1.177.1 (lut2p): 1. Potemkinfilm.

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Die Kabinette Luther I und II (1925/26), Band 2.Das Kabinett Luther I Bild 102-02064Reichspräsident Friedrich Ebert verstorben Bild 102-01129Hindenburgkopf Bild 146-1986-107-32AStresemann, Chamberlain, Briand Bild 183-R03618

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Text

RTF

1. Potemkinfilm.

Der Reichsminister der Justiz berichtete, daß am 29. d. M. im Apollo-Theater ein Film, genannt Potemkin2, zur Aufführung gelangen solle, der, kommunistischen Inhalts, den Zweck verfolge, die Massen in Erregung und zur Auflehnung gegen den Staat zu bringen. Der Oberreichsanwalt3 werde morgen sich den Film vorführen lassen und darüber entscheiden, ob ein Verfahren wegen Hochverrats einzuleiten sei. Es entstehe die Frage, ob man nicht vorher auf polizeilichem Wege den Film beschlagnahmen und dadurch die Aufführung verhindern könne.

Staatssekretär Dr. Weismann erklärte, daß er glaube, das Preußische Innenministerium würde geneigt sein, auf ein Verbot der Aufführung hinzuwirken.

[1311] Das Kabinett beschloß, die Entscheidung des Oberreichsanwalts abzuwarten und ihm bei dieser Entscheidung freie Hand zu lassen.

Staatssekretär Dr. Weismann sagte zu, an die Preußische Regierung entsprechend seinem Vorschlage berichten zu wollen4.

Fußnoten

2

Der 1925 fertiggestellte Film „Panzerkreuzer Potemkin“ des sowj. Regisseurs Sergej M. Eisenstein.

3

Ebermayer.

4

Über das Vorgehen des Oberreichsanwalts in den Akten nichts ermittelt. – Ein Aufführungsverbot wird von der PrStReg. nicht erlassen. Hierüber kommt es bei einem Empfang in der amerik. Botschaft am 18. 5. zu einem erregten Wortwechsel zwischen Stresemann und StS Weismann, den MinPräs. Braun mit Schreiben an den RAM vom 19. 5. wie folgt wiedergibt: „Danach haben Sie, Herr Reichsminister, ohne jede Veranlassung plötzlich mit lauter und erhobener Stimme, vor einer Reihe in nächster Nähe stehender Personen, dem Herrn Staatssekretär gegenüber den Vorwurf erhoben, daß die Preußische Regierung, falls sie die Aufführung des Films Potemkin weiter zulasse, Schuld sei, wenn binnen kurzem die kommunistische Revolution ausbräche, und daß man sich nicht wundern könne, wenn den Einwohnern Berlins in Kürze die Dächer über den Häusern von den Kommunisten angezündet würden. Dieser Film müsse in seiner aufreizenden Tendenz die Massen zu Gewalttätigkeiten verleiten. Schon jetzt, haben Sie hinzugefügt, würden die Zuschauer, die den meuternden Truppen nicht zujubelten, blutig geschlagen. Es sei eine Schmach, daß man so etwas mitansehen und dulden müsse, ohne daß die Preußische Regierung pflichtgemäß einschreite.“ Weismann habe diesen Vorwurf „gebührend zurückgewiesen“ und er, Braun, müsse sich gegen das deplacierte Verhalten des Außenministers ganz entschieden verwahren. Im übrigen handele es sich um einen Film, der „die vom Reich eingesetzten Prüfungsstellen durchlaufen und die Genehmigung zur Aufführung durch die Oberprüfungsstelle [vgl. §§ 4–10 des Lichtspielgesetzes vom 12.5.20, RGBl., S. 953 ] erhalten“ habe (R 43 I /2498 , Bl. 260). – Zur Antwort des RAM s. Stresemann, Vermächtnis, Bd. II, S. 407 ff. – Der „Panzerkreuzer Potemkin“, in Bayern, Württemberg und Thüringen vorübergehend verboten, wird nach erneuter Überprüfung durch die Prüfstellen Stuttgart und Berlin von der im RIMin. eingerichteten Filmoberprüfstelle am 2.10.26 – allerdings in gekürzter Fassung und mit Jugendverbot – für das gesamte Reichsgebiet endgültig genehmigt („Vossische Zeitung“ vom 3. 10., Ausschnitt in R 43 I /2498 , Bl. 274). Vgl. auch: Herlinghaus, Dokumente zur Aufführung des „Panzerkreuzer Potemkin“ in Deutschland. In: Sergej Eisenstein, S. 228 ff.

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