2.149.2 (bru1p): 2. Fortsetzung der Aussprache über agrarpolitische Maßnahmen vom 24. Oktober 1930 (Punkt 4).

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2. Fortsetzung der Aussprache über agrarpolitische Maßnahmen vom 24. Oktober 1930 (Punkt 4).

Der Reichsminister der Finanzen nahm zu den Vorschlägen des Reichsministers für Ernährung und Landwirtschaft Stellung3. Er war mit der Erhöhung der Zollsätze für Weizen und Braugerste4 einverstanden und trat für die Herabsetzung des Zolles für Hartweizen zur Herstellung von Weizengrieß ein5. Den Zoll für Weizenkleie und Roggenkleie wünschte er einheitlich auf[562] 7,50 RM festgesetzt6. Den Zoll für Futtergerste wünschte er auf zunächst 8 RM und später auf 4 RM festgesetzt7. Bei Hirse trat er für einen Zoll von 9 RM ein8. Dem Beimischungszwang für Hopfen stimmte er zu. Für Gerste und Malz lehnte er ihn ab9. Mit dem Zwang zur Verwendung von Fett bei der Margarineherstellung war er als äußerste Maßnahme einverstanden10. Nach Ausführungen des Reichsministers für Ernährung und Landwirtschaft soll sie nur ergriffen werden, falls die freiwillige Einigung mit den Margarinefabriken darüber gefährdet sein sollte.

3

Vgl. Dok. Nr. 148, Anm. 24.

4

Der REM hatte in seiner Vorlage vom 23. 10. eine Erhöhung des Weizenzolls auf mindestens 20 RM je dz beantragt; nach dem Gesetz über Zolländerungen vom 15.4.30 (RGBl. I, S. 134 , Anm. zu Tarifnr. 3) mußte der Zoll für Gerste außer Futtergerste dem Weizenzoll angeglichen werden (Vorlage des REM in R 43 I /2544 , Bl. 341).

5

Durch VO über die Änderung des Zollsatzes für Weizen und Spelz vom 26.9.30 (RGBl. I, S. 458 ) war der Zollsatz auf 18,50 RM festgesetzt worden: s. Dok. Nr. 120, P. 1. Am 18. 10. hatte der RFM eine Zollsenkung für Hartweizen zur Herstellung von Weizengrieß auf 11,25 RM beantragt. Zur Begründung hatte er angeführt, daß Hartweizen durch inländischen Weizen nicht ersetzt werden könne. Da der Zollsatz für Weizengrieß durch den dt.-frz. Handelsvertrag vom 17.8.27 mit 18,75 RM gebunden sei (RGBl. II, S. 768 ), könnten die dt. Weizengrießmüller gegenüber den frz. nur bei der vorgeschlagenen Zollsenkung für Hartweizen konkurrenzfähig bleiben (R 43 I /2426 , Bl. 43–46).

6

Der REM hatte für Kleie aller Art den halben Weizenzoll vorgeschlagen (R 43 I /2544 , Bl. 340).

7

Schiele hatte dagegen die Erhöhung des Futtergerstezolls von 6 RM auf 18 RM gefordert (R 43 I /2544 , Bl. 340).

8

Nach dem Zollgesetz vom 25.12.1902 (RGBl. S. 313 , Tarifnr. 6) wurde ein Hirsezoll von 1,50 RM erhoben.

9

S. Dok. Nr. 148, Anm. 38.

10

Mit Schreiben vom 26.9.30 hatte der REM neben dem GesEntw. über den Beimischungszwang von Gerste und Hopfen einen GesEntw. über die Förderung der Verwendung inländischer tierischer Fette vorgelegt. Dieser GesEntw. ermächtigte die RReg. zu der Anordnung, daß jede im dt. Zollgebiet gelegene Margarinefabrik bei der Herstellung von Margarine Talg und Schmalz inländischer Herkunft verwenden mußte (§ 1). Zuwiderhandlungen sollten mit Geldstrafen bis zu 100 000 RM geahndet werden (§ 5). Der GesEntw., der sich an den von WP, Z, DVP, Landvolk, BVP und Bayer. Bauern- und Landvolkbund am 12.7.30 im RT eingebrachten Initiativantrag (RT-Bd. 443 , Drucks. Nr. 2326 ) anlehnte, war mit der äußerst bedenklichen Absatzkrise auf dem Vieh- und Fleischmarkt begründet worden (GesEntw. mit Begründung in R 43 I /2544 , Bl. 251–253; den GesEntw. nahm der REM in seine Vorlage vom 23. 10. auf: a.a.O., Bl. 335).

Vortragender Legationsrat Eisenlohr äußerte aus außenpolitischen Gründen gegen den Verwendungszwang von Fett Bedenken.

Ebenso Staatssekretär Dr. Trendelenburg. Die Margarinefabriken würden voraussichtlich ihre Verpflichtungen einhalten, das Fett werde aber mehr zur Seifenherstellung als zur Margarineherstellung verwendet werden. Würde der Zwang durch ein Gesetz festgelegt, so würde es schwierig sein, zu beweisen, daß das Fett zur Margarineherstellung geeignet sei.

Mit Rücksicht auf die Schwierigkeiten der Nachprüfung, die insbesondere vom Reichsminister der Finanzen geltend gemacht wurden, verzichtete der Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft auf den Roggenmehlbeimischungszwang für Weizenkleingebäck. Er beantragte die Zustimmung des Reichskabinetts zu dem Beimischungszwang in Höhe von 30% für Weizengroßbrot11. Voraussetzung sei die Bemessung des Weizenzolls auf 25 RM12. Die Verpflichtung der Gast-, Speise- und Schankwirtschaften, Roggenbrot auszulegen, soll zeitlich begrenzt werden. Den Bäckern soll gestattet werden, Weizengebäck jeder Art 10% Kartoffelmehl beizumengen13.

11

S. Dok. Nr. 148, Anm. 27.

12

Vgl. dagegen Anm. 4.

13

S. dazu Dok. Nr. 148, Anm. 43.

Eine Eindämmung der Bewegung, die auf Einschränkung des Roggenanbaues gerichtet sei, sei nicht zu befürchten. Die Bestellungsarbeiten seien bereits erledigt. Teilweise sei der Roggenanbau bis zu 14% auf Weizen umgestellt, im Durchschnitt auf 8%. 1931 werde der Roggen keine Schwierigkeiten mehr machen. Es bestehe eher die Gefahr, daß Weizen im Überfluß angebaut würde, wenn die Umstellung noch stärkere Ausmaße annähme.

[563] Der Reichsminister der Finanzen schlug vor, die Mehreinnahmen an Weizenzoll zur Deckung der Mindereinnahmen zu verwenden, die der Knappschafts- und Invalidenversicherung durch die Senkung der Lohnsteuer entständen.

Staatssekretär Dr. Geib begrüßte den Vorschlag des Reichsministers der Finanzen, die Mehrerträge des Weizenzolls zum Ersatz der Ausfälle bei der lex Brüning zu verwenden14. Er wies erneut, wie der Reichsarbeitsminister am Tage vorher15, darauf hin, daß die Lohnpolitik der letzten Zeit nur fortgeführt werden könne, wenn die Lebensmittelpreise und andere Massenkonsumgüter alsbald fühlbar gesenkt würden. Handelspolitische Experimente, durch welche die Ausfuhrmöglichkeiten gefährdet würden, müßten vermieden werden.

14

Die Z-Fraktion hatte am 20.4.29 den Antrag eingebracht, daß 75 Mio RM des Betrages, der das jährliche Lohnsteuereinkommen von 1300 Mio RM überstieg, zur Erleichterung der knappschaftlichen Pensionsversicherung verwandt werden sollte (RT-Bd. 435 , Drucks. Nr. 956 ). Der vom RT am 4.7.29 angenommene GesEntw. (RT-Bd. 425, S. 3092 ) war am Einspruch des RR gescheitert (RT-Bd. 437 , Drucks. Nr. 1301 ). Der RR hatte sich jedoch mit den Überweisungen des RFM an die Knappschaftsversicherung einverstanden erklärt (RT-Bd. 429, S. 106 ). Vgl. zur sog. Lex Brüning das Gesetz über die Beschränkung der Einnahmen aus der Lohnsteuer vom 3.9.25, RGBl. I, S. 331  und RGBl. 1927, S. 485 .

15

S. Dok. Nr. 148, P. 4.

Der Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft stimmte diesen Ausführungen in vollem Umfange zu.

Der Reichspostminister erklärte, die Beamten der Reichsbahn, des Reichsfinanzministeriums und der Post beabsichtigten, Lebensmittel vom Erzeuger unmittelbar zu beziehen. Er stellte der Erwägung anheim, ob der Öffentlichkeit davon Kenntnis gegeben werden solle.

Der Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft stellte eine Verlautbarung des Reichsministeriums für Ernährung und Landwirtschaft in diesem Sinne in Aussicht.

Zur Frage des Brennkontingents erklärte der Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft, daß er seinen Antrag auf Heraufsetzung auf sich beruhen lassen wolle16. Möglicherweise werde bei einer weniger günstigen Kartoffelernte im nächsten Jahre der große Brennstoffspiritusvorrat von Vorteil sein.

16

S. Dok. Nr. 148, Anm. 30.

Reichsminister Treviranus hielt die Steigerung der Beimischung von Spiritus zum Treibstoff im Laufe von 2½ Jahren für zu langsam. Es müsse möglich sein, sie in einem halben Jahr vorzunehmen17.

17

Vgl. Dok. Nr. 148, Anm. 40.

Wegen des Weizenkleiezolls wurde Übereinstimmung dahin erzielt, daß er, ebenso wie der Roggenkleiezoll, auf 10 RM festgesetzt werden solle. Die Frage der Weizenausfuhr18 solle Sonderbesprechungen der zuständigen Reichsminister vorbehalten bleiben.

18

S. Dok. Nr. 148, Anm. 26.

Nach eingehender Aussprache faßte das Kabinett folgende Beschlüsse:

1.

Der Weizenzoll wird auf 25 RM erhöht. Hartweizen zur Herstellung von [564] Weizengrieß erhält einen Zollsatz von 11,25 RM. Die Weizenzollerhöhung soll umgehend in Kraft gesetzt werden19. Die Mehreinnahmen aus dieser Zollerhöhung sollen der Knappschafts- und Invalidenversicherung zum Ausgleich ihrer Mindereinnahmen aus der Lohnsteuer zufließen.

2.

Der Braugerstezoll soll auf 20 RM je Doppelzentner erhöht werden. Damit erfolgt automatisch eine entsprechende Erhöhung des Malzzolles (34,75 RM).

3.

Die Zwischenzölle für Schmalz und Speck sollen beseitigt werden. Über den Zeitpunkt der Veröffentlichung dieses Beschlusses behält sich der Reichskanzler die Entschließung vor.

4.

Die Bindung des Futtergerstenzolls wird beseitigt. Der Futtergerstenzoll wird auf 18 RM erhöht. Bei Abnahme von Eosinroggen und Kartoffelflocken gemäß den geltenden Bestimmungen wird er auf 6 RM festgesetzt. Für später wird eine Ermäßigung dieses Zolles auf 4 RM bei entsprechender Abänderung des Eosinroggen- und Kartoffelflockenpreises in Aussicht genommen20.

5.

Der Zollsatz für Roggen- und Weizenkleie wird auf 10 RM je Doppelzentner erhöht.

6.

Der Zollsatz für Hirse wird auf 15 RM je Doppelzentner heraufgesetzt.

7.

Für das Weizengroßbrot (über 500 Gramm) wird ein Roggenmehlbeimischungszwang von 30 v. H. bestimmt.

8.

Die Beimischung von 10 v. H. Kartoffelstärkemehl zum Weizengebäck jeder Art ohne Kenntlichmachung soll gestattet werden.

9.

In Gast-, Speise- und Schankwirtschaften darf Brot nur angeboten, feilgehalten oder verkauft werden, wenn es den Vorschriften des Brotgesetzes entspricht.

10.

Die Reichsregierung soll ermächtigt werden, einen Verwendungszwang für inländischen Hopfen vorzuschlagen.

11.

Desgleichen soll die Reichsregierung ermächtigt werden zur Einführung eines Verwendungszwangs für einheimische tierische Fette21.

19

VO vom 25.10.30, RGBl. I, S. 480 .

20

Im Auftrag des REM bat MinDirig. Bose am 17. 11. um Änderungen in den Punkten 3 und 4 der Kabinettsbeschlüsse vom 25. 10. Zu P. 3 bat er um die Streichung des Satzes: „Über den Zeitpunkt der Veröffentlichung …“, da der Gedanke in dieser scharfen Form nicht zum Ausdruck gekommen sei. Am Rande des Kabinettsprotokolls wurde daraufhin ein Hinweis auf den entsprechenden Vermerk des MinR Feßler vom 18.11.30 (in R 43 I /2426 , Bl. 68–69) eingetragen.

P. 4 wurde entsprechend dem Vorschlag Boses geändert. Ursprünglich hieß der Kabinettsbeschluß: „Der Futtergerstenzoll wird auf 18 RM erhöht. Bei Abnahme von Eosinroggen und Kartoffelflocken gemäß den geltenden Bestimmungen wird er auf 6 RM festgesetzt. Für später wird eine Ermäßigung dieses Zollsatzes auf 4 RM in Aussicht genommen“.

21

Zum Fortgang der Agrarberatungen im Kabinett s. Dok. Nr. 152, P. 4.

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