1.86 (bru3p): Nr. 600 Der Deutsche Botschafter in London an den Reichskanzler. London, 11. Dezember 1931

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Nr. 600
Der Deutsche Botschafter in London an den Reichskanzler. London, 11. Dezember 1931

R 43 I /518 , Bl. 309–313

[Betrifft: Abrüstungskonferenz.]

Sehr verehrter Herr Reichskanzler!

Im Laufe einer langen Unterredung, die ich gestern mit Sir John Simon hatte, kam er auch auf die Abrüstungs-Konferenz zu sprechen1. Er begann damit, daß er sagte, die Abrüstungs-Konferenz müsse unter allen Umständen zu einem Ergebnis führen, widrigenfalls unabsehbares Unheil entstehen würde. Die bisherige unnachgiebige Haltung der Franzosen und ihrer Vasallenstaaten lasse aber einen schweren Kampf voraussehen, dessen Ausgang höchst zweifelhaft erscheine. Leider liege der für den Beginn der Abrüstungs-Konferenz festgelegte Termin äußerst ungünstig. Die Haltung der Franzosen auf der Konferenz würde ausschließlich durch die Ende April oder Anfang Mai stattfindenden Wahlen beeinflußt sein2. Dazu komme die Ungewißheit über den Ausgang der etwa zu gleicher Zeit stattfindenden Wahlen in Preußen und ihrer Folgen für das deutsche Reich3. In den englischen Regierungskreisen habe man sich deshalb schon überlegt, ob es nicht trotz aller dagegen zu erhebenden Einwendungen besser wäre, den Beginn der Konferenz bis nach den vorgenannten Wahlen zu verschieben. England und, wie er durchaus einsehe, auch Deutschland, könnte einen solchen Vorschlag nicht machen. Von Frankreich könne[2094] er nicht ausgehen, weil sonst seine Ablehnung sowohl hier als in Deutschland sicher sei, dagegen könnte er sich denken, daß evtl. Italien, das ja bisher immer auf die Abhaltung der Konferenz gedrängt habe, diesen Vorschlag bei der nächsten Ratstagung Anfang Januar machen würde. Ehe er selbst irgend einen Schritt in der angedeuteten Richtung unternehme, möchte er aber wissen, wie die deutsche Regierung sich dazu stellen würde. Insbesondere ob sie einen solchen Antrag, wenn er von italienischer Seite gestellt würde, für absolut unannehmbar halten und ablehnen würde.

1

Dieses Dok. ist auch abgedruckt in ADAP, Serie B, Bd. XIX, Dok. Nr. 118.

2

Vgl. Dok. Nr. 291, Anm. 3.

3

Zur Wahl des Pr.Lt am 24.4.32 siehe Dok. Nr. 655, Anm. 3.

Ich erwiderte Sir John Simon, daß ich von mir aus eine Antwort auf diese Frage nicht geben könnte. Es sei ihm ja wohl bekannt, wie schwer es uns gefallen sei, im vorigen Jahr der Verschiebung der Abrüstungs-Konferenz bis zum 2. Februar 1932 zuzustimmen4. Eine weitere Verschiebung der Konferenz würde Wind in die Segel der nationalsozialistischen Partei und der deutschen Nationalisten blasen. Andererseits verkennte ich persönlich keineswegs, daß der jetzige Zeitpunkt für den Beginn der Konferenz psychologisch sehr ungünstig gelegen sei. Die von ihm erwähnten Gründe würden voraussichtlich die ablehnende Haltung der Abrüstungs-Gegner sehr stärken. Es komme hinzu, daß die bevorstehende Regierungs-Konferenz über die Reparationsfrage sowieso sich aller Voraussicht nach mit dem Beginn der Abrüstungs-Konferenz überschneiden würde. Sollte eine Verschiebung bis nach den französischen und deutschen Wahlen möglich sein, so könnte ich mir denken, daß die Atmosphäre für die Abrüstungs-Konferenz wesentlich geklärt sein würde.

4

Die RReg. hatte sich für den 5.11.31 als Eröffnungstermin der Abrüstungskonferenz eingesetzt: siehe Dok. Nr. 205 und Dok. Nr. 218, P. 1.

Sir John Simon bat mich sodann, zunächst ganz vertraulich und privat festzustellen, ob die deutsche Regierung in der Lage wäre, einem Vertagungsantrag, wenn er etwa von italienischer Seite gestellt würde, zuzustimmen. In diesem Falle würde er bereit sein, von sich aus bei der italienischen Regierung entsprechende Schritte zu unternehmen und später auch den Boden in Paris vorzubereiten. Ich sagte ihm zu, sofort an Sie zu berichten und ihm Ihre Antwort baldmöglichst mitzuteilen. Sir John Simon bat schließlich noch dringend, die Angelegenheit ganz geheim zu behandeln. Ich darf vielleicht bitten, mir Ihre Stellungnahme nicht mit Telegramm, sondern durch Brief sobald als möglich zukommen zu lassen5.

5

Zur Antwort des RK siehe Dok. Nr. 603.

Mit ausgezeichneter Hochachtung

Ihr sehr ergebener

Neurath

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