1.65 (bru2p): Nr. 317 Besprechung mit Vertretern der drei Beamtenspitzenorganisationen über die Kürzung der Beamtengehälter am 1. Juni 1931, 10.30 Uhr

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Nr. 317
Besprechung mit Vertretern der drei Beamtenspitzenorganisationen über die Kürzung der Beamtengehälter am 1. Juni 1931, 10.30 Uhr

R 43 I /2369 , Bl. 225–230

Anwesend: Brüning, Dietrich, Wirth, Schätzel, v. Guérard; MinDir. v. Hagenow, Menzel; MinDirig. Wever; MinR Vogels; vom Deutschen Beamtenbund: Heßlein, Kugler, Lenz, Flügel; vom Allgemeinen Deutschen Beamtenbund: Völter, Falkenberg, Kunze; vom Reichsbund der höheren Beamten: Bohlen, Wagner, Pilger; Protokoll: RegR Krebs.

Der Reichskanzler erörterte zunächst die ganzen Umstände, die zu dem Plan einer abermaligen Gehaltskürzung Anlaß gegeben haben. Wenn jetzt wiederum eine Kürzung vorgesehen sei, obwohl im letzten Jahre erst eine Gehaltssenkung vorgenommen wurde, so sei es nicht möglich gewesen, das Ausmaß[1149] der beiden Kürzungen auf einmal herbeizuführen1. Im vergangenen Jahre sei man nur bis zu der nach der damaligen Lage erforderlichen Grenze gegangen. Die Beamten hätten dadurch ja auch den Vorteil gehabt, daß ihre Bezüge in der Zwischenzeit nicht noch niedriger waren. Jetzt sei jedoch die Lage so, daß eine weitere Kürzung nicht zu vermeiden sei. Die Krise sei in keiner Weise behoben. Das Frühjahr habe nur ganz geringe Erleichterungen gebracht. Die Schwierigkeiten wären in allen Ländern noch ganz erheblich und würden in den nächsten zwei Jahren aller Voraussicht nach überall noch größer werden.

1

Vgl. die im 2. Teil, Kap. II der NotVO vom 1.12.30 (RGBl. I, S. 522 ) verkündete Gehaltskürzung um 6% mit Wirkung vom 1.2.31.

Im einzelnen ging der Reichskanzler dann auf die Verhältnisse in England und Amerika ein. Er wies auch darauf hin, daß Frankreich ein Defizit von 2½ Milliarden habe. Fast alle Staaten außer Amerika hätten als Gegenmaßnahme Beamtenreduktionen vorgenommen, namentlich Italien. Der Schrumpfungsprozeß bei den Beamten und Angestellten könne aber nicht unbegrenzt fortgesetzt werden, sonst würde die Wirtschaft zu sehr darunter leiden. Daraus habe sich die Notwendigkeit ergeben, in den öffentlichen Haushalten zu sparen.

Beim Reichsetat sei man jetzt aber am Ende der Sparmöglichkeiten angelangt. Ob auch bei den Ländern und Kommunen, sei eine andere Frage. Bei den Kommunen werde die nächste Zukunft sicherlich noch traurige Enthüllungen bringen. Die im letzten Jahrzehnt gemachten Fehler würden sich dann rächen. Vor allem würden die mit geliehenen Geldern angelegten Reserven, namentlich in Land und Wertpapieren, im Ernstfall nicht zu verwerten sein. Man habe Bauland in gewaltigem Umfange aufgekauft für Beträge, die nicht zu 25% jetzt mehr erzielt werden können.

Die Reichsregierung habe planmäßig die Lebenshaltungskosten der Bevölkerung, damit also auch der Beamten, ermäßigt. Die Konfektionspreise lägen heute kaum über der Vorkriegshöhe. Der Brotpreis werde verbilligt, ebenso auch sonstige Lebensmittel. Die Lage der Beamten solle auf solche Weise künftighin weiter verbessert werden.

Bezüglich der gesamten Finanzlage, der die Reichsregierung gegenüberstehe, werde von manchen politischen Seiten empfohlen, es doch einfach darauf ankommen zu lassen und unsere Zahlungsverpflichtungen an das Ausland unter Umständen einfach schuldig zu bleiben. Das sei unmöglich. Von den Reichsfinanzen hänge der ganze Privatkredit ab. Langfristige Kredite bekomme in Deutschland sowieso niemand mehr. Es sei aber sehr wesentlich, beim Ausland so viel Vertrauen zu erhalten, daß wenigstens die erheblichen kurzfristigen Kredite nicht zurückgezogen würden; anderenfalls wäre eine Katastrophe unvermeidlich.

Diese bedauerlichen Umstände zwängen also auch die Beamten nochmals heranzuziehen, um an neuen Lasten teilzunehmen. Er kenne die Gefahr für eine Radikalisierung, die darin liege; er bitte aber dazu beizutragen, daß die breiten Beamtenschichten für die Notlage der Reichsregierung Verständnis aufbrächten. Eine Verwertung der Einzelheiten dieser Besprechung müsse allerdings[1150] zunächst unterbleiben. Es müsse infolgedessen erwartet werden, daß die Besprechung als vertraulich behandelt werde.

Der Reichskanzler bat sodann den Reichsminister der Finanzen, das Bild der Finanzlage näher zu erläutern.

Der Reichsminister der Finanzen schilderte die Geldbedürfnisse, namentlich der Sozialversicherungsanstalten, die eine Entwicklung genommen hätten, wie sie nicht hätte vorausgesehen werden können. Er erörterte auch die Ausfälle des Reichs an Einnahmen auf den verschiedenen Gebieten. Er wies darauf hin, daß auch die Länder und Gemeinden auf diese Weise erhebliche Ausfälle hätten. Er bezifferte den Fehlbetrag bei den Ländern auf 345 Millionen RM – aus der Einkommensteuer allein auf 225 Millionen –, den Fehlbetrag der Gemeinden auf 742 Millionen RM = 1087 Millionen RM, den Fehlbetrag bei der Arbeitslosenfürsorge auf 700 Millionen RM. Der Bedarf des Reichs für die Schuldentilgung in Höhe von 100 bis 150 Millionen RM sei demgegenüber unwesentlich. Den Kommunen und Sozialversicherungsträgern zusammen fehlten rund 2 bis 2,3 Milliarden RM. Diese Tatsachen seien so ernst, daß sie mit Rücksicht auf das Ausland nicht in die Öffentlichkeit dringen dürften. Länder und Gemeinden wären darauf angewiesen, sich selbst zu helfen. Ihre Schwierigkeiten würden erhöht dadurch, daß ihre Forsten kaum noch Erträge abwerfen.

Was nun die Frage der Gehaltskürzungen angehe, so sei vorher geprüft worden die Frage einer Abgabe für alle Gehalts- und Lohnempfänger. Dieser Plan habe aufgegeben werden müssen, weil die Belastungen nicht in solcher Weise gleichmäßig erfolgen können. Man habe deswegen vielmehr bezüglich der Beteiligung an den Lasten zur Behebung der Krisennot unterscheiden müssen zwischen Beamten, Angestellten und Arbeitern sowie selbständigen Unternehmern. Die vorgesehene Heranziehung der Beamten werde für das Reich höchstens 30 bis 40 Millionen erbringen. Für die Post etwa ebensoviel; für die Länder indes, infolge ihres wesentlich größeren Beamtenkörpers, erheblich mehr. Eine Erhöhung der Umsatzsteuer sei auch erwogen, indes als Reserve zurückgestellt worden für den Fall, daß der Winter oder das Frühjahr nochmals neue Lasten erfordern sollten.

Auf die Bitte des Vertreters des Deutschen Beamtenbundes, FlügelFlügel, vertraulich erfahren zu dürfen, welche Maßnahmen im einzelnen von der Reichsregierung vorgesehen seien, erläuterte der Reichsminister der Finanzen kurz die Krisenabgabe, wie sie für die verschiedenen erwähnten Bevölkerungsgruppen nach den letzten Minister- und Kabinettsbesprechungen vorgesehen ist. Er ging auch ein auf den Kinderzuschlag für das erste Kind. Diesen ganz zu beseitigen, würde eine zu große Belastung für die unteren Beamtenschichten bedeuten. Für die differenzierte Lösung der Regierung führte er aus, daß die Beamten selbst bisher meist abgelehnt hätten, mit den Angestellten gleich behandelt zu werden.

Herr FlügelFlügel als Vertreter des Deutschen Beamtenbundes führte sodann aus, daß die Beamtenschaft sehr erregt sei. Seit Monaten gingen die Gerüchte wegen der Gehaltskürzung um. Der Reichsminister der Finanzen habe diese dementiert. Die Beamten hätten eine Erklärung der Reichsregierung dazu gewünscht,[1151] aber vergeblich erbeten. Er hoffe, daß der jetzige Plan noch keine endgültige Entscheidung bedeute und noch von den Beamtenorganisationen beeinflußt werden könne.

Die Beamten hätten volles Verständnis für die ungewöhnlich schwere Lage. Die Beamtenschaft sei auch jederzeit bereit, an den Opfern des Volkes teilzunehmen, und zwar nach ihrer Möglichkeit. Was sie dagegen ablehne, sei, als einzelner Stand herausgenommen und gesondert belastet zu werden. Das entspreche nicht ihren Rechten. Die Beamtenschaft wolle einfach als Teil des Volkes betrachtet werden. Darum wünsche sie eine andere Form der Lösung. Man möge eine Form suchen, die das gesamte Volk belaste und nicht einzelne Gruppen gesondert. Er schlage in diesem Sinne vor, einen allgemeinen Beitrag zur Arbeitslosenversicherung, etwa als „Notabgabe“. Diese werde am besten als Zuschlag zur Einkommensteuer erhoben. Dabei möge den Betroffenen angerechnet werden, was sie bereits als „Arbeitslosenabgabe“ bisher zu tragen hätten.

Der Reichsminister der Finanzen wandte demgegenüber ein, daß dann für die Neubetroffenen die Sätze viel zu hoch werden würden, weil die Anrechnung zu erheblich sein würde. Das sei bereits genau errechnet worden. Auch die Form einer allgemeinen Einkommenabgabe sei nicht möglich, weil sie nur zu geringen Erträgen führen würde.

Herr FlügelFlügel hielt ferner die Belastung für die Gehaltsempfänger für zu drückend gegenüber der Behandlung der Lohnempfänger. Im einzelnen wandte er sich noch gegen die Staffelung, ferner auch gegen den Abbau des Kinderzuschlages. Es sei auch zu befürchten, daß das Ende der Kürzungen noch nicht erreicht sei. Der Beamtenschaft werde dadurch ihr Glaube an Recht und Gerechtigkeit genommen. Die Regierung müsse berücksichtigen, daß die Beamten, die ihre besondere Stütze sein sollten, der Gefahr der Radikalisierung preisgegeben würden2.

2

Die Bundesleitung des Dt. Beamtenbundes hatte sich in einer Entschließung vom 21.5.31 gegen jede Gehaltskürzung oder Sonderbelastung der Beamten „mit aller Entschiedenheit“ ausgesprochen und zu einer großen Kundgebung am 27. 5. in Berlin aufgerufen. In dem Begleitschreiben vom 22. 5., mit dem die Entschließung dem RK übersandt worden war, hatte der Dt. Beamtenbund Brüning um eine Aussprache gebeten (R 43 I /2369 , Bl. 59–61).

Der Reichsminister der Finanzen entgegnete bezüglich der Lohnempfänger, daß der Reichsarbeitsminister einen Rückgang der Löhne bis zu 20% berechnet habe.

Der Reichskanzler stellte fest, daß durch die Kürzungsmaßnahme der Reichsregierung in erster Linie die Länder und Gemeinden in den Stand gesetzt werden sollten, die Beamtengehälter überhaupt weiterzuzahlen. Das würde sonst in drei Monaten schon nicht mehr möglich sein. Wenn die Länder und Gemeinden bei dieser Lage nicht selbst vorgingen, so läge das lediglich daran, daß sie auf die Maßnahmen des Reichs rechneten. Sie fühlten sich selbst nicht stark genug, entsprechende Regelungen ihrerseits zu treffen. Ihnen werde auch die vorgesehene Regelung sicherlich nicht weitgehend genug erscheinen.

Der Reichskanzler wies auch auf die Auswirkungen bei der Reichsbahn hin. Die Finanznot der Reichsbahn sei so groß, daß sie in diesem Jahre ihren[1152] Reservefonds bis auf 50 Millionen aufgelöst habe. Auch die Finanzschwierigkeiten der Reichsbahn müßten durch die Gehaltskürzungen erleichtert werden.

Dr. VölterVölter schloß sich als Vertreter des Allgemeinen Deutschen Beamtenbundes bezüglich der allgemeinen Haltung der Beamtenschaft dem Vertreter des Deutschen Beamtenbundes an. Er bestätigte die große Erregung. Die Beamtenschaft wolle Verteilung der Lasten, nicht Sonderlast. Sie habe bisher den Standpunkt vertreten, daß die Beamten zu den Lasten der Arbeitslosenunterstützung nicht herangezogen werden dürften. Jetzt sähen die Beamten ein, daß die Arbeitslosennot ein so großes nationales Übel sei, daß jeder zu ihrer Behebung beitragen müsse. Es werde auch begrüßt, daß, wenn jetzt etwas geschehen müsse, die Maßnahmen mit anderen Motiven begründet würden als bei der letzten Gehaltssenkung mit „Preissenkung“, „Goldwerthebung“ usw. Das habe man bei der letzten Gehaltskürzung nicht gelten lassen wollen3.

3

Der Allgemeine Dt. Beamtenbund hatte den RK mit Schreiben vom 6.5.31 um eine Unterredung gebeten (R 43 I /2369 , Bl. 14–15). In einem weiteren Schreiben vom 21.5.31 hatte der Allgemeine Dt. Beamtenbund dem RK eine Entschließung vom 13.5.31 übermittelt, in der „nachdrücklichst“ gegen die Heranziehung der Beamten zu den Lasten der ALV protestiert worden war (R 43 I /2369 , Bl. 65–67).

Gegen die vorgesehenen Regierungsmaßnahmen müsse er aber folgendes einwenden:

1. Die Staffelung sähe bei der Beamtenabgabe schwächer aus als bei der Krisensteuer, so daß die höheren Beamten verhältnismäßig begünstigt würden.

2. Bei der Krisensteuer werde es, weil sie an die Einkommensteuer angelehnt werde, Freigrenzen geben, bei der Beamtenabgabe dagegen nicht.

3. Ganze Gehaltsgruppen hätten heute schon weniger als vor der Gehaltserhöhung von 1927. Dazu trügen vielfach auch Mietssteigerungen bei.

4. Von dem Abbau des Kinderzuschlages für das erste Kind würden die unteren Beamten stärker betroffen. Das zeige die Statistik der Reichsbahn, nach der bei der Reichsbahn an Kindern entfielen je Kopf 0,81 [RM] bei den höheren Beamten, 0,77 [RM] bei den mittleren Beamten und 1,46 [RM] bei dem unteren Dienst.

5. Bezüglich der Reichsbahn müsse er auch die Gelegenheit benutzen zu bitten, die Mißstände zu beseitigen, die darin beruhen, daß ein Teil der Arbeiter auf Kurzarbeit mit 40 und weniger Stunden gesetzt sei, während andere Überarbeit mit 58 und über 60 Stunden hätten. Die Reichsregierung möge auf Revision dieser Verhältnisse einwirken.

Dr. BohlenBohlen als Vertreter des Reichsbundes der höheren Beamten erklärte, daß auch diese Verständnis für die Notlage der Reichsregierung hätten. Die Zahlen, die der Reichsfinanzminister heute mitgeteilt habe, böten keine besondere Überraschung, da die Ermittlungen seines Verbandes vor einiger Zeit bereits gleichfalls zu solchen Ergebnissen geführt hätten.

An dem Plan der Reichsregierung habe er eine zu starke Differenzierung auszusetzen. Diese werde innerpolitisch die unerfreuliche Wirkung haben, daß ein Kampf der einzelnen Beamtenkreise untereinander entstehen werde.

Zu dem Vergleich mit den Lohnempfängern sei zu berücksichtigen, daß die Arbeiter 1927 einen ganz gewaltigen Vorsprung vor den Gehaltsempfängern[1153] gehabt hätten. Das Jahr 1927 könne daher nicht ohne weiteres als Ausgangspunkt für einen Vergleich genommen werden. Außerdem sei 1927 der Sonderzuschlag zum großen Teile weggefallen. Dadurch sei die rund 10–12%ige Erhöhung bei den Beamten zum Teil aufgehoben worden.

Er erinnerte an die frühere Forderung des Reichsinnenministers Wirth „Erst Brot, dann Reparationen“. Der Reichskanzler scheine heute einen anderen Standpunkt zu vertreten, wenn er erkläre, daß die Reichsregierung unmöglich in Verzug kommen dürfe. Wenn unsere Auslandszahlungen mit unseren inländischen Zahlungen in Konkurrenz treten würden, dann müsse die Beamtenschaft den Standpunkt vertreten, daß die Beamtengehälter auf Gesetz beruhen und nicht durch Notverordnung gekürzt werden können4.

4

Der Reichsbund der höheren Beamten hatte in seinem Schreiben vom 19.5.31 den RK darauf hingewiesen, daß die Gehaltskürzung der NotVO vom 1.12.30 die Situation der Reichsfinanzen nicht verbessert und überdies wegen des verstärkten Konsumverzichts die Wirtschaft belastet habe; die geplante überproportionale Gehaltskürzung für die höheren Beamten verstoße gegen das Besoldungsgesetz. Anstelle der Gehaltskürzung hatte der Reichsbund die Revision des Youngplans gefordert (R 43 I /2369 , Bl. 47–48). Am gleichen Tag hatte der Reichsbund der höheren Beamten den RPräs. aufgefordert, die neue NotVO nicht eher zu vollziehen, bevor den Vertretungen der Beamtenschaft Gelegenheit gegeben worden sei, ihre Bedenken gegen die Gehaltskürzungen vorzutragen (R 43 I /2369 , Bl. 57). Am 21. 5. hatte sich der Reichsbund gegen die Pensionskürzungen für Beamte, die vor dem 1.10.27 in den Ruhestand getreten waren, gewandt (R 43 I /2369 , Bl. 76–78). Bohlen hatte dem RK am 28. 5. eine Entschließung des Philologenverbands gegen die Gehaltskürzung zugeschickt (R 43 I /2369 , Bl. 106–110).

Der Reichskanzler entgegnete auf diese letzte Bemerkung, daß, wenn die Reichsregierung diesen Standpunkt teilen würde, eine solche Erklärung von ihrer Seite zur Zurückziehung der Kredite führen würde. Dann würden vielleicht schon am 1. Juli überhaupt keine Gehälter mehr ausgezahlt werden können. Er nehme aber an, daß die Beamtenorganisationen diesen Standpunkt nicht der Reichsregierung gegenüber, sondern dem Auslande gegenüber vertreten wollten.

Auf Zustimmung von Dr. Bohlen hin, bat er, seitens der Organisationen im Auslande möglichst für diesen Standpunkt Propaganda zu machen. Das könne für die Reparationserörterungen der Reichsregierung nur nützlich sein.

Zu den Lohnverhältnissen bemerkte der Reichskanzler, daß der „Gesamtlohn“ vielfach bereits unter den Stand von 1927 gesunken sei. Für den qualifizierten Metallarbeiter z. B. sei der Lohn im wesentlichen Industriegebiet von 78 auf 70 Pf für die Stunde gesunken. Das sei aber weniger bedeutend gegenüber der Tatsache, daß die Akkordarbeit fast vollständig beseitigt worden sei.

Bezüglich der Senkung der Lebenshaltungskosten gab der Reichskanzler einen Überblick über die Verhältnisse in den hauptsächlichsten europäischen Ländern. Danach ist der Lebenshaltungsindex in Deutschland stärker gesunken als in allen übrigen Ländern außer Belgien. Im einzelnen ist der Rückgang: in Italien von 491 auf 490, d. i. nur 1%, in Belgien von 232 auf 212. Dieser Umfang der Senkung in Belgien wäre indes nur durch ganz ungewöhnliche Maßnahmen zu erzielen gewesen.

Zum Schluß ging der Reichskanzler nochmals ein auf die internationalen Ursachen unserer Wirtschaftsnot sowie der ganzen Krise. Eine wesentliche[1154] Besserung könne seiner Ansicht nach lediglich durch eine neue politische Vertrauensbasis in der ganzen Welt herbeigeführt werden.

Dr. Völter hielt er noch entgegen, daß auch bei den höheren und mittleren Beamtengruppen einzelne 1927 schlechter weggekommen seien. Wenn aber diese Einzelheiten jetzt alle berücksichtigt werden sollten, würde die ganze Besoldungsordnung umwälzend geändert werden müssen, was jetzt natürlich keineswegs in Frage kommen könne.

Dr. VölterVölter fragte noch, ob der Reichskanzler Zusagen auf die Wünsche der Beamtenschaft machen könne.

Der Reichskanzler erklärte, dem Kabinett nicht vorgreifen zu können.

Herr FlügelFlügel brachte noch vor, daß es sehr im Sinne der von ihm vertretenen Beamtenschaft wäre, wenn die Reichsregierung einen weiteren reparationspolitischen Schritt ins Auge fasse.

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