2.75 (vpa1p): Nr. 74 Das Auswärtige Amt an Staatssekretär Planck. 20. Juli 1932

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Nr. 74
Das Auswärtige Amt an Staatssekretär Planck. 20. Juli 1932

R 43 I /2427 , Bl. 351–355 Umdruck

[Neuregelung des Butterzolls, Einfuhrkontingentierung]

I. Wegen der Neuregelung des Butterzolls ist dem Reichskabinett mit Schreiben des Auswärtigen Amts vom 24. Mai 1932 […] eine Vorlage gemacht worden, in der bestimmte Richtlinien für die beabsichtigten Verhandlungen mit Holland, Dänemark und Finnland vorgeschlagen wurden1.

II. Inzwischen sind in Besprechungen zwischen den beteiligten Herren Reichsministern in Berlin und in Lausanne2 folgende Richtlinien für eine Neuregelung des Butterzolls vereinbart worden:

1. Die geplanten Butterzollverhandlungen mit Holland, Dänemark und Finnland sollen demnächst stattfinden. Für diese Verhandlungen wird festgesetzt, daß einerseits eine Verminderung der Gesamtbuttereinfuhr stattfinden muß, andererseits eine Vergrößerung der holländischen Einfuhr auf 70 v. H. seiner Einfuhr 1931 zugestanden werden kann.

2. Die Regelung soll in der Form eines prozentualen Zollkontingents gesucht werden, wobei die deutsche Landwirtschaft hinsichtlich der Preise auch gegenüber Holland nicht ungünstiger gestellt sein darf als bisher.

3. Der autonome Butterzoll wird auf 150 RM erhöht, der Valutazollzuschlag gegenüber valutaschwachen Ländern auf z. Z. 50 RM3.

4. Diese Vereinbarung mit Holland soll nur für das Jahr 1932 abgeschlossen werden.

[273] III. Seitdem ist eine neue Sachlage dadurch eingetreten, daß der Herr Reichswirtschaftsminister angeregt hat, das Ergebnis von Verhandlungen zwischen landwirtschaftslichen Spitzenverbänden und dem Reichsverband der Deutschen Industrie über die Neuregelung der Buttereinfuhr zur Grundlage der Verhandlungen zu nehmen. Zwischen den genannten privaten Spitzenverbänden haben in der letzten Zeit Besprechungen stattgefunden mit dem Ziele, eine einheitliche Linie der Privatwirtschaft für die Neuregelung der Buttereinfuhr zu finden. Der Reichsverband der Deutschen Industrie hat dem Herrn Reichswirtschaftsminister am 19. Juli auf Grund der abschließenden Feststellungen des Grafen Kalckreuth über das Ergebnis dieser Verhandlungen berichtet. Die schriftlichen Aufzeichnungen des Reichsverbandes der Deutschen Industrie darüber ist als Anlage hier beigefügt4.

IV. Der Herr Reichswirtschaftsminister hat beantragt, daß die im Handelspolitischen Ausschuß der Reichsregierung vertretenen Ministerien5 noch vor der für Donnerstag, den 21. Juli, geplanten Beratung im Reichskabinett6 über den Butterzoll zu den neuen Vorschlägen Stellung nehmen. Angesichts der Tatsache, daß der unter Nr. II erwähnte Beschluß der beteiligten Herren Reichsminister bereits vorliegt, hat der Handelspolitische Ausschuß der Reichsregierung davon abgesehen, beschlußmäßig zu den neuen Vorschlägen Stellung zu nehmen. Der Vertreter des Reichsministeriums für Ernährung und Landwirtschaft hat aus diesem Grunde sich auch einer persönlichen Äußerung zu den neuen Vorschlägen enthalten. Die Vertreter der übrigen Ressorts haben zu den neuen Vorschlägen wie folgt Stellung genommen.

1. Die neuen Vorschläge sehen ein Einfuhrverbot für Butter mit Einfuhrkontingenten vor, anstelle von Zollkontingenten des Reichsministerbeschlusses unter[274] II. Unter der Voraussetzung, daß die hauptbeteiligten Butterausfuhrländer einem solchen Einfuhrverbot mit Einfuhrkontingenten zustimmen, könnten die grundsätzlichen handelspolitischen und rechtlichen Bedenken gegen ein solches Einfuhrverbot ausnahmsweise zurückgestellt werden.

2. In Abweichung von dem bisherigen deutschen Standpunkt wären die Einfuhrkontingente proportional im Verhältnis der Einfuhr aus den einzelnen Ländern in den Jahren 1929, 1930 und 1931 zu bemessen.

3. Bei einer Beschränkung der Gesamtkontingentierung auf 50 000 to jährlich erschiene eine Einigung mit den hauptbeteiligten Ausfuhrländern ausgeschlossen. Eine Limitierung auf 70% der Durchschnittseinfuhr 1929/1931 als Höchstgrenze erschiene für die Verhandlungen notwendig. Dies würde einer Einfuhrmenge von 86 000 to entsprechen.

4. Für das Einfuhrkontingent wäre ein Vertragszoll zu vereinbaren, der nicht unter 75 RM für den Doppelzentner betragen dürfte.

5. Valuta-Ausgleichszuschläge würden wegfallen.

6. Die Regelung wäre zunächst nur für das Jahr 1932 zu vereinbaren.

7. Der Beschluß der Herren Reichsminister unter Nr. II geht von vornherein davon aus, daß auf dieser Grundlage eine Verständigung nur mit Holland erzielt werden kann. Die neuen Vorschläge böten immerhin eine gewisse Aussicht, auch mit Dänemark und Finnland zu einer Verständigung zu kommen.

V. Der Handelspolitische Ausschuß schlägt vor, mit der Leitung der Verhandlungen Herrn Staatssekretär Mussehl vom Reichsministerium für Ernährung und Landwirtschaft zu betrauen. Der Herr Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft hat zu diesem Vorschlag noch nicht Stellung genommen7.

[…]

Der Reichsminister des Auswärtigen

Freiherr von Neurath

Fußnoten

1

In der genannten Vorlage (vgl. auch Anm. 7 zu Dok. Nr. 63) hatte das AA folgende Richtlinien vorgeschlagen: „1. Die Verhandlungen mit Holland, Dänemark und Finnland über Neuregelung des Butterzolls sollen mit dem Ziel eingeleitet werden, daß nicht eine Verringerung des Zollschutzes der deutschen Butterproduktion, sondern lediglich eine Verbesserung und Vereinfachung der Zollmethoden erreicht wird. 2. Die fortschreitende Entwicklung unserer Milch- und Butterwirtschaft darf nicht gefährdet werden. 3. Größere Einfuhren als bei der jetzigen Regelung [vgl. Anm. 6 zu Dok. Nr. 63] dürfen keinesfalls möglich werden, insbesondere darf die Einfuhr aus valutaschwachen Ländern, vor allem Dänemark, eine Steigerung nicht erfahren können.“ (R 43 I /2427 , Bl. 313–317).

2

Vgl. Dok. Nr. 46, P. 1, dort bes. Anm. 1.

3

Zur geltenden Regelung des Butterzolls s. Anm. 6 zu Dok. Nr. 63.

4

Beigefügt ist eine Aufzeichnung über das „Ergebnis der Aussprache zwischen Industrie und Landwirtschaft am 18. Juli 1932 im Deutschen Landwirtschaftsrat“, worin es heißt: Graf Kalckreuth habe das Verhandlungsergebnis wie folgt zusammengefaßt: „1. Industrie und Landwirtschaft sind sich darüber einig, daß die gegenwärtige Butterzollregelung der alsbaldigen Änderung bedarf. 2. Industrie und Landwirtschaft stimmen darin überein, daß die Lösung der Finnlandbindungen [vgl. Anm. 6 zu Dok. Nr. 63] erforderlich ist, und daß die Erreichung dieser Lösung Sache der Reichsregierung ist. 3. Zur Frage der Höhe des Butterkontingents nehmen Industrie und Landwirtschaft wie folgt Stellung: Die Industrie fordert ein Mengenkontingent von mindestens 86 000 to im Jahre, die Landwirtschaft fordert ein Mengenkontingent von höchstens 50 000 to im Jahre. 4. In der Frage der Zollhöhe nehmen Industrie und Landwirtschaft wie folgt Stellung: Die Industrie schlägt vor einen Einheitszoll von höchstens 75 RM, die Landwirtschaft schlägt vor einen Einheitszoll von mindestens 100 RM. Es besteht Einigkeit zwischen Industrie und Landwirtschaft, daß neben diesen beiden genannten Zöllen kein Valutazuschlag mehr in Frage kommt. 5. In der Verteilung des Kontingents besteht zwischen Industrie und Landwirtschaft Übereinstimmung darüber, daß das Kontingent proportional auf die an der Butterausfuhr nach Deutschland interessierten Länder zu verteilen ist mit der Maßgabe, daß zugrunde gelegt werden soll die Durchschnittsausfuhr dieser Länder in den drei Jahren 1929, 1930 und 1931.“ Abschließend heißt es dann in der Aufzeichnung: „Es wurde beschlossen, daß die Industrie und die Landwirtschaft sobald als möglich jeder Teil seinen zuständigen Reichsminister von dem Ergebnis der Aussprache in Kenntnis setzt. Dabei kann von beiden Teilen auch vorgeschlagen werden, daß der Reichsernährungsminister und der Reichswirtschaftsminister nötigenfalls auch noch einmal eine gemeinsame Besprechung mit den Vertretern der Landwirtschaft und der Industrie abhalten.“ (R 43 I /2427 , Bl. 355). – Zur Erörterung der Butterzollfrage in den Gremien des Reichsverbandes der Dt. Industrie seit Anfang Juli 1932 einige sehr aufschlußreiche Materialien (interne Korrespondenzen und Denkschriften, Besprechungsvermerke) in NL Silverberg  367, Bl. 8, 14–18, 27–39.

5

Vgl. Anm. 3 zu Dok. Nr. 23.

6

Dok. Nr. 75, P. 2.

7

S. dazu weiter Dok. Nr. 85, P. 5.

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