2.152 (mu21p): Nr. 152 Bericht des Reichsbankpräsidenten über die Pariser Sachverständigenkonferenz. 12. März 1929

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[483] Nr. 152
Bericht des Reichsbankpräsidenten über die Pariser Sachverständigenkonferenz. 12. März 19291

R 43 I /289 , Bl. 69-73

Anwesend: Müller, Hilferding, Curtius; MinDir. Dorn, Schäffer, Köpke, Ritter; Schacht; Dreyse; Protokoll: StS Pünder.

Präsident Schacht berichtet einleitend, daß die deutsche Delegation ihre Taktik von vornherein so eingerichtet hätte, daß ihr beim Scheitern der Konferenz keinerlei Vorwurf gemacht werden könne. Alle von der Delegation zu ergreifenden Maßnahmen würden ständig vorbesprochen. Es herrsche innerhalb der Delegation völlige Einigkeit, es habe sich noch nie auch nur die kleinste Differenz ergeben. Um sich also keinen Vorwürfen auszusetzen, sei die deutsche Delegation mit der Nennung von Zahlen mit Absicht nicht zurückhaltend gewesen. Er persönlich habe bereits in der ersten Woche eine Zahl genannt. Die Zahl sei heute von untergeordneter Bedeutung, da es sich damals um eine Zahl mit völliger Transferfreiheit gehandelt habe. Es seien 800 Millionen gewesen. Auf dieser Grundlage sei ein Abschluß nicht möglich gewesen. Es habe sich daher die Notwendigkeit ergeben, den Transferschutz zum Teil beizubehalten. Dies habe zu der bekannten Teilung der Annuität in drei Teile geführt: ungeschützter Teil, geschützter Teil und die Sachlieferungen. Im Gegensatz zu den Franzosen bestehe die deutsche Delegation natürlich darauf, daß der ungeschützte Teil viel kleiner als der geschützte sein müsse2. Auf dieser neugewonnenen Basis sei er dann von dem Vorsitzenden Owen Young erneut um die Nennung einer Zahl gebeten worden. Er habe diese Zahl genannt, wolle sie hier aber nicht nennen, da sie noch nicht endgültig sei3. Jedenfalls sei sie bisher in keiner Weise erschüttert. Ebenso wie die deutsche Delegation habe der Vorsitzende auch die anderen Delegationen in intimen Besprechungen um die Mitteilung ihrer letzten Zahlen gebeten. Diese Mitteilungen seien auch ergangen, und zwar schon vor längerer Zeit. Wenn in genauer Kenntnis dieser Ziffern der Vorsitzende mittlerweile bereits wochenlang weiter verhandelt, so seien wir jedenfalls nicht Schuld daran, wenn demnächst an den Zahlen die Konferenz doch scheitern solle. Auf der anderen Seite berechtigt dieser Umstand zu einem gewissen Optimismus, da ein Mann wie Owen Young in seinem auf sachliche Arbeit und ein positives Ergebnis gerichtetem Streben bestimmt nicht zugelassen hätte, daß die Verhandlungen in dieser eingehenden Weise wochenlang weitergingen. Er, Schacht, habe in dieser intimen Besprechung mit dem Vorsitzenden über die Zahl auch den Vorschlag mit der Internationalen[484] Zentralbank gegeben4. Daß der Vorschlag tatsächlich von ihm sei, bitte er geheim zu halten, da er einerseits den Ruhm gern Owen Young lasse und andererseits die Verhandlungen mit den anderen Partnern zweifellos erschwert würden, wenn sie wüßten, daß nicht die Amerikaner die Väter dieses Gedankens seien. Er verstehe nicht recht, warum die deutsche Presse dem Gedanken dieser Zentralbank zum Teil so ablehnend gegenüber stehe5. Die Bank könne tatsächlich vielleicht sogar für uns von größtem Vorteil sein. Der Sinn dieser Bank sei zunächst der, daß Reparationen und interalliierte Schulden nach wirtschaftlichen Grundsätzen und auch nach dem Dawes-Plan doch nur aus Überschüssen der Einzelwirtschaften geleistet werden könnten, daß also der Export und damit der gesamte Welthandel weit über den bisherigen Stand hinaus entwickelt werden müsse und daß eben dieser Welthandel durch diese Internationale Zentralbank eine starke zusätzliche Finanzierung erfahre. Weiterhin sei mit der Schaffung der Zentralbank beabsichtigt, im Wege der eigenen Verdienstmöglichkeiten der Bank die Lücke zwischen unseren und den französischen Zahlen möglichst zu schließen. Inwieweit letzteres möglich sei, hinge natürlich stark von dem technischen Ausbau, insbesondere dem Eigenkapital ab, Einzelheiten, über die gerade eben wichtige Beratungen im Gange seien. Teilhaber der Bank werde selbstverständlich auch Deutschland, das aber zunächst auf eine Gewinnbeteiligung zugunsten seiner Reparationszahlungen verzichten solle. Ein dritter Gedanke liege der Schaffung dieser Zentralbank zugrunde, nämlich die Absicht der Privatisierung und Verwirtschaftlichung aller irgendwie gearteten bisher noch bestehenden Kontrollen; so sei es selbstverständlich beabsichtigt, die Reparationskommission aufzuheben und ihre Funktionen, soweit noch erforderlich, in den Verwaltungsrat der Zentralbank zu legen. Auch im Falle einer Moratoriumserklärung, die bekanntlich den bisherigen Transferschutz ablösen soll, werde in besonderer Weise der oberste Verwaltungsrat der Zentralbank eingeschaltet. Überhaupt sei dieses oberste Gremium der Zentralbank als eine Art Expertenkomitee gedacht, das mehr oder weniger der Restnachfolger der gegenwärtigen Kommission sein werde. Dadurch werde das jetzige Expertenkomitee in gewisser Weise in Permanenz erklärt. Es habe sich eben gezeigt, daß heute die Schaffung des Idealzustandes einer vollständigen und endgültigen Lösung des Reparationsproblems noch unmöglich sei, da in diesem Fall eine Einigung mit unseren Gegnern nur auf Zahlen möglich wäre, die für uns katastrophal wären. Durch die dauernde Einschaltung der Zentralbank mit ihren obersten Organen nähere man sich aber diesem idealzustand, aber ohne die für Deutschland unmöglichen geldlichen[485] Folgen. Nach seiner Meinung sei der Plan der Schaffung der Zentralbank für uns demnach klar und gut. Schwierig sei es gewesen, die Zustimmung der Notenbankpräsidenten zu dem Plan zu bekommen, da immerhin eine gewisse Inflationsgefahr dem Plan innewohne. Diese Zustimmung sei inzwischen aber erfolgt. Wenn man zu der Schaffung der Bank und zu endgültigen Zahlen komme, die auch die Franzosen billigten, so sei für uns politisch und wirtschaftlich gerade über diese Bank noch unendlich viel herauszuholen. Selbstverständlich müßte dann6 auch die besondere Verpfändung einzelner Reichssteuern fortfallen. Man7 denke an eine negative Verpfändungsklausel auf sämtliche Steuern in Höhe von 150% der Annuität. Aber alles andere an Verpfändungen werde wegfallen. Die Franzosen machten diesbezüglich noch Schwierigkeiten hinsichtlich der Reichsbahn und der Industrie8. Die Freistellung müsse man aber auch noch erreichen. Was an Kontrollen und gegnerischen Zuständigkeiten übrig bleibe, werde in den Verwaltungsrat der Zentralbank geleitet.

Alle technischen Vorbesprechungen über diese Zentralbank, die Dreiteilung der Annuität und die damit in Zusammenhang stehenden Fragen stünden jetzt vor dem Abschluß. Man werde in den nächsten Tagen zu den konkreten Besprechungen über die Zahlen kommen. Wenn wir nur 37 Jahreszahlungen konzedieren wollen, denke man den Rest der 21 letzten Annuitäten auf ihren Gegenwartswert zu berechnen, der nicht sehr hoch sei. In der französischen Argumentation spielen außenpolitisch bemerkenswerte Gedanken eine Rolle, die Besatzungsarmee stünde noch sechs Jahre am Rhein, solange sei daher die Dawes-Annuität gesichert; zahlenmäßig ausgedrückt bedeute dies 6 x 2,5 Milliarden plus Wohlstandsindex = 40 Milliarden Goldfrancs. In den neulich von Herrn Kastl mitgeteilten politischen Nebenfragen hätte sich die Delegation auf das rein Ökonomische beschränkt, also nicht die Saar und Rheinlandräumung verlangt. Die Amerikaner hätten diese deutsche Taktik für meisterlich gehalten, da die Franzosen mit dieser deutschen Forderung bestimmt gerechnet hätten und dann ihrerseits mit der Forderung auf eine Zusatzentschädigung herausgekommen wären. Die Franzosen seien hierüber jetzt recht enttäuscht, und es sei überdies nicht unwahrscheinlich, daß jetzt die Amerikaner diese politische Nebenforderung stellen würden9. Vom Abschnitt VIII des Vertrages[486] von Versailles bleibe schließlich nur noch der Kriegsschuldartikel übrig; nach vorsichtiger Sondierung sei es nicht sehr wahrscheinlich, daß dieser Artikel aufgehoben werde. Das letzte Wort sei aber noch nicht gefallen. Wenn man sich sonst über alle Punkte einige, käme man schließlich doch noch zur Streichung. Im Gegensatz zu den Franzosen, die weit über 2 Milliarden verlangen, seien die Engländer hinsichtlich der Annuität schon bis auf 1,8 Milliarden herunter. Vielleicht seien aber die Engländer auch noch zu weiterem bereit. Der10 deutschen Delegation seien vertrauliche Winke aus London zugegangen, sich auf 1,6 Milliarden zu versteifen11. Die deutsche Delegation ihrerseits hatte wesentlich niedrigere Zahlen und halte sich hierbei absolut steif; die deutschen Zahlen seien selbstverständlich nur innerhalb der deutschen Leistungsfähigkeit gemacht.

Auf Zwischenfrage betonte Präsident Schacht noch, und zwar zunächst hinsichtlich der interalliierten Schulden, daß der Vorsitzende Owen Young ihm gesagt habe, wir müßten schließlich zu solchen Zahlen kommen, wie sie die Franzosen den Amerikanern schulden, so daß also eine tatsächliche Verbindung bestehe. Bei einer definitiven Lösung müßten wir eine so klare Zahl verlangen, daß wir damit nicht durchkämen. Daher sei eben der vorhergesehene Mittelweg über die neue Weltbank mit ihrer automatischen Nachprüfungsmöglichkeit nach rein ökonomischen unpolitischen Tendenzen der einzig richtige.

Nach einer weiteren Erörterung dieses Teils des Berichts des Präsidenten Schacht, die aber nur der weiteren Orientierung, nicht irgendeiner Beschlußfassung diente12, wandte sich Präsident Schacht der belgischen Markangelegenheit zu. Der Belgier Francqui habe ihn bereits am dritten Tage nach dieser Angelegenheit gefragt13. Er, Schacht, habe ja daraufhin an Herrn Minister Stresemann einen Brief geschrieben und eine Vollmachtserteilung anheimgestellt. Francqui habe in der Besprechung fürchterlich geschimpft. In Amerika habe man keinerlei Verständnis für die deutsche Haltung, und der nächste Krieg werde noch über die Markfrage ausbrechen. Er habe ihn zunächst gebeten, nicht so unsinnig zu übertreiben und die Ruhe zu bewahren. In der Sache bestünden nach seiner und aller berufenen Instanzen Ansicht keinerlei belgischer Rechtsanspruch. Immerhin könne er sich denken, daß die Angelegenheit erneut zwischen Belgien und Deutschland erörtert werden könne, dann natürlich aber auch noch die anderen Fragen, die bekanntlich noch zwischen Deutschland und Belgien schwebten und die auch in den erfolglos gebliebenen Verhandlungen vor wenigen Jahren erörtert worden seien. Er warte nun die Entscheidung der Reichsregierung ab und stelle sich zur Führung dieser Sonderverhandlungen[487] zur Verfügung. Jedenfalls werde sich das Expertenkomitee mit der belgischen Markfrage bestimmt nicht befassen. Der14 Vorsitzende Owen Young habe ihn einmal auf das Vorhandensein von zwei Nebenfragen aufmerksam gemacht, nämlich die italienische und die belgische. Er habe geantwortet, daß die erstere eine interalliierte Frage sei und die zweite Frage eine Frage zwischen Deutschland und Belgien. Owen Young sei der gleichen Auffassung gewesen, so daß eine Erörterung im Expertenkomitee in beiden Dingen nicht zu erwarten sei. In der belgischen Frage habe er die feste Überzeugung, daß die Belgier ebenso wie vor einigen Jahren wegen Eupen-Malmedy mit sich sprechen ließen. Ein belgischer Rechtsanspruch auf deutsche Zahlungen liege zweifellos nicht vor. Es frage sich nur, ob wegen Eupen-Malmedy eine Zahlung in der schon einmal vorgesehenen Höhe möglich sei. Eine Regelung dieser Frage würde natürlich auch die Haltung der Belgier in den Reparationsfragen günstig beeinflussen. An sich hätten die Belgier auf der gegenwärtigen Konferenz keine große Stellung. Sie gelten allgemein – vertraulich gesagt – als Stänker, die bezahlt werden müßten.

Die anschließende Aussprache in dieser Angelegenheit ergab dieselbe allgemeine Auffassung dahin, daß es durchaus zweckmäßig erscheine, Herrn Präsidenten Schacht mit diesen Sonderverhandlungen wegen der belgischen Markfrage alsbald zu beauftragen15. (Eine entsprechende Vollmacht ist mittlerweile[488] zwischen den beteiligten Stellen ausgearbeitet und am 15. d. M. von dem Herrn Reichskanzler unterzeichnet worden.)16.

Zum Schluß seines Berichts betonte Präsident Schacht, daß namentlich die Amerikaner zwar auf die Wiederherstellung und dauernde Sicherstellung der wirtschaftlichen Einheit Deutschlands höchsten Wert legten, auf der anderen Seite aber auch ein sehr starkes Interesse an den innerdeutschen Reformbestrebungen zeigten. Die Amerikaner würden ganz zweifellos in dem Schlußbericht der Konferenz einen Absatz verlangen, der sich mit diesen Dingen, also insbesondere sparsame Wirtschaft (auch bei den Kommunen), Verfassungs- und Verwaltungsreform, klarer Finanzausgleich befasse. Wenn wir die Formulierung dieses Punktes der Konferenz unter amerikanischer Führung überließen, könnten daraus für Deutschland sehr leicht innenpolitische Schwierigkeiten erwachsen, die die Durchsetzung des Gesamtplans erschwerten. Werde der Absatz des Berichts aber maßvoll und zweckmäßig gefaßt, so könne er umgekehrt geradezu eine Förderung der bestehenden deutschen Reformpläne darstellen. Er würde es daher dankbar begrüßen, wenn die Reichsregierung der deutschen Delegation alsbald einen Vorschlag für eine solche Formulierung übersenden wollte. Die anwesenden Mitglieder der Reichsregierung erklärten sich hierzu gern bereit, zumal die Regierungserklärung vom 3. Juli vorigen Jahres, die Gestaltung des Reichshaushaltsplans 1929, die Abänderungsvorschläge für das Reichshaushaltsgesetz und zahlreiche andere – teils durchgesetzte, teils im Gange befindliche – Maßnahmen der Reichsregierung sich nach dieser Richtung hin sehr gut sehen lassen könnten17. (Inzwischen hat eine Vorbesprechung dieser Angelegenheit zwischen den Ministern Hilferding und Curtius und dem Unterzeichneten stattgefunden. Eine endgültige Formulierung des Vorschlages der Reichsregierung steht unmittelbar bevor.)18.

Bezüglich des weiteren technischen Ablaufs der Konferenz teilte Präsident Schacht noch mit, daß der Vorsitzende Owen Young beabsichtige, kurz vor Beginn der Karwoche etwa dreiwöchige Osterferien einzuschieben. Während dieser drei Wochen werde Herr Morgan eine Kreuzerfahrt durch das Mittelmeer unternehmen, und auch andere Delegierte würden abwesend sein. Während dieser drei Wochen werde Owen Young mit einigen Delegierten der anderen Mächte den Entwurf des Schlußberichts der Konferenz fertigstellen. Mit der letzten Lesung und Beschlußfassung über diesen Bericht sei demnach frühestens ab Mitte April zu rechnen.

Fußnoten

1

Eine Parallelaufzeichnung, die auf stenographischen Aufzeichnungen MinDir. Schäffers beruht, befindet sich in R 2 /2923 , Bl. 228-245. Auf sie wird verwiesen als „Aufzeichnung Schäffer“.

2

„Das Verhältnis zwischen dem ungeschützten und dem geschützten Teil darf nur etwa 1 : 5 oder 1 : 4 oder schließlich 1 : 3 betragen“ (Aufzeichnung Schäffer).

3

Diese Zahl hatte Schacht mit 1,2 Mrd. RM beziffert (s. sein Bericht am 22. 4., Dok. Nr. 160).

4

Siehe dazu auch Schacht, „76 Jahre meines Lebens“, S. 311 ff.; Foreign Relations of the United States 1929 II, p. 1024  sq.

5

Nach der „Aufzeichnung Schäffer“ hatte Schacht seine Kritik an der deutschen Presse schon zu Beginn seiner Ausführungen geübt: „Schacht erklärte, er wolle ganz offen reden und zunächst sagen, daß ihm die Haltung der deutschen Presse nicht gefiele, die ihm und seinen Kollegen allerhand politische und sonstige Arbeiten unterstelle. Er könne erklären, die deutschen Sachverständigen würden nichts unterschreiben, was sie wirtschaftlich nicht für tragbar hielten. Es könne freilich auch sein, daß die Besprechungen einen mehr politischen Charakter annehmen, was zunächst noch nicht zu überblicken sei, dann würden sich die Sachverständigen zurückhalten und die Regierung mehr in Erscheinung treten lassen.“

6

Von hier an bis zum Ende des nächsten Satzes durch den RK angestrichen.

7

Der Satz ist vom RK unterstrichen worden.

8

Darüber gibt Moreaus Denkschrift vom 22. 2. Auskunft, die von Lamont kommentiert worden war: Moreau hatte ungeschützte Reparationsbonds gefordert, die durch die Einnahme der RB-Gesellschaft, durch hypothekarische Belastung der Industrie, durch Branntwein- und andere Besteuerung garantiert werden sollten. Demgegenüber hatte Lamont befürchtet, daß solche Forderungen eine Verwirrung auf dem Markt auslösen werde und eine Abneigung gegen Reparationsbonds überhaupt (R 43 I /290 , Bl. 120-129).

9

Parallel heißt es in der „Aufzeichnung Schäffer“: „Beim Fehlen dieser politischen Forderungen sei die Lage der Franzosen bei der Verhandlung über die Annuität viel schwächer. Dabei komme auch die deutsche politische Sache nicht schlecht fort, denn die Amerikaner hätten versprochen, von sich aus darauf zu dringen, daß die Befreiung des Rheinlands und der Saar in den Bericht kämen. Geschähe dies, so brauchten die Deutschen für diese Erwähnung keine Gegenleistung zu bringen. Nicht zur Sprache bringen könne man bei dieser Differenz die Korridorfrage und die Kolonien. Für die anderen politischen Fragen würde der Bericht Tritte und Steigbügel bieten, an denen nachher die Politiker hinaufklettern könnten.“

10

Dieser Satz wurde vom RK angestrichen und mit einem Fragezeichen versehen.

11

Kühlmann, der auf Bitten von Schacht einmal in London gewesen sei, um dort die Stimmung abzutasten, habe von recht maßgebenden Kreisen den Rat erhalten, wir sollten versuchen, auf 1,6 Milliarden abzukommen“ (Aufzeichnung Schäffer). – Zur Rolle des ehem. StS v. Kühlmann während der Reparationsverhandlungen in Paris, s. Stresemann, Vermächtnis III, S. 395 ff. und die Arbeit des Reichsarchivs „Entstehung des Young-Plans“, Teil II (BA: Nachlaß Pantlen  7).

12

Nach der „Aufzeichnung Schäffer“ wurden die Höhe der Annuitäten, die Mobilisierung der Reparationsbonds und das Problem der deutschen Sachleistungen erörtert.

13

Siehe hierzu Dok. Nr. 145.

14

Parallel heißt es zum folgenden in der „Aufzeichnung Schäffer“: „Owen Young habe ihm einmal bei Beginn der Verhandlungen in einer Privatbesprechung erklärt, neben den Reparationsforderungen gäbe es noch zwei Wünsche, die vielleicht unmittelbar an Deutschland herantreten würden, einmal die belgische Markfrage und zweitens der Wunsch der Italiener auf eine Sonderentschädigung, weil sie mit ihren Ansprüchen gegen die früheren Verbündeten Deutschlands infolge deren wirtschaftlicher Lage nicht zum Zuge kämen. Diesen letzteren Anspruch habe Schacht alsbald kurzerhand unter Hinweis darauf abgewiesen, daß es sich um eine reine Frage der Höhe der Beteiligung der Italiener an der von Deutschland zu zahlenden Summe handle, also um eine rein interalliierte Frage, die Deutschland nichts angehe; über die Markfrage habe er sich, außerhalb der Verhandlungen zu reden, bereit erklärt. Er habe die Überzeugung, daß die Rückabtretung von Eupen und Malmedy, der die belgische Regierung seinerzeit gegen die Zahlung eines Betrages von 120 Millionen zugestimmt habe, auch heute noch zu erlangen sei. Wenn er vom Kabinett dazu ermächtigt würde, sei er bereit, Verhandlungen auf dieser Grundlage in Paris zu führen.“

15

Demgegenüber wird in der „Aufzeichnung Schäffer“ auf Bedenken des AA hingewiesen, die durch MinDir. Köpke vorgetragen wurden: Von Poincaré sei erklärt worden, daß er bei einer Änderung der im Versailler Vertrag garantierten Grenzen Schwierigkeiten machen werde. Man riskiere daher, daß sich Frankreich die Zustimmung „durch Hochhaltung der Annuität abkaufen lassen werde und daß möglicherweise nachher anstelle der Befreiung der Rheinlande und Rückgabe des Saargebiets die Rückgabe von Eupen und Malmedy träte. Man solle daher die Verhandlungen über die Markfrage und Eupen und Malmedy möglichst noch aufschieben. Schacht erwiderte darauf, er habe den entgegengesetzten Eindruck, der englische Botschafter in Paris, Tyrell, habe zum Ausdruck gebracht, daß das einzige, was in Paris territorial zu erreichen sei, die Rückgabe von Eupen und Malmedy wäre. In der Korridorfrage sei nichts zu machen, weil Poincaré sich nicht Schwierigkeiten mit Polen werde zuziehen wollen. Die Rheinlande und die Saar würden die Amerikaner von sich aus in den Bericht hineinbringen, die Engländer und Italiener würden sich ihnen voraussichtlich darin anschließen. Gerade so lange die Annuitätenhöhe noch schwebe, bestehe Aussicht, Belgien durch die Markfrage gefügig zu machen, und Frankreich gegenüber könne man die an Belgien zu leistenden Zahlungen sogar als einen Grund für die Niedrighaltung der Annuität anführen.“

16

Die vom AA konzipierte Vollmacht wurde vom RK unterzeichnet (R 43 I /289 , Bl. 59 f.,). Schacht wurde mitgeteilt, daß er seine Instruktionen für diese Sonderverhandlungen von der RReg. erhalte. Ferner wurde festgestellt, daß der belgische Rechtsanspruch auf Grund der Londoner Konferenz von 1924 und der ihr folgenden deutschen Währungsgesetzgebung erloschen sei. Die Sonderverhandlungen seien vor Ende der Sachverständigenkonferenz abzuschließen. Damit nicht der Eindruck entstehe, daß das Reich abgetretene Gebiete zurückkaufe, solle die Markentschädigung als Gegenwert für das in Eupen-Malmedy zurückbleibende Sacheigentum Belgiens angeboten werden.

17

In der „Aufzeichnung Schäffer“ wird auf die Unruhe bei den Alliierten hingewiesen, die – nach Schachts Ausführungen – durch innenpolitische Beurteilung der deutschen Wirtschaft und eine Rede Hugenbergs entstanden sei. Daraufhin gaben der RK, der RFM und der RWiM Auskunft über das angestrebte Reformprogramm.

18

Siehe dazu Dok. Nr. 156.

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