1.108 (vpa2p): Nr. 237 Der Reichskanzler an den Preußischen Ministerpräsidenten Braun. 30. November 1932

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Nr. 237
Der Reichskanzler an den Preußischen Ministerpräsidenten Braun. 30. November 1932

GehStArch. Berlin Rep. 84 a/4388, Bl. 182–186 Abschrift1

1

Das Schreiben nicht bei den Akten der Rkei. Es wurde, wie aus Kanzleivermerken (Geh-StArch. Rep. 84 a/4388) hervorgeht, im Büro des RKomPrIMin. Bracht geschrieben und von dort den übrigen Reichskommissaren zugeleitet. Zur Vorberatung s. Dok. Nr. 235, P. 2.

[Befugnisse des Preußischen Staatsministeriums und der Kommissare des Reichs für Preußen nach dem Urteil des Staatsgerichtshofs vom 25. Oktober 1932]

Sehr geehrter Herr Ministerpräsident!

Der Herr Reichspräsident hat mich in Nr. 11 des auf Grund des Artikel 48 Absatz 2 der Reichsverfassung ergangenen Erlasses vom 18. November 19322 mit der Ausführung der in diesem Erlaß getroffenen Maßnahmen beauftragt. Hiernach sehe ich mich veranlaßt, zu dem Erlaß des Preußischen Staatsministeriums über die Weiterführung der Geschäfte vom 24. November 1932 (St.M. 3006)3 Folgendes festzustellen:

2

Zu dem Erlaß des RPräs. s. Dok. Nr. 220 (Anlage).

3

Dok. Nr. 230.

1. Die durch das Preußische Staatsministerium angeordnete Behandlung der an das preußische Staatsministerium, den Preußischen Ministerpräsidenten und die Fachminister gerichteten Briefe (IV Absatz 2 und V Absatz 2 und Absatz 4) ist geeignet, Mißverständnisse hervorzurufen und den Geschäftsgang zu gefährden. Es wird von mir nicht bestritten, daß im Sinne des Urteils des Staatsgerichtshofs für das Deutsche Reich vom 25. Oktober 1932 Sie, Herr Ministerpräsident, „der Preußische Ministerpräsident“, die von Ihnen in I des Erlasses aufgeführten Herren „die Preußischen Minister“ sind und daß Sie zusammen mit den genannten Herren Staatsministern „das Preußische Staatsministerium“ und „die Preußische Landesregierung“ bilden. Daraus kann jedoch nicht gefolgert werden, daß Briefe, die an das Preußische Staatsministerium oder an den Herrn Ministerpräsidenten oder daß Briefe, die z. B. an das Preußische Ministerium des Innern oder an den Herrn Preußischen Minister des Innern gerichtet werden, tatsächlich auch für Sie, Herr Ministerpräsident, für das preußische Staatsministerium[1032] oder für die Herren Minister bestimmt sind. Die Absicht der Absender solcher Briefe geht vielmehr ohne jeden Zweifel dahin, das Schreiben derjenigen Stelle zugehen zu lassen, die mit den Aufgaben des preußischen Staatsministeriums oder der einzelnen Minister sachlich betraut ist. Die mir und den von mir bestellten Kommissaren des Reichs zufolge der Verordnung des Herrn Reichspräsidenten vom 20. Juli 1932 übertragenen Zuständigkeiten überwiegen aber ohne Zweifel völlig die zufolge des Urteils des Staatsgerichtshofs vom 25. Oktober 1932 bei Ihnen, Herr Ministerpräsident, bei dem Staatsministerium und den Herren Preußischen Staatsministern verbliebenen Geschäfte. Unter diesen Umständen müssen Briefe, die die Anschrift „Preußisches Staatsministerium“, der „Preußische Ministerpräsident“ oder „Der Minister …“ tragen, in den von mir und den Kommissaren des Reichs bestimmten Räumen geöffnet und zunächst mir oder den von mir bestellten Kommissaren oder den ihnen unterstellten Beamten der Ministerien vorgelegt werden, es sei denn, daß sie ausdrücklich die Anschrift „Leipziger Str. 3“4 tragen oder sonst durch die Art der Anschrift (z. B. Beifügung des Namens) erkennen lassen, daß sie persönlich für Sie, Herr Ministerpräsident, oder einen der Herren Staatsminister bestimmt sind. In diesen Fällen wird die unverzügliche Weitergabe ebenso erfolgen, wie ich erwarten muß, daß entsprechend für die Kommissare des Reichs bestimmte Schreiben, die etwa bei Ihnen, Herr Ministerpräsident, oder bei den Herren Staatsministern eingehen, an mich oder die zuständigen Kommissare des Reichs weitergeleitet werden, ohne daß die Öffnung der Briefe erfolgt. Selbstverständlich werden geöffnete Schreiben, bei denen sich aus dem Inhalt ergibt, daß sie für Sie oder die Herren Staatsminister bestimmt sind, unverzüglich Ihnen oder dem zuständigen Herrn Minister zugeleitet werden.

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Amtsgebäude des auf Grund der VO vom 29.10.32 (Pr. Gesetzsammlung, S. 333) aufgehobenen pr. Ministeriums für Volkswohlfahrt, in dem der PrStReg. Braun seitens der Kommissariatsregierung Diensträume zur Verfügung gestellt worden waren. Vgl. Dok. Nr. 182, 184, 188, 189, 192.

2. Die Grundsätze zu I finden auch bei Einladungen zu kommissarischen Besprechungen mit Reichsministern und allen übrigen Schreiben, bei denen es sich um die Vertretung des Reichs gegenüber dem Lande Preußen handelt, Anwendung.

3. Die vom Preußischen Staatsministerium getroffene Anordnung, betr. die Inanspruchnahme von Beamten, steht insoweit im Widerspruch mit Nr. 10 des Erlasses des Herrn Reichspräsidenten, als dort bestimmt ist, daß eine Inanspruchnahme durch die Vermittlung des zuständigen Staatssekretärs zu erfolgen hat. Die Beamten sind auf die Befolgung der Ziffer 10 des Erlasses des Herrn Reichspräsidenten erneut hingewiesen worden.

Im übrigen kann sich die Inanspruchnahme von Beamten nur auf die Wahrnehmung der Ihnen, Herr Ministerpräsident, und den Herren Staatsministern verbliebenen Zuständigkeiten erstrecken. Ich stelle mit Bedauern fest, daß das Preußische Staatsministerium in seinem Erlaß vom 24. November 1932 sich dazu verstanden hat, der Beamtenschaft mitzuteilen, daß die Preußische Staatsregierung die Aufhebung der nach ihrer Ansicht „sachlich ungerechtfertigten Maßnahme“ des Herrn Reichspräsidenten anstrebe, und daß des weiteren bemerkt[1033] wird, es sei zwischen der Staatsregierung oder den Reichskommissaren strittig, ob noch andere als die in dem Urteil des Staatsgerichtshofs ausdrücklich aufgeführten Punkte zu den unübertragbaren Zuständigkeiten gehörten. Durch derartige Mitteilungen wird eine Unsicherheit in die Beamtenschaft gebracht, die im Interesse der Aufrechterhaltung eines geordneten Dienstbetriebes, und somit der Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, kaum zu ertragen ist.

4. Das Begnadigungsrecht steht nach Nr. 6 des Erlasses des Herrn Reichspräsidenten vom 18. November 1932 den Kommissaren des Reichs zu. Die Ausführungen in der Anlage Ihres Erlasses vom 24. November 1932 sind m. E. rechtlich unzutreffend; sie sind geeignet, den durch den Erlaß des Herrn Reichspräsidenten festgelegten Rechtszustand zu stören und Unruhe in die Bevölkerung in einer Angelegenheit zu tragen, die für das Schicksal der betroffenen Personen von größter Bedeutung ist. Ich kann mein lebhaftes Bedauern nicht unterdrücken, daß Sie, Herr Ministerpräsident, die Hand zu einem solchen kaum zu verantwortenden Vorgehen geboten haben. Es verbleibt bei der vom Herrn Reichspräsidenten getroffenen Anordnung5.

5

Zum Fortgang in der weiterhin strittigen Begnadigungsfrage s. Anm 7 zu Dok. Nr. 178.

5. Der Erlaß des Preußischen Staatsministeriums über die Weiterführung der Geschäfte vom 24. November 1932 bezieht sich lediglich auf dienstliche Obliegenheiten eines Teiles der Beamtenschaft der Ministerien. Insoweit ist für seine Bekanntgabe Sorge getragen. Ein Anlaß zu weiterer amtlicher Verbreitung des Erlasses besteht um so weniger, als es sich lediglich um eine Regelung des inneren Dienstbetriebs handeln kann. Die Weitergabe des Erlasses an die gesamte Beamtenschaft würde dem staatlichen Interesse widersprechen, sie wäre nur geeignet, Mißverständnisse und Beunruhigung innerhalb der Beamtenschaft hervorzurufen. Ich habe daher angeordnet, daß die von Ihnen gewünschte Veröffentlichung im Reichs- und Staatsanzeiger und in den Ministerialblättern unterbleibt. Dies entspricht der bisher üblichen Behandlung von Anordnungen, die sich auf den inneren Dienstbetrieb beziehen.

In ausgezeichneter Hochachtung

gez. von Papen.

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