1.245.1 (bru3p): 1. Abschließende Beratung über das Arbeitsbeschaffungsprogramm

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1. Abschließende Beratung über das Arbeitsbeschaffungsprogramm

a) Wasserstraßen,

b) Straßenbau.

Der Reichsverkehrsminister legte den als Anlage 1 der Niederschrift beigefügten Entwurf einer Verordnung zur Förderung öffentlicher Arbeiten, insbesondere auf dem Gebiet des Verkehrswesens, der Wasserwirtschaft und landwirtschaftlichen Bodenverbesserung vor1. Er erläuterte den Inhalt und teilte mit, daß die beteiligten Ressorts, das Reichsjustizministerium, das Reichsministerium des Innern und das Reichsfinanzministerium, dem Entwurf zugestimmt hätten. Insbesondere[2545] seien die Rechtsfragen, namentlich bezüglich der vorgesehenen Enteignungsmaßnahmen mit dem Reichsminister des Innern und dem Reichsministerium der Justiz eingehend besprochen worden2. Der Wortlaut sei mit diesen gemeinsam formuliert worden.

1

Der VoEntw. „Arbeitsbeschaffung“ enthielt fünf Paragraphen. § 1 benannte das Notstandsprogramm öffentlicher Arbeiten zur Behebung der Arbeitslosigkeit auf dem Gebiet des Verkehrswesens, der Wasserwirtschaft und der landwirtschaftlichen Bodenverbesserung. Die RReg. konnte diese Arbeiten als gemeinnützig und zusätzlich im Sinne der §§ 139 und 139 a AVAVG erklären. Zusätzlich mußten diese Arbeiten auch insofern sein, als dafür keine Mittel aus den ordentlichen Haushalten der Länder und Gemeinden vorgesehen sein durften. Die Befugnisse für die Durchführung der Notstandsarbeiten wurden dem PräsRAfAuA übertragen. § 2 ermächtigte die Landesregg., Abweichungen von den landesrechtlichen Vorschriften über die Aufnahme von Darlehen zuzulassen. Der RFM wurde im § 3 ermächtigt, für die Darlehen Reichsbürgschaften zu übernehmen. § 4 enthielt die Ermächtigung für den RVM zur Enteignung von Grundstücken zugunsten der Notstandsarbeiten nach Feststellung des RPräs. über die Zulassung der Enteignung. § 5 ermächtigte die RReg. zum Erlaß von Durchführungsbestimmungen (Abdruck in R 43 I /1456 , S. 167–171).

2

Vgl. dazu Dok. Nr. 757, Anm. 3.

Der Reichskanzler stellte die Frage, ob die Länder mit den Vorschlägen des Entwurfs einverstanden seien.

Der Reichsverkehrsminister erklärte, Bayern sei einverstanden, eine Reihe anderer Länder auch. Einige kleinere Länder seien allerdings nicht gefragt worden. Bayern sei zugesagt worden, daß die Durchführung ihm überlassen werde. Baden und Württemberg gegenüber sei dasselbe beabsichtigt.

Es wurde sodann die Möglichkeit besprochen, daß einige Länder sich der Durchführung des Programms entziehen würden.

Staatssekretär Zweigert stellte fest, daß im § 2 des Entwurfs die Ermächtigung der Landesregierungen, Abweichungen von den landesrechtlichen Vorschriften über die Aufnahme von Darlehen usw. zuzulassen, dahin ergänzt werden könne, daß die Landesregierungen auf Verlangen der Reichsregierung verpflichtet seien, solche Abweichungen zuzulassen.

Der Reichskanzler warf die Frage auf, ob es sich nicht empfehle, wenigstens mit den größeren Ländern wegen dieser Maßnahmen, die das Landesrecht berühren, nochmals zu verhandeln und eine ausdrückliche Verständigung herbeizuführen.

Nach weiterer Aussprache wurde Übereinstimmung dahin erzielt, daß eine Ermächtigung der Landesregierungen erfolgen solle entsprechend der in der Anlage 2 der Niederschrift abgeänderten Formulierung des Paragraphen 23.

3

Der neugefaßte § 2 lautete: „Die Landesregierungen werden ermächtigt, Abweichungen von den landesrechtlichen Vorschriften hinsichtlich der Aufnahme von Darlehen und Anleihen durch die Länder, Gemeinden, Gemeindeverbände und öffentlich-rechtlichen Genossenschaften und hinsichtlich deren Genehmigung durch die Aufsichtsbehörde zuzulassen“ (R 43 I /1456 , S. 173).

Der Reichskanzler stellte danach die finanzielle Regelung des Wasserstraßenbauprogramms zur Erörterung und bat um Mitteilung, ob zwischen der Reichsbank und der Gesellschaft für öffentliche Arbeiten eine Verständigung über alle Fragen erzielt sei4.

4

Vgl. Dok. Nr. 757, P. 1.

ReichsbankvizepräsidentDreyse teilte mit, daß noch nicht alle Einzelheiten geklärt seien; über einige Einzelfragen müsse noch verhandelt werden. Die Reichsbank gehe bei den Verhandlungen von der Erwartung aus, daß möglichst wirtschaftliche Arbeiten zur Ausführung ausgewählt würden.

Der Reichsverkehrsminister erklärte auf eine Anfrage, daß die Aufträge von der Gesellschaft für öffentliche Arbeiten erteilt würden.

Der Reichskanzler erwähnte, daß die Führer des Handwerks bei einem Empfang am Vormittag geklagt hätten, daß das Handwerk seit Monaten keine Aufträge von der Reichsbahn erhalten habe5. Alle Arbeiten der Reichsbahn seien seit Monaten in eigener Regie ausgeführt worden, obwohl in den Verhandlungen mit dem Handwerk wegen der Verwendung der Reichsbahnanleihe von 1931 zugesagt worden[2546] sei, daß das Handwerk in gewissem Umfange an den Arbeiten der Reichsbahn beteiligt werden solle.

5

Vgl. Dok. Nr. 758.

Es wurde sodann die Frage erörtert, ob es möglich sei, einen Teil der Arbeiten, namentlich die Steinbrucharbeiten, durch freiwilligen Arbeitsdienst ausführen zu lassen. Nach von einander abweichenden Stellungnahmen, unter anderem des Reichsverkehrsministers, des Reichsministers der Finanzen und des Reichskommissars für die Osthilfe wurde vorgesehen, daß eine Beteiligung des freiwilligen Arbeitsdienstes an den Steinbrucharbeiten versucht werden solle.

c) Meliorationen

Zu dem Notstandsprogramm für Arbeiten der landwirtschaftlichen Bodenverbesserung6 wurde im wesentlichen die Frage erörtert, ob nur öffentliche oder auch private Meliorationen ausgeführt werden sollen.

6

Vgl. hierzu Dok. Nr. 757, Anm. 6.

Der Reichskanzler und der Reichsminister der Finanzen vertraten den Standpunkt, daß durch eine Verbindung der öffentlichen mit den privaten Arbeiten die Aufgaben der Arbeitsbeschaffung erschwert werden würden.

Der Reichsverkehrsminister äußerte die Befürchtung, daß die Genossenschaften sich der Mitwirkung entziehen würden. Das Programm des Reichsministers für Ernährung und Landwirtschaft werde daher auf dem Papier bleiben.

Der Reichsminister der Finanzen meinte, dieses Programm werde in dem beschränkten Umfange von 45 Millionen glatt zur Ausführung kommen.

Sodann wurde die Frage der Finanzierung der Meliorationen gestreift.

ReichsbankvizepräsidentDreyse sagte zu, daß die Verständigung mit der Gesellschaft für öffentliche Arbeiten in Ordnung kommen werde.

Der Reichsminister der Finanzen stellte fest, daß er jede denkbare Hilfe durch Garantien geben werde, um die Durchführung der Angelegenheit zu fördern.

d) Siedlung

Der Reichskanzler teilte mit, daß die noch offene Zuständigkeitsfrage in der Angelegenheit in einer Besprechung mit den Herren Reichsministern Dr. Stegerwald und Dr. Schlange geregelt werden solle7.

7

Vgl. Dok. Nr. 737, Anm. 8. Zum NotVoEntw. des ROstKom. Schlange (siehe Anlage zu Dok. Nr. 741) hatte der RArbM mit Schreiben vom 13.5.32 seine Zustimmung verweigert, weil der Entw. dem ROstKom. sämtliche Befugnisse zuwies und das in der Siedlung federführende RArbMin. völlig ausschloß. Der RArbM wiederholte in seinem Schreiben seine Bedenken gegen eine Auffangorganisation für nicht entschuldungsfähige Güter, die 1. kostentreibend sei und 2. die den Verkaufspreis und die vereinfachte Zwangsversteigerung allein der Kompetenz des ROstKom. vorbehielt: „Das bedeutet, das im Jahre 1932, in dem nach den Erklärungen der Reichsregierung in der Frage der Ostsiedlung mehr geschehen sollte als in den früheren Jahren, praktisch wesentlich weniger geschehen wird, weil eine ausreichende Landbeschaffung verhindert wird“ (R 43 I /1289 , Bl. 363–364, Zitat Bl. 364).

Oberregierungsrat Dr. Helferich trug sodann den Inhalt des als Anlage 3 der Niederschrift beigefügten, in der Sitzung verteilten Entwurfs einer Verordnung über die Verwendung nicht entschuldungsfähiger Grundstücke im Osthilfegebiet und die Förderung der landwirtschaftlichen Siedlung vor8. Er teilte mit, daß bei[2547] der Aufstellung dieses Entwurfs eine Reihe von Wünschen des Herrn Ministers Dr. Schlange erfüllt worden seien.

8

Das RArbMin. hatte den NotVoEntw. des RM Schlange (in der Anlage zu Dok. Nr. 741) bearbeitet. Die §§ 1–5 waren – bis auf den neuen Abs. 3 in § 1 (s. die folgende Anm. 9) – weitgehend unverändert übernommen worden. Neu waren die §§ 6–8: „§ 6. Der Reichskommissar für die Osthilfe bietet die gemäß § 1 Abs. 1 und 2 vom Reich oder von einer vom Reichskommissar für die Osthilfe bestimmten juristischen Person erworbenen Grundstücke spätestens binnen vierzehn Tagen nach dem Erwerb dem Reichsarbeitsminister, einer von ihm bestimmten Dienststelle oder einem von ihm bestimmten Siedlungsunternehmen für Zwecke der landwirtschaftlichen Siedlung zu einem Preise an, der den Erwerbspreis nicht übersteigen darf. Der Reichsarbeitsminister, die von ihm bestimmte Dienststelle oder die von ihm bestimmten Siedlungsunternehmen erklären sich auf das Angebot binnen vierzehn Tagen. Soweit das Angebot abgelehnt wird, entscheidet der Reichskommissar für Osthilfe über die anderweitige Verwertung der Grundstücke.

§ 7. Die landwirtschaftliche Besiedlung von Grundstücken, die nach den gesetzlichen Vorschriften über die landwirtschaftliche Entschuldung nicht entschuldet werden können, wird in einfachster und billigster Form durchgeführt. Die Rechtsverordnungen und allgemeinen Verwaltungsvorschriften über diese besondere landwirtschaftliche Siedlung (Notsiedlung) erläßt die Reichsregierung. Sie kann dabei von reichsrechtlichen und landesrechtlichen Vorschriften abweichen. Bei dem Erlaß der allgemeinen Verwaltungsvorschriften über die Notsiedlung sind die Jahresleistungen, welche die Siedler aufzubringen haben, so zu bemessen, daß sie für die Siedler wirtschaftlich tragbar bleiben, insbesondere ihnen die Möglichkeit lassen, die Siedlerstellen so auszugestalten, wie es die wirtschaftlichen Notwendigkeiten erfordern. Soweit die Jahresleistungen aus den bei Übernahme der Siedlerstelle vorhandenen Verbindlichkeiten der Siedler, insbesondere aus den nach § 3 Nr. 8 auf die berechtigten übertragenen Forderungen oder den nach § 3 Nr. 9 stehengebliebenen Rechten dieses Maß überschreiten, hat das Reich den Mehrbetrag gegenüber dem Gläubiger und gegenüber dem Siedler endgültig zu übernehmen.

§ 8. Die Deutsche Siedlungsbank kann mit Genehmigung der Reichsregierung zur Beschaffung von Mitteln zur Förderung der landwirtschaftlichen Siedlung Schuldverschreibungen auf den Inhaber bis zum Sechsfachen des Grundkapitals ausgeben. Der Erlös ist zur Förderung der landwirtschaftlichen Siedlung zu verwenden. Die Vorschriften über die auszustellenden Schuldverschreibungen auf den Inhaber werden von der Reichsregierung erlassen.“ § 6 des Schlangeschen Entw. war damit weggefallen, § 7 des Schlangeschen Entw. wurde § 9 im Entw. des RArbMin., neu eingefügt wurde § 10:

„In § 29 des Reichssiedlungsgesetzes vom 11. August 1919 (Reichsgesetzbl. S. 1429) wird in Abs. 1 als Satz 2 folgender Zusatz angefügt: Das Gleiche gilt für die Zuschlagserteilung beim Erwerb von Grundstücken, die für Siedlungszwecke im Zwangsversteigerungsverfahren durch gemeinnützige Siedlungsunternehmen erworben werden. Der bisherige Satz 2 wird Satz 3“. Die §§ 8 und 9 des alten Entw. wurden als §§ 11 und 12 übernommen (Abdruck des NotVoEntw. mit Begründung in R 43 I /1456 , S. 179–194, hier S. 185–187. Die Begründung ist abgedruckt in Schulz, Politik und Wirtschaft in der Krise, Dok. Nr. 506 b).

Minister Dr. Schlange erklärte, er habe noch Bedenken wegen der Preisbildung. Der Paragraph 1 Absatz 3 biete eine Schwierigkeit insofern der Erwerbspreis von dem Reichskommissar für die Osthilfe und dem Reichsarbeitsminister nicht immer ohne weiteres festgesetzt werden könne9. Man dürfe auch nicht verhindern, daß bei der Versteigerung von Grundstücken andere Leute mitbieten.

9

§ 1 Abs. 3 des NotVoEntw. lautete: „Der Preis, zu dem der Erwerb erfolgen soll, wird von dem Reichskommissar für die Osthilfe und dem Reichsarbeitsminister oder ihrem Beauftragten gemeinschaftlich festgesetzt. Der Preis soll angemessen sein, insbesondere, soweit eine spätere landwirtschaftliche Besiedlung in Betracht kommt, ihre erfolgreiche Durchführung ermöglichen (Abdruck des NotVoEntw. mit Begründung in R 43 I /1456 , S. 179–194, hier S. 179).

Staatssekretär Dr. Trendelenburg schloß sich diesen Bedenken an und meinte, es sei schwer zu sagen, was als angemessener Preis im Sinne des § 1 Absatz 3 gelten solle.

Der Reichsminister der Finanzen machte den Vorschlag, zu erwägen, ob nicht der ganze Grundbesitz den Siedlern unentgeltlich gegeben werden könne. Das würde 200 Millionen erfordern. Ein solches Verfahren wäre wahrscheinlich billiger, als Hypothekengläubiger, Genossenschaften und Preußenkasse durch das vorgesehene Erwerbsverfahren Schaden leiden zu lassen und diese dann später sanieren zu müssen. Er fürchte, daß dann das Geld, das das Reich geben müsse, bei den[2548] Genossenschaften und Landschaften verschwinden werde. Er wolle es lieber den Siedlern zukommen lassen, indem für diese das Land beschafft werde.

Ministerialdirektor Dr. Weigert und Oberregierungsrat Dr. Helferich trugen eine Reihe von Bedenken gegen diesen Plan vor. Sie meinten, nach dem Vorschlag des Reichsministers der Finanzen müßten die Grundstücke hypotheken-frei gegeben werden. Das Reich müsse dann also die Hypotheken auszahlen.

Der Reichsminister der Finanzen erklärte, das Reich könne für einen Teil der Hypotheken Schuldverschreibungen geben.

Oberregierungsrat Dr. Helferich vertrat die Ansicht, daß seriöse Siedler vor Belastungen zurückschrecken und lieber von einer Siedlung absehen als das Siedlungsland belastet übernehmen würden. Bei einem Verfahren entsprechend dem vorgelegten Entwurf würden die ersten Hypotheken vielfach ausgeboten werden, wenn das auch in manchen Fällen vielleicht nicht der Fall sein werde.

Der Reichsminister der Finanzen meinte, man müsse bei der Sanierung des Ostens eine mittlere Linie gehen. Das geschehe, wenn man siedle und dabei die übrigen Betriebe und die Gläubiger entsprechend seinem Vorschlage gleichzeitig stütze. Die Wertpapiere des Reichs seien zur Zeit die sichersten Werte. Sie seien vor allem wertvoller als schlechte Hypotheken. Es sei daher für die Gläubiger eine günstige Lösung, wenn die Hypotheken durch solche Wertpapiere etwa mit 3/5 des Nominalwertes der Hypotheken abgelöst würden.

Der Reichsarbeitsminister erklärte, eine mittlere Linie liege auch im Sinne des Reichsarbeitsministeriums. Er sehe daher in dem Plan, den Großbesitz den Siedlern unentgeltlich zu geben, gewisse Schwierigkeiten. Die unterschiedliche Behandlung bei der Siedlung sei sehr bedenklich. Die alten Besitzer würden mit Berufungen vorstellig werden.

Staatssekretär Dr. Trendelenburg schloß sich diesen Bedenken an und meinte, eine Ablösung mit Reichspapieren würde auch eine Änderung des Hypothekenbankgesetzes notwendig machen.

Der Reichsminister der Justiz äußerte gleichfalls Bedenken wegen des Hypothekenbankgesetzes. Ein solches Ablösungsverfahren werde zudem für die Hypothekenbanken und den Pfandbriefmarkt wirtschaftlich gefährlich sein. Der Absatz 3 des § 1 sei vielleicht in der Verordnung entbehrlich. Der Inhalt könne durch interne Verwaltungsmaßnahmen geregelt werden.

Der Reichskanzler warf die Frage auf, ob, gegebenenfalls wie man bei dem Verfahren zur Beschaffung des Siedlungslandes etwas für die Landschaften tun könne, um einem größeren Schaden von dieser Seite vorzubeugen. Zu den Schwierigkeiten der Landschaften machte er einige Mitteilungen.

ReichsbankvizepräsidentDreyse bezeichnete es als sehr wünschenswert, wenn für die Landschaften jetzt etwas geschehen könne. Die Landschaften fallen zu lassen sei unmöglich, erstens wegen des Hypothekarkredits, zweitens aus politischen Gründen und drittens auch aus rechtlichen Gründen.

Der Reichskanzler wies darauf hin, daß auch die landwirtschaftlichen Genossenschaften auf eine Sanierung warteten.

Daraufhin wurde erörtert, ob mit den Landschaften gleichzeitig auch die Hypothekenbanken eine Hilfe erfahren könnten.

[2549] Der Reichskanzler beendete diese Erörterung, indem er die Ansicht äußerte, die Hypothekenbanken würden wohl selbst von einer solchen Erwartung absehen.

Bei der weiteren Erörterung der Einzelheiten des Entwurfs wurde festgestellt, daß der § 6 wegfallen könne, falls der Absatz 3 des § 1 durch Verwaltungsbestimmungen ersetzt werde. Näher besprochen wurde die Frage, in welcher Weise Siedlungskommissare an der Durchführung zu beteiligen seien. Es bestand Übereinstimmung darüber, daß die Siedlungskommissare schnell ernannt werden müßten, um die Angelegenheit in Gang zu bringen.

Zur Frage der Finanzierung der Siedlung wurde festgestellt, daß neue Schuldverschreibungen vorgesehen seien und daß nur die Frage zu klären sei, ob diese Schuldverschreibungen aufgrund des Kreditermächtigungsgesetzes ausgegeben werden können. Dann würde eine neue Ermächtigung nicht begründet zu werden brauchen.

Es wurde beschlossen, daß die Formulierung des Entwurfs noch geändert werden solle10.

10

Der NotVoEntw. über die Siedlung wurde im Kabinett nicht mehr beraten. Vgl. aber Dok. Nr. 766 und Dok. Nr. 771.

e) Randsiedlung.

Landrat Rönneburg berichtete auf Wunsch des Reichskanzlers über die bisherige Durchführung der Randsiedlung11. Er legte als Überblick über das bisherige Ergebnis der Tätigkeit des Reichskommissars für die vorstädtische Kleinsiedlung sowie über die verwandten Darlehen und die Zahl der damit beschafften Siedlerstellen und Kleingärten die als Anlage 4 der Niederschrift beigefügte Aufzeichnung vor. Danach sind bis zum 20. Mai für Reichsdarlehen im Gesamtbetrage von rund 41 Millionen RM rund 16 500 Kleinsiedlerstellen geschaffen worden und ferner für Zuschüsse in Höhe von insgesamt 3,4 Millionen RM 51 700 Kleingärten12.

11

Vgl. hierzu auch Dok. Nr. 607, P. 3.

12

Die Aufzeichnung trug den Titel „Das bisherige Ergebnis der Arbeit des Reichskommissars für die vorstädtische Kleinsiedlung“ und enthielt folgende Angaben:

(Durchschrift in R 43 I /1456 , S. 195).

Er wies darauf hin, daß die Nachfrage nach Siedlungen zehnmal größer sei als man erfüllen könne. Der Erfolg der bisherigen Randsiedlung habe allenthalben großen Beifall erfahren, namentlich auch in Bayern.

Als Übersicht über die Voranmeldungen der Länderregierungen von Randsiedlungsprojekten legte Landrat Rönneburg die als Anlage 5 der Niederschrift beigefügte Aufzeichnung vor13.

13

Die Aufzeichnung lautete: „Vorangemeldet sind von den Länderregierungen:

I. als dringender Bedarf für vorstädtische Kleinsiedlung rund 69 000 Kleinsiedlerstellen

davon ist die Bodenbeschaffung im Jahre 1932 möglich für etwas über 40 100 Kleinsiedlerstellen

II. als dringender Bedarf an Kleingärten 40 400 Kleingärten

davon ist die Bodenbeschaffung im Jahre 1932 möglich für etwas über 29 000 Kleingärten

(Durchschrift in R 43 I /1456 , S. 197).

[2550] Der Reichsminister der Finanzen erklärte, dem Ergebnis der bisherigen Randsiedlung ganz außerordentliche Bedeutung beizumessen. Es sei sehr erfreulich, daß nach dem bisherigen Siedlungsplan mit einem Aufwand von rund 44 Millionen annähernd 18 000 Siedlungshäuser errichtet würden und außerdem noch eine sehr große Zahl von Kleingärten. Alle diese Randsiedler erhielten die Aussicht, einmal zu einer selbständigen Existenz zu kommen, indem sie zunächst Land hinzupachten und nach und nach das Pachtland zu Eigentum erwerben könnten14. Dieser Erfolg sei so hoch einzuschätzen, daß man trotz aller Schwierigkeiten versuchen müsse, noch mehr Siedlungen zu finanzieren. Auch die Arbeitszeitverkürzung könne leichter durchgeführt werden, wenn mehr gesiedelt werde. Wenn ein Arbeitnehmer für seine Siedlungswohnung nur 12 RM im Monat aufwenden brauche, sei das Problem leichter als jetzt, wo diese Leute 35 bis 40 RM monatlich an Miete zu tragen hätten.

14

Auf diesen Aspekt hatte auch Landrat a.D. v. Wilmowsky in seinem Artikel „Bekämpfung der Erwerbslosigkeit. Zur Erleichterung der Anliegersiedlung“ (Deutsche Tageszeitung Nr. 121 vom 30.4.32, R 43 I /1290 , Bl. 269) hingewiesen. Der Artikel war von RbkPräs. Luther am 11.5.32 der Rkei übersandt worden (a.a.O., Bl. 268). Freiherr v. Wilmowsky hatte die bürokratischen Hemmungen und die Kompliziertheit der Finanzen kritisiert. „Eine Bescheinigung des zuständigen Landrats soll zur Finanzierung genügen. Befreiung von der Grunderwerbssteuer, Wegfall des Wiederkaufsrechts für eine Krisenzeit könnte dazu führen, daß in raschester Frist eine große Anzahl Erwerbsloser oder Kurzarbeiter ausreichende Arbeitsmöglichkeiten auf eigener Scholle erhielten“ (Vermerk des MinR Feßler vom 18.5.32, R 43 I /1290 , Bl. 270).

Es wurde die Frage aufgeworfen, ob Steuererleichterungen geschaffen werden könnten für Firmen, die Siedlungen für ihre Arbeitnehmer anlegen.

Der Reichskanzler bat, diese Frage unter den beteiligten Ressorts in den nächsten Tagen näher zu besprechen15 .

15

Diese Verhandlungen haben in der Amtszeit des Rkab. Brüning offenbar nicht mehr stattgefunden.

f) Industriekredite.

Die Erörterung dieses Punktes wurde vertagt16. Es wurde lediglich festgestellt, daß Sachsen besondere Wünsche geltend gemacht habe17. Dabei handele es sich um dreierlei: erstens um Hilfe für Kleinindustrien. Es wurde festgestellt, daß dazu genossenschaftliche Zusammenschlüsse erforderlich wären. Zweitens handele es sich um eine Garantie für die Schulden der Wirtschaft bei den Banken. Eine solche sei nicht möglich. Drittens handele es sich um Kredite an sächsische Banken etwa mit Hilfe der Industriebank. Diese Frage müsse noch näher geprüft werden.

16

Vgl. Dok. Nr. 762.

17

Vgl. Dok. Nr. 746.

g) Freiwilliger Arbeitsdienst.

Die Besprechung dieses Punktes wurde vertagt18.

18

Vgl. Dok. Nr. 760, P. 1.

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