Text
1. [Abtretung der Saarkohlengruben]
Reichsminister Wissell teilt mit, daß von französischer Seite Fühlung genommen ist über private Besprechungen wegen deutscher Gegenvorschläge zur Frage der Abtretung der Saarkohlengruben. Er verliest einen Entwurf zu solchen Gegenvorschlägen. Das Kabinett stimmt dem Entwurf zu. Auf Anregung des Reichsministers Gothein soll versucht werden, gegebenenfalls einen Zusatz zu erzielen, wonach Deutschland das Recht erhält, die in dem Entwurf übernommenen Lasten abzulösen, sobald die französischen Gruben in Nordfrankreich wiederhergestellt sind1.
Fußnoten
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Über die genannten privaten Besprechungen ist in den Akten der Rkei nichts zu ermitteln. Am 16.5.1919 überreichte die dt. Delegation in Versailles eine Note über das Saargebiet, der ein dt. Sachverständigengutachten zur Saarfrage beigefügt war. Das Gutachten ging davon aus, daß die im all. Friedensvertragsentw. vorgesehenen Maßnahmen bezüglich des Saargebiets den wesentlichen Zweck hatten, für die zerstörten Kohlengruben in Nordfrankreich Ersatz zu leisten und die von Dtl. verschuldeten Kriegsschäden teilweise wieder gutzumachen. Dies könne auch ohne die vorgesehene 15jährige Angliederung des Saargebiets an Frankreich geschehen; es empfehle sich eine vertragliche Verpflichtung des Reichs, durch eigene Kohlenlieferungen aus dem Ruhr- und Saargebiet zur Wiedergutmachung beizutragen; die geschädigten frz. Kohlenbergwerksbetriebe sollten an entsprechenden dt. Betrieben beteiligt werden (Materialien betr. die Friedensverhandlungen, Teil II: Der Notenkampf um den Frieden in Versailles, Teil II, hrsg. v. AA, Charlottenburg 1919, S. 5 ff. ). Der Vorschlag Gotheins wurde in der dt. Note vom 16.5.1919 nicht berücksichtigt.