2.31 (str1p): Nr. 31 Der Reichswehrminister an den Reichskanzler. 29. August 1923

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Text

RTF

Nr. 31
Der Reichswehrminister an den Reichskanzler. 29. August 1923

R 43 I /685 , Bl. 100–1061

1

Das Schreiben entstand im Referat T. 1 III des RWeMin.

[Betrifft: Zeitungsartikel und Denkschrift des sächsischen Polizeioberst Schützinger.]

In der „Dresdener Volkszeitung“ vom 24. 8. hat der sächsische Polizeioberst Schützinger einen Artikel „Kriegsgefahr“ veröffentlicht. Er bespricht die Pressenachricht, daß „unter dem Regime Cuno-Geßler eine ‚schwarze Reichswehr‘ in der Stärke von etwa 800 000 Mann, bestehend aus den rechtsradikalen Organisationen gebildet worden sei“1a, und schildert die furchtbaren Schrecken eines Krieges gegen Frankreich, dem diese Rüstungen hauptsächlich gegolten hätten, in den grellsten Farben. Während er zunächst aber, wohl um die dem Landesverrat gleichzuachtenden Folgen seines Artikels etwas zu mildern, die Richtigkeit der angeführten Pressenachricht als ungewiß hinstellt, unterstellt er sie gegen Schluß seines Aufsatzes als sicher: „Wir wollen jene Bestien nur an die Kette legen, die berufsmäßig die Einpeitscher der Völkerverhetzung und der Kriegsverewigung sind! Kleine Nippfiguren waren Kanzler und Wehrminister in ihren Händen! Die mußten es ja glauben, was sie ihnen sagen, die Herren ‚Fachleute‘, denen die Republik sozusagen überantwortet worden war. Und wenn nun grollend wie ein unterirdischer Orkan das Sturmlied durch die Werkstätten, die Schächte und Gruben der deutschen Arbeiterschaft hallt: Weg mit ihnen! so ist es nicht, um den gutgläubigen Männern, die Werkzeuge der blutheischenden Reaktion gewesen, weh zu tun, sondern um der ganzen Welt laut zeugend unsern heiligen Willen zu bekennen: ‚Wir wollen nicht wieder Menschen[145] abschlachten im Fieberwahn der Kriegspsychose um einiger weniger willen! Wir wollen Frieden!‘“

1a

Zur Zusammenarbeit zwischen Reichswehr und „schwarzer Reichswehr“ sowie rechten Organisationen Das Kabinett Cuno, Dok. Nr. 172; F. L. Carsten, Reichswehr und Politik, S. 176 ff.; Th. Vogelsang, Reichswehr Staat und NSDAP, S. 34 ff.

Es berührt eigentümlich, wenn man mit diesem Pazifismus, der in seiner Leidenschaftlichkeit so weit geht, daß ihm die außenpolitischen Wirkungen seiner „Enthüllungen“ letzten Endes gleichgültig zu sein scheinen, die Stellung des Obersten Schützinger zum Bürgerkrieg vergleicht. Ich gestatte mir, eine Denkschrift beizulegen, aus der diese hinreichend klar hervorgeht2. Es strebt darin die Bildung einer „schwarzen Polizei“ von 15 000 Mann in Sachsen, von 6000 Mann in Thüringen an, die als „Polizeiarmee“ eine festgefügte Truppe für den „Feldkrieg“ – natürlich nur im Innern – darstellen soll; für den Aufmarsch dieser Armee für den Bürgerkrieg werden Vorschläge gemacht. Zwar soll diese Truppe nur der Verteidigung gegen die „süddeutsche Reaktion“ dienen – aber auch der angeblichen „schwarzen Reichswehr“ wirft Oberst Schützinger ja nicht vor, daß sie einen Eroberungskrieg hätten führen wollen, sondern Krieg überhaupt; und die „Hilfspolizei“, einmal gegründet, wird zu allen Zwecken des Bürgerkriegs verwendet werden können. Die Mittel, die Oberst Schützinger dem Auslande gegenüber verwirft, erscheinen ihm demnach gegen Deutsche recht und billig.

2

S. Anlage zu diesem Schreiben.

Die bisherigen Beziehungen zwischen dem Obersten Schützinger und der Reichswehr sind in dem hiesigen Schreiben Nr. 415. T 1 III pers. dargelegt3. Ich möchte es nach Möglichkeit vermeiden, meinerseits in der Öffentlichkeit einen Kampf zu führen, der bei den Methoden der jetzigen Mitglieder und Organe der sächsischen Regierung dem Auslande in erster Linie zu Gute kommen würde. Ich muß aber die dringende Bitte des erwähnten Schreibens, durch ein Eingreifen von dort aus baldigst Abhilfe zu schaffen, erneuern; dabei möchte ich die Frage, ob Oberst Schützinger weiterhin für seine Stellung in der sächsischen Polizei geeignet erscheint, erneut aufzuwerfen; es erscheint mir ein unmöglicher Zustand, daß Länder in der von ihm erstrebten Weise zum Bürgerkriege rüsten dürften4.

3

S. Dok. Nr. 17.

4

Zum Fortgang s. Dok. Nr. 53.

I. V.

Seeckt

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