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8b. Haushalt des Reichstages12.
Ministerialdirektor v. Schlieben teilte mit, daß auch der Etat des Reichstages auf verfassungsmäßigem Wege zustande kommen, d. h. zunächst dem Reichsrat und dann erst dem Reichstag vorgelegt werden müsse. Der Reichstagspräsident habe jedoch entsprechend der früheren Praxis den umgekehrten Weg verlangt und zunächst die Verabschiedung des Etats des Reichstages durch diesen selbst in Anspruch genommen. Eine über diese Frage stattgehabte Besprechung habe zu dem Ergebnis geführt, daß der Reichstagspräsident seinen Standpunkt aufrechterhalten habe13; der Reichstag würde versuchen, eine Verfassungsänderung herbeizuführen. Es sei klar, daß dieses Vorgehen nicht verfassungsmäßig sei. Trotzdem würde er glauben, daß man im vorliegenden Falle sich stillschweigend mit der Vorlage zunächst an den Reichstag einverstanden erklären solle, zumal sachliche Meinungsverschiedenheiten mit dem Reichsfinanzministerium über den Haushalt selbst nicht beständen. Staatssekretär Dr. Lewald vertrat gleichfalls die Auffassung, daß auch der Haushalt des Reichstages verfassungsmäßig zunächst den Reichsrat passieren müsse. Er[598] empfahl eine kommissarische Beratung zwischen den Vizepräsidenten Dr. Bell und Dietrich, zwei rechtskundigen Mitgliedern des Reichstages, Dr. Spahn und v. Delbrück, dem Reichsminister der Finanzen, dem Reichsminister des Innern und dem Reichsjustizminister. Im übrigen glaubte er, daß man, um die Angelegenheit nicht aufzuhalten, in diesem Falle den Etat zunächst an den Reichstag gehen lassen solle. Es wurde dementsprechend beschlossen. Der Reichsminister der Finanzen wird das Weitere veranlassen. Die von Staatssekretär Dr. Lewald vorgeschlagene kommissarische Besprechung soll demnächst herbeigeführt werden14.