1.53.1 (bru2p): Hilfe für die österreichische Kreditanstalt.

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Hilfe für die österreichische Kreditanstalt.

Reichsminister Dr. CurtiusCurtius teilte nach Eröffnung der Besprechung mit, daß er bei seiner Rückkehr aus Genf nach Berlin von Herrn Minister Schober aus Wien telefonisch angerufen worden sei. Herr Schober habe ihm die neuen Schwierigkeiten geschildert, die inzwischen bei der Kreditanstalt eingetreten seien1, und auseinandergesetzt, daß neue Mittel zur Finanzierung notwendig seien. Er habe auf Grund des Telefongesprächs noch am Sonntag mit Herrn Reichsbankpräsidenten Luther über die Dinge gesprochen, und ebenfalls auch mit Herrn Staatssekretär Schäffer vom Reichsfinanzministerium Fühlung genommen. Auf Grund dieser Aussprache habe er Minister Schober mitgeteilt, daß ein Beamter aus Wien zur Aufklärung des Sachverhalts nach Berlin entsandt werden müsse. Auch wir hätten das Bedürfnis, einen Herrn von uns nach Wien zu schicken, damit dieser sich an Ort und Stelle ein Bild über die Verhältnisse machen könne. Inzwischen sei Herr Direktor Ritscher2 nach Wien gefahren. Quintessenz sei, daß eine weitgehende Beunruhigung über die Verhältnisse bei der Kreditanstalt eingetreten sei, und daß die Kreditanstalt ein Moratorium in Anspruch nehmen müsse. Es genüge nicht allein ein sogenanntes Stillhalte-Konsortium zu erzielen, sondern es müßten noch erhebliche Gelder – 200 Millionen Schilling – bereitgestellt werden.

1

Zu den bisherigen Schwierigkeiten vgl. Dok. Nr. 298.

2

Samuel Ritscher, Vorstandsmitglied der Reichskreditgesellschaft.

Reichsbankpräsident Dr. LutherLuther führte in Ergänzung der Ausführungen des Herrn Ministers Curtius noch aus, daß die Kreditanstalt am heutigen Tage die Einlösung ihrer Kassenscheine verweigert habe. Die Kreditanstalt gebe Kassenscheine aus (Zahlungsanweisungen auf sich selbst) mit einer Laufzeit von drei Monaten. Um sich über die Verhältnisse ein klares Bild zu schaffen, habe er heute bei der BIZ angeläutet. In der vorigen Woche habe die BIZ jede Hilfe für die Kreditanstalt abgelehnt, weil sie den Standpunkt vertrete, daß sie es nur mit den Notenbanken zu tun habe, nicht aber mit Privatbanken. Dieser Standpunkt habe sich nicht geändert. Die BIZ sei durchaus bereit, auf die Hauptkreditoren einzuwirken, stille zu halten. Auch habe er mit der Bank von England Verbindung aufgenommen. Aus dem Gespräch habe er feststellen können, daß der Londoner Markt nicht bereit sei, Gelder für die Kreditanstalt zu geben. In London vertrete man den Standpunkt, daß die Österreicher selbst die Verpflichtungen der Kreditanstalt übernehmen müßten; erst dann ergebe sich die[1105] Frage, ob man nicht dem österreichischen Staat Gelder zur Durchführung dieser Verpflichtungen bereitstellen müsse. Dieser Standpunkt decke sich auch mit der Mitteilung, die er von der BIZ aus Basel bekommen habe, und er nehme an, daß diese Auffassung als festgelegt anzusehen sei. Was seine persönliche Meinung angehe, so glaube er sagen zu können, daß die Auffassung Londons die richtige sei. Österreich müsse erst selbst die Verpflichtungen der Kreditanstalt garantieren, dann könne in Erwägung gezogen werden, dem österreichischen Staat mit Geldmitteln zu Hilfe zu kommen. Wünschenswert sei, daß die Österreichische Regierung sich möglichst bald nach dieser Richtung hin entschließe. Hinsichtlich der Haltung von Frankreich könne er nur sagen, daß er befürchte, daß französischerseits der Versuch gemacht werde, in die Angelegenheit Politik hinein zu bringen.

Reichskanzler Dr. BrüningBrüning unterstrich noch einmal die vom Reichsbankpräsidenten dargelegten Gedankengänge und betonte, daß eine unmittelbare Hilfe nicht in Frage kommen könne.

Reichsminister DietrichDietrich wies noch einmal auf den Schaden hin, der eintreten könne, wenn die Kreditanstalt zusammenbreche. Infolgedessen müsse man Österreich wohl raten, die Garantie zu übernehmen.

Im Anschluß hieran erstattete Staatssekretär Dr. SchäfferSchäffer vom Reichsfinanzministerium einen Gesamtbericht über die Lage in Österreich in Verfolg eines Telefongesprächs, das er soeben mit Herrn Direktor Ritscher geführt hatte. Er führte u. a. aus, daß die Haltung Amerikas unfreundlich sei, und daß die Amerikaner ihre Gelder abziehen. Der englische Markt sehe die Lage ruhiger an und lasse anscheinend die Kredite stehen. Es werde ein großer Bereitstellungskredit in Höhe von 330 Millionen Schilling gebraucht. Diese Hilfe könne nur international gewährt werden. Die Österreichische Bundesregierung sei zur Zeit nicht geneigt, für die Nationalbank einzuspringen, und zwar aus zwei Gesichtspunkten:

1.

wegen der Kontrollkommission, die leicht Schwierigkeiten machen könne;

2.

wegen der Haltung des Parlaments, da ungewiß sei, ob das Parlament die Sache mitmachen werde.

Die Nationalbank sei in die Krise hineingegangen mit 60 Millionen Dollar allgemeiner Auslandsverpflichtungen, mit 10 Millionen Dollar ausländischer Verpflichtungen der Bank und mit 5 Millionen Dollar Kassenschulden. Die Schulden der inländischen Kreditoren hätten sich auf etwa 470 Millionen belaufen, hiervon sei allerdings der größte Teil zurückgezahlt worden. Man habe sich zunächst zur Aufgabe gestellt, ein Stillhalte-Konsortium zu gründen. Bedauerlich sei allerdings, daß die Führung in Wien zersplittert sei. Bis zur Stunde seien französische Vorschläge noch nicht unterbreitet worden. Aus den Ausführungen des Herrn Ritscher entnehme er, daß in den nächsten 48 Stunden ein Konsortium zusammentreten müsse, und daß dann ein gewisser Geldbetrag zur Verfügung zu stellen sei. Andernfalls entstehe die Gefahr einer Katastrophe; hieraus werde sich leicht ein Moratorium ergeben.

Vizepräsident DreyseDreyse von der Reichsbank legte die Haltung der Nationalbank dar, die zur Zeit nicht geneigt sei, irgendeine Hilfe zu gewähren. Anscheinend[1106] wolle die Nationalbank ihre Verpflichtungen nicht vergrößern. Eine Hilfe der BIZ werde erst in Frage kommen können, wenn die Nationalbank durch die Verhältnisse in Wien in Schwierigkeiten komme. Allerdings wolle sich die Nationalbank hierin auf eine Hilfe durch die BIZ nicht verlassen.

Die weitere Aussprache ergab, daß es zur Zeit nicht möglich sei, unmittelbar zu helfen, daß Deutschland aber bereit sei, bei einer internationalen Hilfe mitzuwirken.

Der Reichsminister des Auswärtigen wurde beauftragt, der Österreichischen Regierung folgende Erklärung zukommen zu lassen:

„Die Größe der zu einer wirksamen Hilfe für die Kreditanstalt erforderlichen Summen führt dazu, daß nur auf internationalem Wege die Mittel aufgebracht werden können.

Die im Laufe des heutigen Tages angestellten Bemühungen und Ermittlungen über die Haltung der verschiedenen Plätze, bei denen die Reichsbank mitgewirkt hat, haben ergeben, daß die Möglichkeit einer internationalen Hilfe für die Kreditanstalt davon abhängt, daß der Österreichische Staat für die Verpflichtungen der Bank eine Garantie übernimmt.

Deutschland wird sich an einer internationalen Hilfsaktion, durch die der Kreditanstalt unmittelbar oder mittelbar wirksame Hilfe gebracht werden kann, beteiligen.“3

3

Zum weiteren Verlauf der Verhandlungen über die Sanierung der Österr. Kreditanstalt vgl. Dok. Nr. 335.

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