertagt.

Dem Herrn Reichspräsidenten wird durch den StS Meissner Vortrag gehalten werden9.

Fußnoten

6

Unterlagen hierzu nicht bei den Akten der Rkei. Vermutlich fand dieser Vortrag im Anschluß an die vorangegangene Besprechung Luthers mit Hindenburg, Westarp und Schiele (s. Dok. Nr. 273) statt.

7

S. Anm. 3 zu Dok. Nr. 273.

8

Der Vertrauensantrag der Koalitionsparteien wird am späten Nachmittag des 28. 1. mit 160 gegen 150 Stimmen bei 130 Enthaltungen angenommen. Gegen den Antrag stimmen DNVP, VA und KPD, Enthaltung üben SPD und WV. Der Mißtrauensantrag der DNVP (vgl. Anm. 2 zu Dok. Nr. 273) wird daraufhin für erledigt erklärt (RT-Bd. 388, S. 5231 ).

9

Dieser letzte Satz von Offermann handschrl. hinzugefügt.

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