2.165.1 (feh1p): Frage der Leistungen an die Entente.

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Frage der Leistungen an die Entente1.

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Gegenstand dieser Ministerratssitzung war die Besprechung der all. Note vom 29.1.1921 über die Entwaffnung und die Reparationen. Zum Wortlaut der Note s. RT-Drucks. Nr. 1640, Bd. 366 , Nr. 1.

Der Reichspräsident eröffnet die Sitzung.

Reichsminister Dr. Simons: Die Pariser Konferenz habe ein nichtvoraussehbares Ende gefunden. Lloyd George habe sich anfangs entschieden gegen die Pläne des französischen Finanzministers Doumer ausgesprochen. Dann sei zum Schluß doch eine Übereinstimmung erzielt worden, in der die französische Auffassung voll gesiegt hätte2.

2

Vom 24. 1. bis 29.1.1921 hatte in Paris eine interall. Konferenz stattgefunden, die über die Entwaffnungs- und Reparationsfrage verhandelt hatte.

Im Verlauf dieser Verhandlungen hatte der frz. Finanzminister Doumer in der Konferenzsitzung vom 26. 1. erklärt, daß Dtld. Gesamtreparationen in Höhe von 212 Mrd. GM zu leisten habe, die in Annuitäten von 12 Mrd. GM zu zahlen seien. Lloyd George hatte auf der Konferenzsitzung vom 27. 1. die Äußerungen Doumers scharf kritisiert. Die von Doumer vorgeschlagene Regelung sei eine Utopie, die sich nicht verwirklichen lasse. Lloyd George hatte vielmehr vorgeschlagen, daß die Ziffern der dt. Schuld festgestellt werden sollten, daß die dt. Finanzen saniert werden sollten und daß schließlich das gesamte Reparationsproblem auf einer gemeinsamen Konferenz mit Dtld. erörtert werden sollte.

Zu den Einzelheiten dieser Konferenz s. DBFP, 1st Series, Vol. XV, p. 1–124; Schultheß 1921, II, S. 232 f.; C. Bergmann, Der Weg der Reparation, S. 79 f. und D’Abernon, Ein Botschafter der Zeitenwende, Bd. 1, S. 132 f.

Nach dem Inhalt der letzten Note seien sowohl in der Reparationsfrage wie in den militärischen Fragen die von uns geltend gemachten Gesichtspunkte völlig außer acht gelassen. Zu den militärischen Fragen seien auch die „Sanktionen“ mitgeteilt worden, in der Reparationsfrage nur die „propositions“3. Über diese solle in einer Konferenz in London mit bevollmächtigten deutschen Delegierten verhandelt werden4. Auffällig sei der Nachdruck, mit dem die Note mitteile, daß die Beschlüsse von den Alliierten einstimmig angenommen seien. Dies beweise, daß eine Chance zu Änderungen in London nicht gegeben sei.

3

Die all. Note vom 29.1.1921 (s. o. Anm. 1) unterschied zwischen „conclusions“ in der Entwaffnungsfrage und „propositions“ in der Reparationsfrage (Mantelnote Briands v. 29.1.1921, RT-Drucks. Nr. 1640, Bd. 366, S. 6 ).

Bei den Verstößen von dt. Seite gegen die Entwaffnungsbestimmungen wie auch gegen die Reparationsvorschläge hatten sich die Alliierten Strafmaßnahmen vorbehalten.

4

Gleichzeitig war in der Note der Alliierten eine Einladung an die dt. Reg. zu einer Konferenz nach London für Ende Februar ausgesprochen worden.

[441] Von den Militärfragen5 sei außenpolitisch die Bestimmung, die uns an der Ostfront schon im Februar völlig waffenlos mache, von der größten Bedeutung. Von großer innerpolitischer Tragweite seien die Bestimmungen betreffend die Schutzorganisationen, über die Auflösungsgesetze bis zum 15. März ergehen müßten, deren Durchführung bis zum 30. Juni verlangt werde.

5

Die militärischen Bestimmungen der all. Note bezogen sich auf das Reichswehrgesetz, das als ungenügend angesehen wurde, auf die Organisation des RWeMin., dessen Personalstärke als überhöht bemängelt wurde, sowie auf die Ablieferung und Zerstörung des Kriegsmaterials und der Festungsbewaffnung bis zum 28.2.1921. Ferner wurde die Auflösung der Selbstschutzorganisationen bis zum 30.6.1921 und die sofortige Aufhebung der unter neuem Namen noch bestehenden Sicherheitspolizeiformationen gefordert. Ähnlich genaue Bestimmungen wurden auch für die Ausführung der Marine- und Luftfahrtklauseln des VV erlassen. Sollte Dtld. diesen Verpflichtungen innerhalb der Vorschriften und der gesetzten Fristen nicht nachkommen, drohten die Alliierten Sanktionen an. Zu den Einzelheiten s. RT-Drucks. Nr. 1640, Bd. 366, S. 9 –17.

Die hier besonders angesprochene Bestimmung bezog sich auf die Festungen Küstrin und Boyen, die vollständig entwaffnet werden mußten, sowie auf die Festung Königsberg, in der nur 22 Geschütze zugelassen wurden. Siehe dazu auch Dok. Nr. 136, P. 4.

Zur Reparation6 würden 42 Annuitäten zwischen zwei und sechs Milliarden Goldmark verlangt, die im ganzen 226 Milliarden ergäben. Dies sei gegenüber dem Programm von Boulogne ein Minus von 43 Milliarden7; dies werde dadurch ausgeglichen, daß Deutschland außer den Annuitäten 12% des Wertes der deutschen Ausfuhr an die Entente abführen solle.

6

Die Reparationsvorschläge der all. Note sahen die Zahlung von insgesamt 226 Mrd. GM vor, die auf 42 Annuitäten verteilt werden sollten. Es begann mit 2 Annuitäten von 2 Mrd. GM, dann folgten je 3 Annuitäten von 3,4 und 5 Mrd. GM, und es endete mit 31 Annuitäten von je 6 Mrd. GM. Ferner sollten zusätzlich 12% der dt. Ausfuhr als Reparationsleistung gezahlt werden. Zur Durchführung und Sicherung der Zahlungen hatten die Alliierten ein genaues Verfahren vorgeschrieben, durch das die dt. Wirtschafts- und Finanzpolitik einer strengen all. Kontrolle unterworfen wurde. Zu den Einzelheiten s. RT-Drucks. Nr. 1640, Bd. 366, S. 19 –23.

7

Zum Zahlungsplan von Boulogne s. Dok. Nr. 6, Anm. 11.

Als Sicherheit für die Annuitäten sollten Bonds an die Entente gegeben werden, die halbjährlich vom November 1921 bis 1. Mai 1963 fällig würden.

Keinerlei Kreditoperationen dürften ohne Genehmigung der Reparationskommission vorgenommen werden. Dies gelte nicht nur für Reich und Länder, sondern auch für alle Gesellschaften, die in irgendeiner Form der Kontrolle der Regierung unterständen. Es sei ein General-Zolleinnehmer zu ernennen, dessen Ernennung die Reparationskommission zuzustimmen hätte. Falls die deutsche Regierung mit den Zahlungen im Rückstand bleibe, so könnten die gesamten Zölle beschlagnahmt werden, die Reparationskommission die Zollverwaltung in die Hand nehmen und die deutsche Regierung in Konkurs erklärt werden. Dies seien die wesentlichen Gesichtspunkte der Note; sie bereite die Überführung des Reichs in eine Finanzkontrolle nach ägyptischem Muster vor. Er, der Minister, halte es für vollkommen unmöglich, auf dieser Basis zu verhandeln; man dürfe sich nicht auf den Weg zu Verhandlungen in London drängen lassen, denn das könnte nur den Erfolg haben, daß man bei späterer Ablehnung der Vorschläge in London ein noch größeres Odium auf sich nehme. Er empfehle daher, ohne Zeitverlust zu der Note negativ Stellung zu nehmen und dies dem deutschen Volke und der ganzen Welt unzweideutig zu erklären.

[442] Der Minister teilt des weiteren mit, daß die Anregung ergangen sei, der Reichstag solle sich heute vertagen. Er, der Minister, werde nach Beginn der Sitzung dem Reichstag vom Eintreffen der Note Kenntnis geben; die Vertagung würde dann beschlossen und die Besprechung der Konferenz auf die Tagesordnung der morgigen Sitzung gesetzt werden8.

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Die unmittelbar anschließende RT-Sitzung wurde nach einer kurzen Erklärung von RAM Simons um 13.38 Uhr vertagt. Siehe dazu RT-Bd. 347, S. 2297 –2298.

RIM Koch notiert dazu in seinen „Aufzeichnungen“ unter dem Datum des 31.1.1921: „Eben ist es so unfeierlich gegangen, wie ich dachte. Simons hat erklärt, wie dick die Note sei, wie sie disponiert sei und daß sie noch nicht ganz übersetzt sei. Morgen werde er mehr sagen. ‚Unter dem Eindruck dieser Ausführungen‘ beantragte dann Löbe Vertagung. Unfeierlich, inhaltlos, eindruckslos. Die Auslandspresse wird melden, daß die Note ruhig aufgenommen ist!

Simons hat ‚leere Stellen‘, hat neulich ein Volksparteiler zu Heinze gesagt. Das ist treffend.“ (Nachlaß Koch-Weser  27, Bl. 373).

ReichspräsidentEbert schlägt vor, heute um 4 Uhr die Beratung des Kabinetts fortzusetzen. Das Kabinett beschließt dementsprechend9.

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Siehe dazu weiter Dok. Nr. 166.

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