2.55.1 (sch1p): [Lage im Osten]

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Das Kabinett ScheidemannReichsministerpraesident  Philipp Scheidemann Bild 146-1970-051-17Erste Kabinettssitzung der neuen deutschen Reichsregierung am 13.2.1919 in Weimar Bild 183-R08282Versailles: die deutschen Friedensunterhändler Bild 183-R11112Die Sozialisierung marschiert! Plak 002-005-026

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[Lage im Osten]

General Groener hält einen ausführlichen Vortrag über die militärischen Verhältnisse im Osten. Die Lage gegenüber den Bolschewiki im Norden sei entspannt; sie hätten ihre besten Truppen im Süden und versprächen sich von einem Angriff auf unsere Truppen auch keinen Erfolg. Vom militärischen Standpunkt würde eine Offensive mit Hilfe von Amerikanern und mit englischer Seehilfe sicher zum Erfolge führen. Zur Zeit befinde man sich rein in der Defensive. – Gegenüber Polen sei die Lage durch das Eintreffen der Haller’schen Truppen natürlich sehr erschwert. An eine gewaltsame Wiedereinnahme Posens sei nur bei starker Schwächung anderer Fronten zu denken. – Oberschlesien scheine augenblicklich keine besondere Gefahr zu drohen, auch die Lage für den Glatzer Kessel sei nicht bedrohlich. – Die Gesamtstärke der deutschen Truppen im Osten sei 209 000 Mann, davon 160 0002 im eigentlichen Grenzschutz, die andern in Reserve usw. Er empfehle, so lange wie möglich die militärische Stärke im Osten zu erhalten, den Frieden abzuwarten und dann nach der jeweiligen Lage allmählich abzubauen. Vorzeitiger Abbau sei nicht nur außenpolitisch gefährlich, weil mit dem Abbau die Ambitionen der Gegner wachsen, sondern auch innerpolitisch. Zur Zeit sei der Osten im Innern in unserer Hand. Alle Anordnungen der Regierung könnten dort durchgeführt werden. Der Vorwurf der Reaktion oder des Militarismus sei nicht berechtigt. Ohne Macht könne ein großes Volk wie das deutsche nicht regiert werden. Die O. H. L. stehe auf dem Standpunkt, daß es keine Gegenrevolution gebe. Sie tue nichts gegen, alles für die Regierung. Er bitte auch die militärischen Richtlinien für die Friedensunterhändler nicht zu eng zu fassen. Deutschland werde zwischen Franzosen, Polen und Tschechen auch künftig in einer Zange sitzen. An die lange Dauer der neuen Ideale des Völkerbundes und der internationalen Sozialisierung glaube er nicht.

Der Ministerpräsident dankt für die Darlegung der militärischen Lage und die Versicherungen vollkommener Loyalität.

[210] Im Laufe der Aussprache setzen sich die Reichsminister Erzberger und Bell dafür ein, daß gegenüber den Bolschewiki möglichst bald eine Waffenruhe herbeigeführt werde.

Reichsminister Graf Rantzau gibt zu bedenken, daß der Kampf gegen den Bolschewismus eine der wenigen gemeinsamen Grundlagen für die Wiedervereinigung mit den Westmächten bilde, und daß man daher gut tue, unmittelbar vor den Verhandlungen insofern nicht illoyal zu erscheinen.

Das Kabinett ist aber darüber einig, daß man sich streng darauf beschränken solle, die Front zu halten, die man augenblicklich inne habe. Offensive Pläne sollen nicht verfolgt werden.

Eine von General Groener zur Erwägung gestellte Frontverkürzung soll nicht vorgenommen werden, da sie zum Schaden der Litauer gereichen würde. Von verschiedenen Seiten wird auf die große Bedeutung guter Beziehungen zu Litauen für Deutschland hingewiesen. Während des Krieges und auch jetzt noch würden in der Behandlung der Bevölkerung schwere Fehler gemacht. Auf den einstimmigen Wunsch des Kabinetts übernimmt es General Groener, durch Anweisungen usw. dafür Sorge zu tragen, daß die litauische Bevölkerung künftig gut behandelt und ein freundliches Verhältnis zu ihr ernstlich angestrebt wird.

Nach3 Berichten des Reichskommissars Winnig ist das Schicksal der Deutschen in Riga sehr schwer. Es sollen 6000 Hinrichtungen in Riga vorgenommen worden sein, die wahrscheinlich zum größten Teil Deutsche getroffen haben. Es bestand Einverständnis darüber, daß es aus militärischen und politischen Gründen leider nicht möglich ist, Riga wieder zu nehmen.

Fußnoten

2

Laut Dok. Nr. 52 b 168 000.

3

Der folgende Absatz ist in Dok. Nr. 52 b nicht enthalten.

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