2.102 (vpa1p): Nr. 101 Aufzeichnung des Staatssekretärs Meissner über eine Besprechung des Reichspräsidenten mit Adolf Hitler am 13. August 1932, 16.15 Uhr

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[391] Nr. 101
Aufzeichnung des Staatssekretärs Meissner über eine Besprechung des Reichspräsidenten mit Adolf Hitler am 13. August 1932, 16.15 Uhr1

1

Abgedr. auch bei Vogelsang, Reichswehr, Staat und NSDAP, Dok. Nr. 34; Ursachen und Folgen, Bd. VIII, Dok. Nr. 1880; Hubatsch, Hindenburg und der Staat, Dok. Nr. 88; Huber, Dokumente, Bd. 3, Dok. Nr. 455.

R 43 I /1309 , S. 215–219 Abschrift2

2

Von Meissner am 13. 8. an den StSRkei übersandt.

Anwesend: v. Hindenburg, v. Papen, Meissner; Hitler, Frick, Röhm.

[Regierungsbeteiligung der NSDAP, Anspruch Hitlers auf die Staatsführung]

Der Herr Reichspräsident eröffnete die Besprechung damit, daß er Herrn Hitler erklärte, er sei bereit, die nationalsozialistische Partei und ihren Führer Hitler an der Reichsregierung zu beteiligen3, und würde ihre Mitarbeit willkommen heißen. Er richtete nunmehr an Herrn Hitler die Frage, ob er bereit sei, sich an der gegenwärtigen Regierung von Papen zu beteiligen. Herr Hitler erklärte, aus den Gründen, die er heute vormittag bereits dem Herrn Reichskanzler ausführlich dargelegt habe4, käme für ihn eine Beteiligung und Mitarbeit an der bestehenden Regierung nicht in Frage. Bei der Bedeutung der nationalsozialistischen Bewegung müsse er die Führung einer Regierung und die Staatsführung in vollem Umfange für sich und seine Partei verlangen.

3

Zur diesbez. Kabinettsberatung s. Dok. Nr. 99, P. 2.

4

Vgl. unten Anm. 5; s. außerdem die Mitteilungen des RK in der Ministerbesprechung am 15. 8. (Dok. Nr. 104, P. 1).

Der Herr Reichspräsident erklärte hierauf mit Bestimmtheit, auf diese Forderung müsse er mit einem klaren, bestimmten „Nein“ antworten. Er könne es vor Gott, seinem Gewissen und dem Vaterlande nicht verantworten, einer Partei die gesamte Regierungsgewalt zu übertragen, noch dazu einer Partei, die einseitig gegen Andersdenkende eingestellt wäre. Es sprächen hiergegen auch eine Reihe anderer Gründe, die er nicht einzeln ausführen wolle, wie die Besorgnis vor größeren Unruhen, die Wirkung für das Ausland usw.

Herr Hitler wiederholte, daß für ihn jede andere Lösung ausgeschlossen wäre.

Der Herr Reichspräsident bemerkte hierauf: Sie werden also dann in Opposition gehen?

Hitler: Es bleibt mir jetzt nichts anderes übrig.

Der Herr Reichspräsident Dann richte ich an Sie noch die Mahnung, diese Opposition ritterlich zu führen und sich Ihrer Verantwortung und Ihrer Pflicht vor dem Vaterlande bewußt zu bleiben. Ich habe keine Zweifel an Ihrer Vaterlandsliebe gehabt. Gegen etwaige Terror- und Gewaltakte, wie sie leider auch von Mitgliedern der SA-Abteilungen verübt worden sind, werde ich mit aller Schärfe einschreiten. Wir sind ja beide alte Kameraden und wollen es bleiben,[392] da später uns der Weg doch wieder zusammenführen kann. So will ich Ihnen dann auch jetzt kameradschaftlich die Hand reichen5.

5

Über diese Besprechung und die vorangegangene Unterredung zwischen Papen und Hitler wurde am Abend des 13. 8. das folgende amtl. Kommuniqué herausgegeben: „Reichspräsident von Hindenburg empfing heute nachmittag in Gegenwart des Reichskanzlers von Papen den Führer der NSDAP Adolf Hitler zu einer Besprechung über die politische Lage und die Frage einer Umbildung der Reichsregierung. – Der Reichspräsident richtete an Hitler die Frage, ob er bereit sei, selbst sowie mit anderen geeigneten Persönlichkeiten der NSDAP in die von dem Reichskanzler von Papen geleitete Regierung einzutreten. – Herr Hitler verneinte dies und stellte an den Herrn Reichspräsidenten die Forderung, ihm die Führung der Reichsregierung und die gesamte Staatsgewalt in vollem Umfange zu übertragen. – Reichpräsident von Hindenburg lehnte diese Forderung sehr bestimmt mit der Begründung ab, daß er es vor seinem Gewissen und seinen Pflichten dem Vaterlande gegenüber nicht verantworten könne, die gesamte Regierungsgewalt ausschließlich der nationalsozialistischen Bewegung zu übertragen, die diese Macht einseitig anzuwenden gewillt sei. Er bedauerte, daß Herr Hitler sich nicht in der Lage sehe, entsprechend seinen vor den Reichstagswahlen abgegebenen Erklärungen eine vom Vertrauen des Herrn Reichspräsidenten berufene nationale Regierung zu unterstützen. – Die Aussprache schloß alsdann mit einer ernsten Mahnung des Reichspräsidenten an Hitler, die von ihm angekündigte Opposition der NSDAP ritterlich zu führen und seiner Verantwortung vor dem Vaterlande und vor dem deutschen Volke bewußt zu bleiben. – Vor dem Empfang bei dem Herrn Reichspräsidenten hatte im Laufe des Vormittags eine Aussprache des Reichskanzlers mit Herrn Hitler stattgefunden. In dieser Aussprache hatte sich der Reichskanzler erboten, dem Herrn Reichspräsidenten Herrn Hitler als Vizekanzler in der gegenwärtigen Regierung vorzuschlagen und ferner einige weitere geeignete Persönlichkeiten aus der nationalsozialistischen Bewegung mit wichtigen politischen und fachlichen Ministerien zu betrauen, um dieser Bewegung einen ihrer Stärke entsprechenden Einfluß auf die Staatsführung einzuräumen.“ (WTB-Nachtausgabe vom 13. 8., Ausschnitt in R 43 I /1309 , S. 263). – Zu diesem Kommuniqué erklärte Planck am 17. 8. seinem Amtsvorgänger Pünder „ganz im Vertrauen“, daß „sie am Samstagnachmittag [13. 8.] aus der amtlichen Verlautbarung eine ‚Emser Depesche‘ gemacht hätten. Tatsächlich hätte Hitler beim Reichspräsidenten ‚die gesamte Staatsgewalt im vollen Umfange‘ nicht verlangt, da es dort zu einer großen sachlichen Aussprache überhaupt nicht mehr gekommen sei. Der Reichspräsident hätte eben absolut nicht gewollt, den Nazi den Kanzlerposten zu lassen. Vor dem ‚böhmischen Gefreiten‘ hätte er keinerlei Respekt, und es sei ihm geradezu widerlich gewesen, jetzt auch noch seinerseits dem ‚Hinterlader‘ (Hauptmann Röhm) die Hand geben zu müssen.“ (Pünder, Politik in der Reichskanzlei, S. 141, Tagebucheintragung vom 18.8.32). – Zum Fortgang s. Dok. Nr. 102.

An die Besprechung schloß sich dann noch im Korridor eine kurze Aussprache zwischen dem Herrn Reichskanzler und mir, dem Herrn Hitler und seinen Begleitern, in der Herr Hitler sich dahin äußerte, die weitere Entwicklung würde doch unaufhaltsam zu der von ihm vorgeschlagenen Lösung oder zum Sturz des R[eichs]P[räsidenten]6 führen. Die Regierung würde in eine schwierige Lage kommen; die Opposition werde sehr scharf werden und er übernehme keine Verantwortung für die Folgen, die sich ergeben.

6

Der Passus „oder zum Sturz des RP“ von Meissner handschriftlich eingefügt.

Dauer der Besprechung etwa 20 Minuten.

M[ei]ss[ne]r

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