Text
Nr. 466
Der Reichspräsident an den Reichskanzler. 7. März 1930
R 43 I/306, Bl. 375 f., hier: Bl. 375 f.
[Betrifft: Schachts Memorandum vom 5. Dezember 1929.]
Sehr geehrter Herr Reichskanzler!
Wie ich Ihnen berichten ließ und wie aus der Ihnen übersandten Abschrift meines gestrigen Schreibens an Herrn Reichsbankpräsidenten Dr. Schacht hervorgeht1, hatte ich gestern eine sehr eingehende Besprechung mit dem Herrn Reichsbankpräsidenten. Bei dieser Besprechung hat Herr Dr. Schacht mir in ausführlichen Darstellungen vorgetragen, daß er zwar an dem Young-Plan in der Gestalt der ersten Haager Konferenz festhalte, aber entschiedener Gegner aller Zusätze hierzu, die die zweite Haager Konferenz gebracht habe, sei; er stehe nach wie vor zu seinem Memorandum zum Young-Plan vom 5. Dezember v. J., das in keiner Weise durch die inzwischen erfolgten Reden und Veröffentlichungen der Reichsregierung widerlegt sei2.
[1545] Bei dieser Sachlage bitte ich Sie, Herr Reichskanzler, in der Rede, die Sie im Reichstag zur Einleitung der dritten Lesung zu halten beabsichtigen, doch noch einmal auf das Schachtsche Memorandum zurückzukommen und auf die einzelnen Punkte desselben, insbesondere die Aufzählung der Neubelastungen unter II Ziffer 1–6 einzugehen. Ich halte es für notwendig, daß noch einmal in aller Öffentlichkeit dargelegt wird, daß die Zusätze im Vergleich zur Gesamtbelastung des Young-Plans zahlenmäßig nicht sehr bedeutend sind und daß auch Gegenleistungen oder Vorteile für uns diesen Zusatzbelastungen entgegenstehen. Auch sonst enthält das Memorandum manche Behauptungen, die bei dieser Gelegenheit widerlegt werden müßten.
Da die Darlegungen des Herrn Dr. Schacht auf mich einen gewissen Eindruck gemacht haben, wäre ich auch persönlich dankbar, wenn in dieser bevorstehenden Schlußstellungnahme der Reichsregierung seine Beweisführung widerlegt werden könnte3. Ich selbst behalte mir, wie ich auch bei dieser Gelegenheit wiederhole, meine persönliche Stellungnahme bis zum Schluß der Gesamtberatungen vor4.
Mit der Versicherung meiner besonderen Wertschätzung und besten Grüßen bin ich
Ihr
sehr ergebener
von Hindenburg.