1.162.1 (bru2p): 1. Stützung der Sparkassen.

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1. Stützung der Sparkassen.

Präsident KleinerKleiner führte folgendes aus. Die 100 Millionen, die den Sparkassen im Reich zur Verfügung gestellt worden seien1, seien ausgegeben, 10 Millionen davon zur Zahlung von Steuern. Weitere rund 100 Millionen würden benötigt bis zum Wiederbeginn der unbeschränkten Auszahlung am 3. August2. Dann werde mit einem Zahlungsmittelbedarf von etwa 1 Milliarde entsprechend 10% der Spareinlagen gerechnet werden müssen.

1

Die Rbk hatte am 18.7.31 den Sparkassen 100 Mio RM gegen Wechsel mit Effekten als Sicherheitsunterlage zur Verfügung gestellt (Nachl. Luther Nr. 365, Bl. 86).

2

Vgl. Dok. Nr. 413.

Schließung der großen Sparkassen im Westen werde einen allgemeinen Sturm nicht nur auf Sparkassen, sondern auch auf alle Bankeinrichtungen zur Folge haben. Die Beunruhigung sei dort insbesondere auch wegen der Rheinischen Landesbank im Wachsen. Sie breite sich auch auf das übrige Deutschland aus. Einige Sparkassen seien bereits an Mittel herangegangen, die neu zugeflossen seien, obwohl der Verband strenge Anweisung erteilt habe, neue Einzahlungen auf Reichsbankgirokonto zu überweisen. Würden Sparkassen geschlossen, dann würde das Vertrauen der neuen Einzahler getäuscht. Würde ihnen gezahlt, so würden es die alten Kunden nicht verstehen.

Auf eine Frage des Reichskanzlers antwortete er, Kredite seien an Kommunalverwaltungen nicht gegeben worden. Die Zahlungen hätten sich im Rahmen der Notverordnung3 gehalten.

3

Damit dürfte die 5. VO über die Wiederaufnahme des Zahlungsverkehrs nach den Bankfeiertagen vom 23.7.31 (RGBl. I, S. 393 ) gemeint sein.

Die Sparkassen verlangten keine absolute Gleichstellung mit den Banken. Gleichbehandlung jedoch hinsichtlich der Sparguthaben. Sie dürften allgemein nur allmählich freigegeben werden, wenn sie mit der Absicht längerer Festlegung eingezahlt worden seien.

Es sei dringend erwünscht, daß der Reichskanzler vor der Eröffnung des unbeschränkten Zahlungsverkehrs im Rundfunk beruhigende Erklärungen abgebe4. Die Rede könne dann auch durch Plakate allgemein verbreitet werden.

4

Der RK hielt am 4.8.31 eine Rundfunkrede über die außenpolitische Entwicklung und die Bankenkrise. Der Text der Rede wurde durch WTB Nr. 1639 vom 4.8.31 verbreitet (R 43 I /2372 , S. 389–393; auch in Schultheß 1931, S. 169–173).

[1445] Die Verhandlungen über die Schaffung formeller bankmäßiger Unterlagen für die Girozentrale seien noch im Flusse.

Auf einen Einwurf des Reichsministers der Finanzen erwiderte er, die Sparkassen seien nicht zu Banken geworden. Auch früher hätten sie täglich fällige Beträge angenommen, insbesondere bis zu 300 M. Die Organisationen hätten seit der Stabilisierung der Währung versucht, die Sparkassen ihren eigentlichen Aufgaben wieder zuzuführen, nachdem sie in der Inflation hauptsächlich auf Personalkreditgewährung abgestellt worden seien. Jetzt betrage der Realkredit der Sparkassen bereits 50% ihrer Kapitalien. Die kurzfristigen Anlagen spielten gegenüber den langfristigen keine Rolle. Die Kommunen hätten die Sparkassen in ihre schwierige Lage hineingedrängt. Jetzt sei es verboten, ihnen kurzfristige Kredite für die Wohlfahrtspflege zu geben. Trotzdem hätte dies die Rheinische Landesbank in größtem Umfange getan.

Der Preußische Minister des Innern berichtete über seine Reise nach dem Westen. Die Polizei sei dort schlagfertig. Die leitenden Beamten hätten gemeldet, daß die Kommunisten ihre Agitation bei den Beamten mit geringem, bei den Erwerbslosen und bei den Sparern aber mit nicht unerheblichem Erfolg betreiben. Käme es zu Stockungen bei der Auszahlung der Wohlfahrtsbezüge und Arbeitslosenunterstützungen, dann sei eine schwierige Lage zu erwarten; diese gleichzeitig im ganzen Westen zu meistern, würde eine außerordentliche Aufgabe sein. Deswegen müsse verhütet werden, daß die Rheinische Landesbank zusammenbricht. Die Städte könnten keine Mittel mehr aufbringen. Es bestehe dann die Gefahr, daß sie Gutscheine und andere Geldzeichen ausgäben oder keine Unterstützungen mehr zahlten, und damit die Gefahr inflatorischer Wirkungen oder von Revolten. Es sei jetzt noch möglich, beides mit verhältnismäßig geringen Mitteln abzuwenden.

Staatsfinanzrat WeltzienWeltzien erklärte, die Sparkassen hätten nur geringe liquide Reserven, ihre Finanzwechsel aber seien vollwertig. Sie seien durch hypthekarische Forderungen sowie durch Forderungen gegen Reich und Staat und Hypothekeninstitute gedeckt, allerdings von geringer Beweglichkeit. Den Sparkassen müsse also geholfen werden, liquide zu sein. 1,9 Milliarden befänden sich auf Girokonto und würden für Gehälter und Lohnzahlungen in Anspruch genommen.

Der Reichskanzler erklärte es für unmöglich, den vollen Zahlungsverkehr bei den Banken und Sparkassen gleichzeitig zuzulassen. Zunächst müsse das bei den Banken erreicht werden entsprechend der Natur ihres Geschäftes. Wenn das Geld wieder zurückflösse, könnten auch die Sparkassen allmählich zum unbeschränkten Zahlungsverkehr übergehen. Sie würden durch diese Behandlung nicht diskreditiert, weil sie mit der grundsätzlich längerfristigen Anlage bei ihnen im Einklang stände.

Er sei bereit, vor Eröffnung des Zahlungsverkehrs im Rundfunk beruhigende Worte zu sagen, dies werde aber nicht allein helfen. Plakate würden wenig gelesen.

Agitatoren müßten festgenommen werden. Die Frage, wie weit ihnen durch Redner entgegengewirkt werden könne, die die Massen über die wahren Zusammenhänge[1446] aufklären, werde mit dem Preußischen Innenminister zu prüfen sein.

Die Regierung könne nicht dauernd Notverordnungen erlassen. Zunächst müßten die Verhandlungen über die Stillhaltung der Auslandsgläubiger abgeschlossen sein5. Gleichzeitig seien die Probleme der Großbanken zu lösen, dann die der Sparkassen.

5

Vgl. P. 3 dieses Dok.

Es sei erforderlich, daß die Oberbürgermeister den Mut aufbrächten, die Wahrheit zu sagen. Hunderte von Millionen kurzfristiger Kredite hätten die Kommunalverwaltungen aufgenommen6. Das Volk würde die vorbildliche Haltung beibehalten, wenn Fehler offen bekannt würden und Umkehr sichtbar sei.

6

Zur kurzfristigen Verschuldung der Städte und Gemeinden hatten der Präs. des Dt. Städtetages, Mulert, Präs. Kleiner und Staatsfinanzrat Weltzien in einer Unterredung mit MinDir. Zarden vom RFMin. folgende Zahlen genannt: Die kurzfristige Verschuldung der Gemeinden aus früheren Etatdefiziten habe 650 Mio RM betragen. Für 1931 rechne man mit 500 Mio RM Defizit. Durch die neueste Entwicklung der Steuereingänge werde sich das Defizit auf 700–750 Mio RM entwickeln; die kurzfristigen Schulden der Städte über 50 000 Einwohner betrügen 900 Mio RM. 150 Mio RM würden bis Ende August fällig. Hierfür müßten die erforderlichen Mittel, eventuell gegen Wechsel und die Hergabe kommunaler Werke, zur Verfügung gestellt werden. „Es müßten zunächst die Zweckbestimmungen der Hauszinssteuer und der Kraftfahrzeugsteuer beseitigt werden. Evtl. müsse das Reich die Gemeinden an den Hoover-Ersparungen beteiligen. Auch müsse die Sozialversicherung schnell geändert werden. Daneben müsse eine besondere Lombard-Kasse bei der Reichsbank oder der Rentenbank gegründet werden, die Geld gegen lombardfähige Rentenbankscheine gäbe. […] Endlich müsse auch die Ausgabenseite berücksichtigt werden. Weitere Senkung der Gehälter, dann aber auch der Hauszinssteuer, der Mieten, der Gehälter in der Privatwirtschaft. Kurz eine richtige Folgeziehung aus der Deflation“ (Vermerk Zardens vom 27.7.31, R 43 I /2372 , S. 165–167). Die gleichen Vorschläge unterbreitete Mulert dem StSRkei in einem Schreiben vom 29.7.31 (R 43 I /2372 , S. 179–184).

Die Vermehrung der Zahlungsmittel um Milliarden würde das Ende der Wirtschaft bedeuten. Die Reichsbank müsse den Sparkassen über die nächsten Tage hinweghelfen. Die Beunruhigung bei der Rheinischen Landesbank sei nicht zuletzt mit darauf zurückzuführen, daß der Direktor in den kritischen Tagen auf Urlaub gegangen sei. Das Vertrauen sei erschüttert, Vertuschungsversuche wirkten in dieser Richtung. Die Fehler müßten öffentlich bekanntwerden. Grundlegende Änderungen müßten sofort eintreten, auch in der Besetzung der leitenden Posten. Weitere Einsparungen seien erforderlich, auch weitere steuerliche Maßnahmen. Der ganze Fragenkomplex müsse im Zusammenhang gelöst werden. Es sei eine ungeheure Arbeitslast für die nächsten Tage. Die Regierung werde aber durchkommen.

Aufnahme kurzfristiger Kredite durch die Kommunalverwaltung ohne Genehmigung der Staatsregierung müßten unter Strafe gestellt werden.

Der Reichsminister der Finanzen stimmte diesen Ausführungen zu. Das Wettrennen zu Sparkassen und Banken müsse aufhören. Grundsätzlich seien erstere nur für langfristige Geldanlagen zuständig. Es sei zu erwägen, ob Kündigungsfristen im Wege des Gesetzes eingeführt werden sollen.

Auch der Preußische Minister des Innern stimmte den Ausführungen des Reichskanzlers zu. Die Entwicklung des letzten Jahres sei nicht vorauszusehen gewesen. Sie sei früher erheblich optimistischer beurteilt worden. Es habe keinen[1447] Zweck, Vorwürfe zu machen, sondern die Fehler müßten abgestellt werden. Die Gehälter der Oberbürgermeister und Beigeordneten seien bereits stark herabgesetzt worden, aber immer noch zu hoch im Verhältnis zu der allgemeinen Einkommenslage. Weitere Herabsetzung werde notwendig sein7.

7

In seiner Aufzeichnung über die Sitzung des Wirtschaftsausschusses der RReg. (IfZ ED 93, Bd. 12, Bl. 468–476) notierte StS Schäffer folgende Äußerungen Severings: „Wir haben die Gehälter der Oberbürgermeister und der Spitzen der Provinzialverwaltung herabgesetzt. Wir können auch diese herabgesetzten Gehälter nicht veröffentlichen, weil sie immer noch soviel höher sind als die Gehälter der Staatsbeamten und die gekürzten Arbeitslöhne und Wohlfahrtsunterstützungen. Es kommt darauf an, jetzt Ruhe zu halten. Wo sollen die Oberbürgermeister reden? Die Stadtverordnetenversammlung ist nicht die richtige Stelle, denn sie ist mit schuld. In den Arbeitslosenversammlungen zu sagen, daß die Sätze noch weiter gesenkt werden müssen, dazu gehört ein Mut, den nur wenige Menschen in Preußen und im Reich haben“ (IfZ ED 93, Bd. 12, Bl. 472).

Der Preußische Finanzminister wies darauf hin, daß die Gemeinden Steuereinnahmen nicht vorschriftsmäßig an die Staatsregierung abgeliefert, sondern für sich zu Zwecken der Wohlfahrtspflege und ähnliche dringende Zahlungen verbraucht hätten. Die Krisenfürsorge sei um 700 Millionen gestiegen. Die Überweisungen des Reichs um 445 Millionen bei Ländern und Gemeinden zurückgegangen. Die neuen Steuern, die zugelassen seien, glichen diese Fehlbeträge nicht aus. Die forcierte Bautätigkeit, die auch von den Reichs- und Landesstellen gefördert worden sei, habe wesentlich zu den Schwierigkeiten beigetragen.

Der Reichsbankpräsident hielt die Eröffnung des unbeschränkten Geldverkehrs für ein großes Risiko, wenn die Grundlage nicht sicher geschaffen sei. Neue Anleihen könnten weder im Inlande noch im Auslande abgeschlossen werden. Notwendig seien ausgeglichene Etats in Ländern und Gemeinden. Er sagte zu, sich im Reichsbankdirektorium dafür einzusetzen, daß für die Sparkassen die dringend erforderlichen Mittel bereitgestellt werden.

Der Reichskanzler ersuchte den Sparkassenverband, ihm bis zum 29. oder 30. Juli einen Vorschlag zur Lösung der Sparkassenprobleme, insbesondere auch der Wiedereröffnung des Zahlungsverkehrs bei den Sparkassen einzureichen. Dabei sollen die erforderlichen Angaben, insbesondere über den Bedarf an Zahlungsmitteln, den Zeitpunkt der Inkraftsetzung der vorgeschlagenen Maßnahmen, die bestehenden Zahlungsverpflichtungen und andere maßgebende Tatsachen zu machen sein8.

8

Mit Schreiben vom 30.7.31 teilte der Präs. des Dt. Sparkassen- und Giroverbands, Kleiner, dem RK mit, daß die Rbk für den Zahlungsmittelbedarf der Sparkassen bis Ende der laufenden Woche einen Kredit von 75 Mio RM zur Verfügung gestellt habe. Für den Monat August rechnete Kleiner – unter der Voraussetzung der Aufhebung der Zahlungsbeschränkungen – mit einem Bedarf von 500 Mio RM für die Sparkassen; diese Summe müsse von der Rbk auf der Grundlage von Wechseln kreditiert werden. Für die Neuregelung des Zahlungsverkehrs unterbreitete Kleiner folgende Vorschläge:

1.Gleichartige Behandlung der Giro- und Kontokorrentguthaben bei Sparkassen, Girokassen, Kommunalbanken und Girozentralen mit den Guthaben bei Banken.

2.Regelung der Auszahlung von Sparguthaben nach den Satzungsbestimmungen der Sparkassen, wobei künftig ohne vorherige Kündigung nur 300 RM sofort ausgezahlt werden sollten. Die Kündigungsfrist für Beträge über 300 RM bis zu 1000 RM sollte 1 Monat, für Beträge über 1000 RM 3 Monate betragen.

3.Kündigungsgelder, die im August fällig würden, sollten wie Spargelder behandelt werden.

4.Im Interesse des Hausbesitzes und der Landwirtschaft sollte bis auf weiteres der Hypothekensatz nicht erhöht werden.

5.Sparkassen und Girozentralen erhalten durch NotVO bis zur Durchführung entsprechender Satzungsänderungen das Recht, Wechsel auszustellen und zu akzeptieren (R 43 I /659 , Bl. 165–171; das Schreiben wurde nicht vom RK, sondern vom StS Pünder abgezeichnet).

Zur Beratung dieser Vorschläge im RKab. s. Dok. Nr. 425.

[1448] Die Reichsbank wird ein klares Programm über die gesamte Abwicklung des Zahlungsverkehrs vorlegen. Auch die Frage der Gehaltskürzung werde in die Erörterung einzubeziehen sein.

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