2.196 (bru1p): Nr. 196 Besprechung des Reichspräsidenten mit Vertretern des Reichsverbands der Deutschen Industrie. 12. Dezember 1930

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Nr. 196
Besprechung des Reichspräsidenten mit Vertretern des Reichsverbands der Deutschen Industrie. 12. Dezember 1930

R 43 I /2426 , Bl. 119–121 Durchschrift1

1

Die Aufzeichnung wurde der Rkei am 12. 12. von StS Meissner übersandt.

Anwesend: v. Hindenburg; Duisberg, Frowein, Kastl, Kraemer, Silverberg, StS z. D. v. Simson; [Protokoll:] StS Meissner.

Geheimrat Dr. Duisberg führte aus: Die Industrie könne nicht zugeben, daß Zollerhöhungen stattfinden für landwirtschaftliche Produkte, die durch Verträge gebunden sind. Die Kündigung von Handelsverträgen und die Erhöhung der Zölle für landwirtschaftliche Veredelungsprodukte würden ganz ungeheure Rückwirkungen auf die deutsche Industrie ausüben und den Lebensnerv mancher Industriezweige treffen.

Geheimrat Dr. Kastl legt dar, daß die Erhöhung der Zölle für agrarische Veredelungsprodukte, wie sie vom Reichslandbund verlangt wird2, zur Kündigung von etwa 10 Handelsverträgen und im weiteren Verfolg zu einer großen Erschwerung der deutschen Ausfuhr nach den betroffenen Ländern führen würde. Der Umfang der deutschen Ausfuhr in diese Länder beträgt über 5 Milliarden Reichsmark. Eine Erhöhung dieser Agrarzölle würde ganze Industriezweige Deutschlands in ihrem Absatz schwer schädigen, die Arbeitslosigkeit steigern und damit erheblich mehr Schaden anrichten, als der Nutzen beträgt, der der Landwirtschaft erwüchse. Mit Zöllen allein kann man der Landwirtschaft[725] überhaupt nicht dauernd helfen. Die Industrie ist bereit, auf anderen Gebieten der Landwirtschaft zu helfen, z. B. durch die Bereitstellung der Mittel für Modernisierung der Molkereiproduktion und zur Schaffung von landwirtschaftlichen Absatzorganisationen.

2

S. Dok. Nr. 192.

Dr. Silverberg: Wir von der Industrie haben immer die Zusammenarbeit zwischen Landwirtschaft und Industrie betont und unser Verhalten stets durch die Rücksicht auf die deutsche Gesamtwirtschaft bestimmen lassen. Das haben die landwirtschaftlichen Organisationen, die sehr einseitig denken, in der letzten Zeit nicht beachtet. Auch die Landwirtschaft muß sich der Gesamtwirtschaft ein- und unterordnen. Gerade aus diesen Rücksichten auf die Gesamtwirtschaft hat die Industrie sehr nachhaltig der Landwirtschaft geholfen, und sie ist bereit, dies auch weiter zu tun.

Dr. Kraemer weist darauf hin, daß für die Landwirtschaft aus der Handelsspanne noch allerhand Vorteile herauszuholen seien. Dann weist er an Hand von Beispielen nach, daß in Deutschland die Kasein-Produktion bei einem Zollsatz, wie er in den Wünschen des Reichslandbundes gefordert wäre, überhaupt nicht mehr rentabel arbeiten könnte3. Die berechtigten Wünsche der Landwirtschaft habe die Industrie immer unterstützt und werde dies auch weiter tun.

3

Vgl. hierzu Dok. Nr. 193, Anm. 9.

Der Herr Reichspräsident dankt den Herren für ihre Darlegungen, die er auch dem Herrn Reichskanzler zur Kenntnis bringen werde, und hofft, daß sich ein gerechter Ausgleich zwischen den Interessen der tatsächlich schwer notleidenden Landwirtschaft und der Industrie finden lassen werde.

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