1.232.1 (bru2p): Tarifkonflikt im Ruhrbergbau.

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Tarifkonflikt im Ruhrbergbau.

Der Reichskanzler setzte den Vertretern des Bergbaus entsprechend dem in der Vormittagssitzung des Reichskabinetts gefaßten Beschluß die Gründe auseinander, die die Reichsregierung zu dem Vorschlag veranlassen, den bisherigen Tarifzustand im Ruhrbergbau bis zum 31. Oktober d. Js. zu verlängern1.

1

S. Dok. Nr. 483.

Der Reichskanzler stellte in sichere Aussicht, daß die Reichsregierung sich im Laufe des Oktober in größerem Rahmen mit der Frage der Gestaltung des allgemeinen Lohnniveaus befassen werde.

Generaldirektor Dr. WiskottWiskott erwiderte, daß er zunächst nur für sich persönlich zu dem Vorschlage der Reichsregierung Stellung nehmen könne. Er glaube aber, daß der Ruhrbergbau auf den Vorschlag der Reichsregierung nicht[1732] eingehen werde. Die Unternehmer hätten in der Vergangenheit stets zu spät gehandelt. Aus dem Bestreben heraus, die Betriebe aufrecht zu erhalten, müsse jetzt etwas geschehen, und zwar in dem Ausmaße, wie es von den Unternehmern bei den Schlichtungsverhandlungen gefordert sei.

Der Reichskanzler machte darauf aufmerksam, daß [er] ein schroffes Vorgehen der Unternehmerschaft, das gerade im gegenwärtigen Augenblick sehr ungünstig wirken werde, da die Reichsregierung sich mit der Absicht trage, von der allgemeinen Verbindlichkeitserklärung in Zukunft keinen Gebrauch zu machen, für mißlich halte. Die Reichsregierung stehe auf dem Standpunkt, daß Lohnstreitigkeiten in Zukunft möglichst ohne zwangsweises Eingreifen der Reichsregierung beigelegt werden müssen.

Der Reichsarbeitsminister setzte auseinander, daß der Bergbau im Monat Oktober nicht isoliert behandelt werden könne. Die Reichsregierung werde höchstwahrscheinlich einen tariflosen Zustand nicht dulden können, da Unruhen im Ruhrgebiet die Folge sein würden, die man unter allen Umständen vermeiden müsse. Die Vertreter des Ruhrbergbaus glaubten die Gefahr von Unruhen nicht so ernst ansehen zu müssen wie dies von seiten der Reichsregierung offenbar geschehe. Sie glaubten ferner, daß der Ruhrbergbau durchaus isoliert von der übrigen Industrie behandelt werden könne. Wenn die Reichsregierung eine allgemeine Lohnsenkung für die Zukunft als sicher voraussehe, so sei nicht einzusehen, warum der Bergbau nicht schon im November mit einer gewissen Senkung vorangehen könne.

Der Reichsarbeitsminister setzte noch einmal auseinander, daß die Reichsregierung ursprünglich beabsichtigt habe, ihr Winterprogramm einheitlich zusammenzufassen, daß sie aber durch die Entwicklung der Dinge in England nunmehr genötigt sei, das Winterprogramm in zwei Etappen herauszubringen. Die budgetären Fragen müßten vorweg genommen werden, das Wirtschaftsprogramm werde nachfolgen müssen, sobald man Klarheit darüber habe, welche Auswirkungen der Sturz des englischen Pfundes zur Folge haben werde. Die Reichsregierung müsse darauf dringen, daß bis zu diesem Zeitpunkt der bisherige Zustand in der Wirtschaft möglichst unverändert bliebe.

Da die Vertreter des Bergbaus eine abschließende Erklärung nicht abgeben konnten, erbat der Reichskanzler deren endgültige Stellungnahme bis zum Abend des 25. September. Es wurde vereinbart, daß die Stellungnahme der Unternehmer ihm gelegentlich der Veranstaltung des Reichsverbandes der Deutschen Industrie, die am 25. September von 6 bis 8 Uhr stattfinden soll2, bekanntgegeben wird3.

2

Der RdI gab am 25.9.31 anläßlich des 70. Geburtstages seines bisherigen Vorsitzenden GehR Duisberg einen Empfang; der RK hielt eine Ansprache und überreichte Duisberg ein Handschreiben des RPräs. (DAZ Nr. 443–444 vom 27.9.31).

3

GenDir. Wiskott übersandte dem RK am 25.9.31 folgende Stellungnahme: „Der Ruhrbergbau ist angesichts des krassen Mißverhältnisses seiner Erlöse einerseits, seiner Selbstkosten andererseits nicht in der Lage, einer Hinausschiebung der von ihm als erforderlich nachgewiesenen Senkung der Löhne und Gehälter über den ersten Oktober d. J. hinaus zuzustimmen. Der Ruhrbergbau muß auf einer sofortigen Regelung dieser Frage um so mehr bestehen, als der inzwischen eingetretene Sturz der englischen Währung für die heute schon unzureichenden Absatzmöglichkeiten der Ruhrkohle weitere schwere Gefahren herbeiführt, denen, wenn überhaupt, nur durch sofortige fühlbare Selbstkostensenkung begegnet werden kann. Die Unruhegefahren, welche aus den bei Aufrechterhaltung der jetzigen Lohnhöhe unvermeidlichen Massenentlassungen erwachsen, erscheinen weit schwerwiegender als diejenigen, welche sich aus einer mit dem 1. Oktober einsetzenden Lohnsenkung ergeben können. Die Arbeitgeber des Ruhrbergbaus sind überzeugt, daß die übergroße Mehrheit der heute noch in Arbeit stehenden Ruhrbergarbeiter eine Weiterbeschäftigung zu herabgesetzten Löhnen weiteren Einschränkungen der Beschäftigungsmöglichkeit vorziehen wird“ (R 43 I /2056 , Bl. 235–236). Zur Reaktion der RReg. s. Dok. Nr. 486, P. 1.

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