2.140 (lut1p): Nr. 140 Aufzeichnung des Staatssekretärs Kempner über eine Besprechung zur außenpolitischen Lage am 4. August 1925

Zum Text. Zur Fußnote (erste von 4). Zu den Funktionen. Zum Navigationsmenü. Zum Navigationsbaum

 

Bandbilder:

Die Kabinette Luther I und II (1925/26), Band 1.Das Kabinett Luther I Bild 102-02064Reichspräsident Friedrich Ebert verstorben Bild 102-01129Hindenburgkopf Bild 146-1986-107-32AStresemann, Chamberlain, Briand Bild 183-R03618

Extras:

 

Text

RTF

[469] Nr. 140
Aufzeichnung des Staatssekretärs Kempner über eine Besprechung zur außenpolitischen Lage am 4. August 1925

R 43 I /424 , Bl. 505

Am 4. August 1925, 1 Uhr, fand in der Reichskanzlei eine Besprechung über die außenpolitische Lage statt, an der der Herr Reichskanzler, der Herr Reichsminister Dr. Stresemann und die Staatssekretäre von Schubert und Dr. Kempner teilnahmen.

Minister Stresemann und Staatssekretär von Schubert machten davon Mitteilung, daß der englische Botschafter Lord D’Abernon sondiert habe, um die Absicht der Deutschen Reichsregierung über eine etwaige, in kurzer Zeit einzuberufende Konferenz der hauptbeteiligten Länder (Außenministerkonferenz) zur Sicherheitsfrage kennenzulernen1. Lord D’Abernon gab dabei zu erkennen, es würde ihm erwünscht sein, wenn er nach London telegrafieren könnte, daß die baldige Abhaltung einer solchen Konferenz von der Deutschen Reichsregierung gewünscht würde. Er äußerte auch die Ansicht, daß dieser Konferenz zweckmäßig wohl eine Zusammenkunft von Sir Cecil Hurst, Herrn Fromageot und Herrn Gaus vorausgehen würde. Staatssekretär von Schubert habe dem englischen Botschafter erwidert, daß er eine vorausgehende Zusammenkunft dieser drei hervorragenden Juristen nicht als zweckmäßig ansehen könne. Zur Frage einer Ministerkonferenz sei Lord D’Abernon mitgeteilt worden, der deutsche Außenminister würde sich alsbald mit dem Reichskanzler in Verbindung setzen, um dessen Meinung einzuholen.

1

Über diese Unterredung Stresemanns mit D’Abernon, die am 3. 8. stattgefunden hatte, s. die Aufzeichnung des RAM gleichen Datums in: Stresemann, Vermächtnis, Bd. II, S. 163 ff. Eine Aufzeichnung v. Schuberts in R 43 I nicht ermittelt.

In der Besprechung in der Reichskanzlei kam man zu folgendem Ergebnis:

Eine der Ministerkonferenz vorausgehende Zusammenkunft der Juristen müsse vermieden werden, denn man könne nicht formulieren, bevor man wisse, was man materiell wolle2. Zur Ministerkonferenz solle der Außenminister den englischen Botschafter darüber unterrichten, daß er in diesen Tagen die Auffassung des Reichskanzlers nicht endgültig feststellen könne, da[470] dieser durch die politische Behandlung der Steuer- und Zollvorlagen übermäßig in Anspruch genommen ist3.

2

Am 6. 8. berichtet Dufour aus London, er habe Lampson auf die dt. Bedenken gegenüber einer Juristenkonferenz hingewiesen und dazu ausgeführt: „Fromageot und Hurst hätten, wie es scheine, einen Entwurf zu einem Sicherheitspakt bereits ausgearbeitet, der wahrscheinlich ihren Regierungen bekannt, vielleicht sogar von ihnen sanktioniert sei. In welch’ ungünstige, ja schiefe Lage würde Gaus versetzt werden, wenn Deutsche Regierung ihn beauftragen sollte, dies hochpolitische Dokument mit den beiden anderen Juristen zu besprechen. Die Situation würde für ihn eine unmögliche sein.“ Eine ersprießliche Zusammenarbeit der Juristen lasse sich daher nur denken, wenn die RReg. vorher von dem ausgearbeiteten Paktentwurf Kenntnis erhielte. Ohne sich verpflichten zu wollen, habe Lampson seiner Argumentation zugestimmt und eine entsprechende Unterrichtung Chamberlains zugesagt. Entschieden werden könne die Frage aber erst nach Rücksprache mit Briand, der in den nächsten Tagen nach London komme. „Die Schwierigkeit bei der Regelung der ganzen Angelegenheit wäre, daß die Französische Regierung strikt ablehne, in irgendwelche mündlichen Verhandlungen mit offizieller deutscher Delegation zu treten, ehe nicht […] grundsätzliche Verständigung mit der Britischen Regierung erzielt sei.“ (Telegramm Nr. 429 in R 43 I /445 , Bl. 28-30).

3

StS v. Schubert weist in einer Besprechung am 8. 8. (hier nicht abgedr.), an der auch Luther, Stresemann und Kempner teilnehmen, auf die dringende Notwendigkeit hin, „daß man sich im Kreise der maßgebenden Minister über das einzuschlagende Ziel klar würde, denn es sei sonst für das Auswärtige Amt unmöglich, diplomatische Unterhaltungen mit den hiesigen Botschaftern und Gesandten zu führen.“ Daraufhin sagt Luther die Einberufung einer erneuten Besprechung im kleinsten Kreise zu, in der Fragen des Art. 16, der Schiedsgerichte und die Garantiefrage zur Erörterung kommen würden (R 43 I /424 , Bl. 506). Eine Aufzeichnung konnte hierzu in R 43 I nicht ermittelt werden.

Im übrigen war man sich darüber einig, daß der Gedanke einer Ministerkonferenz nicht abgelehnt werden kann. Es sei aber im Auge zu behalten, daß man vor Annahme einer Einladung das Programm kennen müsse sowie daß gemäß der durch Herrn Reichsminister Stresemann gegenüber Lord D’Abernon getanen Äußerung an solcher Konferenz der Außenminister nicht allein teilnehmen könne, sondern die Beteiligung noch eines deutschen Regierungsmitgliedes, wohl des Reichskanzlers, notwendig sei. Denn es würde für einen deutschen Minister eine nicht erträgliche psychische Belastung sein, als einziger Unterhändler drei Ministern aus den alliierten Ländern gegenüberzustehen4. Auch für die Wahl des Zeitpunktes solcher Konferenz müsse noch die Stellungnahme offengehalten werden.

4

Gegenüber D’Abernon hatte Stresemann am 3. 8. (s. Anm. 1) dem noch hinzugefügt, die „weit rechts stehenden Kreise in Deutschland“ würden „eher Ruhe halten“, wenn er und Luther gemeinsam mit den All. verhandelten.

Kempner 5. 8.

Extras (Fußzeile):