1.41 (mu22p): Nr. 297 Staatssekretär Pünder an den Reichspostminister. 18. September 1929

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[954] Nr. 297
Staatssekretär Pünder an den Reichspostminister. 18. September 1929

R 43 I /2036 , Bl. 130-132, hier: Bl. 130-132 Durchschrift

[Betrifft: Bayerns Haltung zur Reform der Arbeitslosenversicherung.]

Hochverehrter Herr Minister!

Da Sie in den letzten Tagen von Berlin abwesend waren, darf ich mir erlauben, Ihnen nachstehendes mitzuteilen:

In hiesigen politischen Kreisen ist es außerordentlich aufgefallen, daß bei der vorgestrigen Abstimmung des Reichsrats über den bekannten Kompromißvorschlag betreffend Arbeitslosenversicherungsreform die Bayerischen Reichsratsstimmen nun doch gegen diesen Kompromißvorschlag abgegeben worden sind. Die Mißstimmung hierüber war nicht nur in Kreisen des Reichsrats, sondern auch in politischen Kreisen des Reichstags ganz allgemein. Ihr Herr Vertreter wird Ihnen inzwischen vielleicht bereits vorgetragen haben, daß diese Haltung der bayerischen Reichsratsvertretung auch in der gestrigen Ministerbesprechung zur Sprache gekommen ist1. Die Einstellung der bayerischen Reichsratsvertretung war um so bedauerlicher und bedeutsamer, als eine Reihe anderer Reichsratsvertreter die Weisung hatten, ebenso wie Bayern zu stimmen, und im Falle der bayerischen Zustimmung sich gleichfalls für den Kompromißantrag der Reichsregierung und der Preußischen Staatsregierung ausgesprochen hätten2. Infolge der negativen Haltung Bayerns wurde dadurch die Minderheit im Reichsrat außerordentlich groß, was den mit der Reichsratsabstimmung bezweckten Effekt für die sich unmittelbar anschließende Reichstagsverhandlungen selbstverständlich überaus beeinträchtigt hat.

Ohne Ihrer eigenen Einstellung zu dieser Frage irgendwie vorgreifen zu wollen, scheint mir, die völlig negative Haltung der Bayerischen Staatsregierung auch eine geringe Rücksichtnahme auf Ihre eigene Haltung im Reichskabinett darzustellen wie auch auf die staatsmännische und kluge Haltung, die Herr Prälat Leicht in den Parteiführerbesprechungen eingenommen hat und auch gegenwärtig einnimmt3.

Da ich vermute, daß Sie, hochverehrter Herr Minister, auf die Angelegenheit vielleicht noch angesprochen werden, wollte ich nicht versäumt haben, Ihre Aufmerksamkeit auf diesen Tatbestand zu lenken4.

Mit verehrungsvollsten Empfehlungen bin ich

Ihr Ihnen stets ganz ergebener

gez. Dr. Pünder

Fußnoten

1

Siehe Dok. Nr. 294, P. 2.

2

Vgl. die Äußerungen des Gesandten Ahlhorn in Dok. Nr. 291.

3

Siehe Dok. Nr. 296.

4

In einem weiteren Schreiben vom 27. 9. berichtete Pünder dem RPM über die Rede Schäffers in Ingolstadt vom 18. 9. (siehe Anm. 6 zu Dok. Nr. 294). Aus dem „Bayerischen Kurier“ vom 20. 9. zitierte Pünder außerdem: „Bayern hat, und das ist ein besonderes Verdienst des federführenden Mannes, des StS Oswald, in dieser Frage eine sehr klare und entschiedene Linie bewahrt. Es hat erklärt, daß es eine solche Politik der finanziellen Verantwortungslosigkeit nicht mitmachen könne. Die ständigen finanziellen Zuschüsse des Reichs, die den ganzen Haushalt in Unordnung bringen, müssen ein Ende nehmen“ (R 43 I /2036 , Bl. 190, hier: Bl. 190).

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