2.22 (vsc1p): Nr. 22 Der Bundesvorstand des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes an den Reichskanzler. 13. Dezember 1932

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[83] Nr. 22
Der Bundesvorstand des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes an den Reichskanzler. 13. Dezember 1932

R 43 I /1971 , Bl. 229–234

[Angebliche Protokolle über Verhandlungen der Reichsregierung mit dem Vorstand des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes.1]

Sehr geehrter Herr Reichskanzler!2

Beiliegende Abschriften angeblich amtlicher Protokolle aus der Reichskanzlei und dem Reichsinnenministerium zirkulieren seit einiger Zeit hier in Berlin und sind jetzt auch in unsere Hände gelangt. Ihr Zweck ist aus dem Inhalt ersichtlich, der die aufgeführten Vorstandsmitglieder des ADGB des Verrats der Gewerkschaften beschuldigt. Die Zeitung „Volkswille“ (Reichsorgan des Leninbundes) vom 2. Dezember hat unter der Überschrift „Klassenverrat im ADGB“ diese angeblichen Protokolle bereits veröffentlicht. Der Redaktion haben wir eine Berichtigung zugesandt und darin erklärt, daß es sich bei den beiden Schriftstücken um aus der Luft gegriffene Erfindungen handelt.

Die Form der angeblichen Protokolle erweckt jedoch den Anschein, als ob sie tatsächlich aus der Reichskanzlei oder dem Innenministerium stammten. Sie sind mit Aktenzeichen und Verfügungen versehen, wie sie im internen Geschäftsverkehr der Ministerien wohl üblich sind. Aus diesem Grunde halten wir uns verpflichtet, Ihnen Herr Reichskanzler, von dem Vorgang Kenntnis zu geben mit der Bitte, eine Nachprüfung veranlassen zu wollen, ob irgendeine Verbindung besteht zwischen diesen Protokollen und der Reichskanzlei resp. dem Innenministerium.

Für einen baldgefl. Bescheid würden wir besonders dankbar sein3.

Mit größter Hochachtung

Der Bundesvorstand

Leipart

Fußnoten

1

Die nachfolgend als Anlagen 1 und 2 abgedruckten Protokolle sind außer in der im Brief näher bezeichneten Version auch abgedruckt bei Franz von Papen: Vom Scheitern einer Demokratie. S. 258–262 und nach der ADGB-Broschüre: „Klassenverrat“?, Berlin o.J. [1933] bei Henryk Skrypzczak: „Fälscher machen Zeitgeschichte. Ein quellenkritischer Beitrag zur Gewerkschaftspolitik in der Ära Papen und Schleicher.“ In: IWK 11 (1975), S. 467–469. Die hier vorgelegte Version aus den Akten der Rkei unterscheidet sich von der zeitgenössischen ADGB-Veröffentlichung nur durch einige unwesentliche Schreibvarianten. – Zur Diskussion über die Frage der Echtheit oder Fälschung dieser Protokolle sowie zum Gesamtzusammenhang vgl. außer dem o. a. Beitrag von Skrypzczak in: IWK 11 (1975), S. 452–467 auch Dieter Emig, Rüdiger Zimmermann: „Das Ende einer Legende: Gewerkschaften, Papen und Schleicher. Gefälschte und echte Protokolle.“ In: IWK 12 (1976), S. 19–43 sowie Heinrich Muth: „Schleicher und die Gewerkschaften 1932. Ein Quellenproblem.“ in: VJZG 29 (1981), S. 189–215.

2

Der Brief weist keine datierte Sichtparaphe des RK auf, dafür aber einen Vidimierungsstrich in grün und eine Paraphe Plancks vom 14.12.1932.

3

Am 15.12.1932 antwortet StS Planck Leipart im Auftrag des RK: „Die von Ihnen übersandten Abschriften angeblich amtlicher Protokolle sind ganz offenbar eine Fälschung. Richtig ist, wie Sie ja wissen, daß am 30. Juli 1932 eine Besprechung zwischen Herrn Reichskanzler von Papen, den Herren Reichsministern von Gayl und von Schleicher, Ihnen, Herrn Grassmann, Herrn Eggert und mir stattgefunden hat. Über den Inhalt der Besprechung ist nie eine Aufzeichnung von amtlicher Seite gemacht worden. Von einer Besprechung am 9. September ist mir nichts bekannt. Ich habe jedenfalls an einer solchen nicht teilgenommen. Alle angeblichen Aktenvermerke von der Hand des Herrn Reichskanzlers von Papen oder von meiner Hand sind natürlich erfunden. Ebensowenig gibt es im Reichsinnenministerium über die Angelegenheit Aufzeichnungen.“ (R 43 I /1971 , Bl. 235 f.).

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