2.76.2 (bau1p): 2. Ilseder Hütte.

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2. Ilseder Hütte2.

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Zum Gesamtzusammenhang s. zuletzt Dok. Nr. 49, P. 1. – Über die zurückliegenden Vertragsverhandlungen mit der Ilseder Hütte hatte der RSchM dem UStSRkei am 6. 10. einen Bericht nebst Entw. eines Privatvertrages vorgelegt, durch den der GesEntw. betr. Verstaatlichung der Ilseder Hütte hinfällig gemacht werden sollte. Die Vereinbarungen sahen jetzt u. a. vor, daß dem Reich die Kriegsaufwendungen für die Hütte erstattet und ihm 25% des Aktienkapitals übereignet werden sollten. Das Reich würde damit eine Sperrminorität in der Generalversammlung und eine anteilmäßige Vertretung im Aufsichtsrat erhalten. Die mengenmäßig festgesetzte Lieferung von Ilseder Erzen an andere dt. Hochofenwerke sollte durch einen Regierungskommissar überwacht werden, die Preisfestsetzung in diesem Zusammenhang jedoch grundsätzlich den Handelspartnern überlassen bleiben (R 43 I /2114 , Bl. 73–77). – Über die Beratungen zu diesem TOP liegt im Nachl. von Moellendorff , vorl. Nr. 161, eine ungezeichnete, dem Verteiler zufolge im RWiMin. gefertigte Aufzeichnung vom 16. 10. vor. Da diese Parallelüberlieferung den im Kabinettsprotokoll nur angedeuteten parteipolitischen Konflikt veranschaulicht, grundsätzliche Haltungen in der Sozialisierungsfrage offenbart und Hintergründe der öffentlichen Subventionierung privatwirtschaftlicher Unternehmungen aufhellt, wird sie in Anm. 3 und 4 in längeren Auszügen wiedergegeben. Die dort gemachten Angaben über den Zeitpunkt der Kabinettssitzung, 11. 10., sind jedoch offensichtlich falsch. Weder in den vorliegenden Kabinettsprotokollen noch im Bd. „Inhaltsangabe von Kabinettsprotokollen“ (R 43 I /1345 ) finden sich Hinweise auf die Behandlung dieses TOP am 11. 11.; auch RIM Koch, der über seine Teilnahme an den Sitzungen vom 10. und 11. 10. Tagebuch führte, berichtet nur unter dem 10. 10. über die Vertragsverhandlungen betr. die Ilseder Hütte (Nachl. Koch-Weser, Nr. 16, S. 285 ff.).

Reichsminister Dr. Mayer berichtet über die weiteren Verhandlungen mit der Ilseder Hütte und legte den Entwurf eines Vertrags vor, durch den ohne Verreichlichung dem Reich der seines Erachtens genügende Einfluß gesichert wird3. Weil mit diesem Vertrag die in der Programmrede des Reichskanzlers[296] vom Juli angekündigte Verreichlichung der Ilseder Hütte aufgegeben wird, soll zunächst die Zustimmung des interfraktionellen Ausschusses eingeholt werden4. Die Sitzung soll am Montag stattfinden5.

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In der Parallelüberlieferung heißt es dazu: „Minister Mayer trug den Inhalt des Vertrages, den das Reich mit Ilsede abschließen soll, vor, wie aus den Anlagen 1 und 2 ersichtlich ist [liegen nicht bei]. Er habe persönlich die Überzeugung gewonnen, daß der Vertrag alle die Ziele erfülle, die mit dem Sozialisierungsgesetz beabsichtigt waren, und zwar in besserer Weise als es bei der Durchführung des Gesetzes möglich sein würde. Er habe daher Gewissensbisse bekommen, ob unter diesen Umständen das Gesetz durchgeführt werden soll, nur um dem Prinzip einer Sozialisierung gerecht zu werden. Um diese Gewissensbisse zu beseitigen, habe er sich an seinen Parteivorstand gewandt, dem er den Vertrag vorgelegt habe. Der Parteivorstand habe sich einstimmig dahingehend ausgesprochen, daß voraussichtlich die überwältigende Majorität des Zentrums wünschen würde, das Sozialisierungsgesetz zurückzuziehen und dafür den vorliegenden Vertrag anzunehmen. Da ferner der Vertrag nur durch einen Beschluß des Kabinetts angenommen werden könnte, da die Verhandlungen im Plenum oder auch im Ausschuß der Nationalversammlung die notwendige Geheimhaltung nicht verbürgten, sehe er sich veranlaßt, von dieser Stimmung innerhalb seiner Partei Kenntnis zu geben, damit das Kabinett in seinem internen Kreise sich entschließen könne, den Vertrag anzunehmen, der das Sozialisierungsgesetz illusorisch mache. Dieses Gesetz müsse daher zurückgezogen werden.“

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In der Parallelüberlieferung heißt es dazu: „Der Herr Reichskanzler wandte sich dagegen, daß seitens eines Ministers eine Angelegenheit seinem Parteivorstand vorgelegt werde, bevor das Kabinett als solches habe Stellung nehmen können und beantragte daher, die Entscheidung auszusetzen und auch den übrigen Parteien der Regierung, der Mehrheitssozialdemokratie und den Demokraten, Gelegenheit zu geben, in gleicher Weise vorher Stellung zu nehmen. Es wurde schließlich beschlossen, dem interfraktionellen Ausschuß der drei Regierungsparteien die Angelegenheit zu unterbreiten und von seiner Stellungnahme die Entscheidung des Kabinetts abhängig zu machen. Zur Sache selbst wurden nun seitens des Herrn Minister Schmidt und seines Vertreters, Herrn v. Buttlar, Bedenken gegen den Vertragsentwurf erhoben. Es wurde auch von ihnen anerkannt, daß fiskalisch (finanziell) der Vertrag dem Reiche erhebliche Vorteile gewähre, insbesondere gegenüber dem bisherigen Zustand des bestehenden Vertrags mit der Eisen-Zentrale, der finanziell für das Reich sehr ungünstig ist. Vom wirtschaftlichen Standpunkt aus dagegen sei der neue Vertrag ungünstiger als der bisherige Zustand, und zwar wegen der unbeschränkten Vollmacht, die Ilsede gegeben würde bezüglich ihrer Preisbemessung den deutschen Hochofenwerken gegenüber. Das Reichswirtschaftsministerium müsse grundsätzlich auf seiner Preishoheit bestehen und dürfe nicht zulassen, daß einem einzelnen Privaten gegenüber, auch wenn bei ihm das Reich finanziell beteiligt sei, eine Ausnahme gemacht würde.“ Gestehe man der Ilseder Hütte den Verkauf ihrer Erze zu Weltmarktpreisen zu, während die übrigen dt. Erzeuger nur zu Selbstkosten plus angemessenem Gewinn verkaufen dürften, so würde der Ilseder Hütte bei einer Lieferverpflichtung (und Absatzgarantie) von 1 Mio t jährlich unter Anrechnung der Gestehungskosten ein Reingewinn von 44 Mio M „in Gestalt einer Liebesgabe auf Kosten der übrigen Volkswirtschaft“ zufließen.

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Die für den 13. 10. einberufene Sitzung wird auf den 14. 10. vertagt. Eine Aufzeichnung über diese Sitzung befindet sich im zweiten Teil des in Anm. 2 näher beschriebenen Aktenvermerks aus dem RWiMin. vom 16. 10. Einzelheiten s. Dok. Nr. 78.

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