1.164 (bru3p): Nr. 678 Besprechung über den Bierpreis vom 17. Februar 1932, 11.30 Uhr

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Nr. 678
Besprechung über den Bierpreis vom 17. Februar 1932, 11.30 Uhr

R 43 I /2413 , Bl. 141–143

Anwesend: Brüning; StS Pünder; MinDir. v. Hagenow, Zarden; Bayer. StR Schäffer; MdR Schlittenbauer; Protokoll: MinR Vogels.

[2302] Der Reichskanzler machte in großen Zügen Mitteilung vom Ergebnis der Besprechung zur Sache vom 15. Februar (vgl. darüber die besondere Aufzeichnung) und verwies insbesondere auf den Vorschlag des Vorsitzenden des Gastwirtgewerbes, Reichstagsabgeordneter Köster, der dahingeht, die Gemeindebiersteuer auf 5 RM zu senken, dafür aber die Reichsbiersteuer leicht zu erhöhen1. Von einer Erhöhung der Reichsbiersteuer in diesem Falle abszusehen oder sogar die Reichsbiersteuer zu senken, sei aus reparationspolitischen Gründen zur Zeit unmöglich. Die Reichsregierung dürfe, solange die Reparationsfrage noch nicht gelöst sei, den Reparationsgläubigern keinen Vorwand zu der Behauptung liefern, die Zahlungsfähigkeit des Reichs durch Senkung irgendwelcher Steuern beeinträchtigt zu haben. Er habe gehofft, daß England, das einen Rückgang des Bierkonsums um 40 v. H. zu verzeichnen habe, mit einer Senkung seiner Biersteuer vorangehen werde. Es stehe aber fest, daß die englische Regierung einen derartigen Schritt nicht tun werde. Unter diesen Umständen sei es für die Reichsregierung nicht möglich, in der Frage der Besteuerung des Biers jetzt eine Erleichterung eintreten zu lassen. Andererseits halte die Reichsregierung es auch nicht für angängig, die vom Preiskommissar angeordnete Bierpreissenkung wieder rückgängig zu machen. Er habe zu dieser Besprechung eingeladen, um die Stellungnahme Bayerns zu dem Plan des Herrn Köster zu erfahren.

1

Zur Bierpreissenkung siehe Dok. Nr. 661. Mittelständische Brauereien und Gastwirtsverbände hatten seit dem 11.2.32 in Telegrammen und Eingaben die Rkei aufgefordert, die Biersteuern zu senken (Material in R 43 I /2413 , Bl. 63–79, Bl. 80–81 und Bl. 83–92). Gegen die Senkung der Biersteuern hatten der Reichsausschuß dt. Katholiken gegen den Alkoholmißbrauch protestiert (R 43 I /2413 , Bl. 78 und Bl. 93–94). Der Reichsstädtebund hatte wegen der katastrophalen Lage der Gemeindefinanzen mit Schreiben vom 18.2.32 gegen die Senkung der Gemeindebiersteuer Einspruch erhoben (R 43 I /2413 , Bl. 82). In Berlin und Hamburg kam es zu einer Bierstreikbewegung der Gastwirte (Presseberichte in R 43 I /2413 , Bl. 136–138 und R 43 I /1161 , Bl. 199). Zu der Besprechung mit MdR Köster am 15.2.32 siehe den Vermerk MinR Feßlers vom 16.2.32 in R 43 I /2413 , Bl. 139–140.

Staatsrat Schäffer führte aus, daß in Bayern eine Senkung des Bierpreises um 4 Pfg. angeordnet worden sei, und zwar 2 Pfg. zu Lasten der Brauindustrie, 2 Pfg. zu Lasten der Gastwirte. Mit diesem Ergebnis sei niemand zufrieden, insbesondere sei die Senkung auch vom Standpunkt des Konsumenten durchaus unzulänglich. Die Durchführung des Köster’schen Plans führe in der Anwendung auf bayerische Verhältnisse zu unmöglichen Ergebnissen. Die Senkung der Gemeindebiersteuer werde sich in dem Bierpreis nicht auswirken, dagegen werde die Erhöhung der Reichsbiersteuer preissteigernd wirken. Der einzig gangbare Weg sei nach seiner Meinung der, die Biersteuererhöhung vom März 1931 zu widerrufen2. Geschehe dies, so halte er eine zwangsweise Senkung der Bierpreise um 10 Pfg. für erreichbar. Dies sei gleichbedeutend mit einer Senkung der Preise um 20%. In dieser Höhe komme die Preissenkung in das richtige Verhältnis zur gesunkenen Kaufkraft. Infolgedessen werde der Bierkonsum nicht weiter zurückgehen, vielmehr seine alte Höhe wieder erreichen. Im ganzen gesehen werde höchstwahrscheinlich trotz des Widerrufs der Steuererhöhung vom März infolge des erhöhten Konsums eine Minderung des Steueraufkommens nicht eintreten, jedenfalls nach einer Übergangszeit. Mit dieser Begründung könne man auch die reparationspolitischen Bedenken[2303] ausräumen. Den Reparationsgläubigern müsse klargemacht werden, daß es nicht darauf ankomme, einen bestimmten Steuersatz aufrechtzuerhalten, vielmehr nur darauf, das Erträgnis der einzelnen Steuern nicht zu schmälern. Zur Erhaltung des Steuerertrages sei es unter Umständen notwendig, einen überhöhten Steuersatz abzubauen, insbesondere dann, wenn sich herausgestellt habe, daß die Durchhaltung des überhöhten Satzes statt einer Ertragssteigerung einen Ertragsrückgang erbringe. Eine durchgreifende Senkung des Bierpreises sei für Bayern ganz besonders wichtig, da das bayerische Volk erst dann an einen wirklichen Erfolg der gesamten Preissenkungsaktion zu glauben beginne, wenn der Bierpreis merklich heruntergehe. Der Bierpreis sei nun einmal in Bayern der volkswirtschaftliche Wertmesser für das Niveau der Lebenshaltung.

2

Vgl. das BiersteuerGes. vom 28.3.31 (RGBl. I, S. 110 ).

Dr. Schlittenbauer führte aus, daß vom bayerischen Standpunkt aus die Bierfrage nur dann als befriedigend gelöst angesehen werden könne, wenn die Reichsbiersteuer gesenkt und die Gemeindebiersteuer gleichfalls zwangsweise um einen gewissen Prozentsatz gesenkt werde.

Der Reichskanzler erwiderte, die reparationspolitischen Bedenken gegen eine Biersteuersenkung nicht zurückstellen zu können. Er müsse in dieser Frage nun einmal mit der Psychologie der Gläubigermächte rechnen, denen erfahrungsgemäß der deutsche Standpunkt in der Sache nicht begreiflich zu machen sei. Wohl oder übel müsse daher die jetzige Biersteuer aufrechterhalten bleiben, zumal, da der Beginn der reparationspolitischen Konferenz in wenigen Monaten zu erwarten sei.

Ministerialdirektor Dr. Zarden führte aus, daß die Gemeindebiersteuer in dem Haushaltsplan der Gemeinden eine recht erhebliche Rolle spiele. In den Gemeinden über 50 000 Einwohner sei für das Aufkommen ein Soll von insgesamt 122½ Millionen angesetzt. Für die Gesamtheit der Gemeinden werde mit einem Aufkommen von 200 Millionen RM gerechnet. Er halte es für unmöglich, den Gemeinden von dieser Steuer in der jetzigen Zeit irgend etwas wegzunehmen. Zuzugeben sei, daß die Biersteuer jetzt weniger erbringe als vor der letzten Biersteuererhöhung. Dies Ergebnis sei aber weniger eine Folge der Biersteuererhöhung als eine Folge der außerordentlich stark geschrumpften Kaufkraft der Bevölkerung. Er glaube auch nicht daran, daß jetzt durch eine Senkung der Steuer eine Konsumsteigerung herbeigeführt werden könne. Keinesfalls werde die Konsumsteigerung schnell eintreten können. Günstigenfalls müsse man bis zu einer Konsumsteigerung eine Übergangszeit von mindestens einem halben Jahr aushalten, in welchem das Steueraufkommen infolge der Senkung noch weiter zurückgehen werde. Hinzukomme, daß eine etwaige Senkung der Biersteuer den außerordentlich starken Druck anderer Gewerbe auf Steuersenkung ins Unerträgliche steigern werde. Er erinnere nur daran, daß auch das Tabakgewerbe erbittert um eine Rückgängigmachung der letzten Steuererhöhung kämpfe.

Der Reichskanzler fügte ergänzend hinzu, daß ähnliche Forderungen von der Zuckerindustrie erhoben würden.

Staatsrat Schäffer wiederholte, daß eine etwaige Senkung der Gemeindebiersteuer durch eine Erhöhung der Reichsbiersteuer nicht ausgeglichen werden könne, daß er den Köster’schen Plan daher für undurchführbar halte.

Der Reichskanzler stellte daraufhin die Frage zur Erörterung, ob die vom Preiskommissar angeordnete Bierpreissenkung für das Gastwirtsgewerbe nicht dadurch[2304] erträglicher gestaltet werden könne, daß die Gemeindeverzehrsteuer3 beseitigt werde, andernfalls müsse man erwägen, die Bierpreissenkung um zunächst vier Wochen hinauszuschieben, um in der Zwischenzeit die Möglichkeit zu gewinnen, die zukünftige Gestaltung der Besteuerung des Biers in Ruhe zu klären.

3

Gemeint ist die NotVo. über die Zulassung einer Gemeindegetränkesteuer vom 16.7.30 (RGBl. I, S. 212 ), aufgehoben durch die NotVo. vom 18.7.30 (RGBl. I, S. 223 ), neu eingeführt durch die NotVo. zur Behebung finanzieller, wirtschaftlicher und sozialer Notstände vom 26.7.30, Zweiter Abschnitt, § 3 (RGBl. I, S. 311 , hier S. 314).

Staatsrat Schäffer meinte, daß eine Vertagung der Entscheidung kaum Vorteile bringen könne. Wenn man jetzt erkläre, die Frage der Bierbesteuerung nachprüfen zu wollen, so erwecke dies in interessierten Kreisen die Hoffnung, daß letzten Endes eine Senkung der Steuern bei der eingeleiteten Prüfung herauskommen müsse. Insofern bedeute also der Vertagungsbeschluß die moralische Bindung bezüglich einer Senkung.

Der Reichskanzler schloß die Besprechung mit dem Bemerken, daß er die ganze Angelegenheit nochmals innerhalb der Reichsregierung zur Erörterung stellen werde4.

4

Zur Fortsetzung der Beratung siehe Dok. Nr. 681, P. 2.

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