1.148.4 (bru3p): 4. Beschäftigung von Wohlfahrtserwerbslosen durch die Reichspost.

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4. Beschäftigung von Wohlfahrtserwerbslosen durch die Reichspost.

Der Reichspostminister nahm Bezug auf seine Ausführungen zum gleichen Beratungsgegenstand in der Kabinettssitzung vom 23. Dezember 1931 und wiederholte, daß der Deutsche Städtetag auf Anregung des Reichspostministeriums seinen Mitgliedstädten empfehlen solle, der Deutschen Reichspost für jeden Wohlfahrtserwerbslosen, der zur Ausführung gewisser durch postfremde Arbeiter herzustellende Arbeiten eingestellt werde, einen Zuschuß bis zu 2 RM je Tagewerk zu gewähren9. Er führte weiter aus, daß das Reichspostministerium aufgrund der anschließenden Aussprache zur Sache in der Kabinettssitzung vom 23. Dezember das grundsätzliche Einverständnis des Reichskabinetts mit dem Vorhaben angenommen habe. Nachträglich habe aber der Reichsarbeits- und Reichswirtschaftsminister Bedenken geäußert, so daß die erneute Kabinettssitzung notwendig geworden sei10.

9

Vgl. Dok. Nr. 614, P. 3.

10

Der RWiM hatte mit Schreiben vom 7.1.32 an den RArbM bestritten, daß überhaupt ein Kabinettsbeschluß gefaßt worden war und es im übrigen für unmöglich gehalten, Mißbräuche auszuschließen. „Auf die zur Genüge erörterten Gründe, die mich zur Ablehnung von Lohnzuschüssen in der Privatwirtschaft veranlassen, will ich heute nicht eingehen. Wenn aber die Reichspost, die auch ein Wirtschaftsunternehmen ist, gegen wichtige wirtschaftliche Grundsätze verstößt, so liegt es nur zu nahe, daß sich auf dieses Vorbild eines Reichsunternehmens sehr bald die Privatwirtschaft berufen wird“ (R 43 I /2042 , Bl. 130–131, Zitat, Bl. 130). Mit Schreiben vom 20.1.32 hatte der RPM eine erneute Beratung gefordert (R 43 I /2042 , Bl. 146–149).

Der Reichsarbeitsminister habe anfänglich geltend gemacht, daß er Bedenken grundsätzlicher Art gegen das in Frage kommende System habe. Die Gemeinden versuchten nämlich in immer größerem Umfange ihre Lasten für Wohlfahrtserwerbslose dadurch auf die Versicherung abzuwälzen, daß sie Unternehmen, die Wohlfahrtserwerbslose beschäftigen solange Zuschüsse gegen, oder selbst Wohlfahrtserwerbslose gerade solange beschäftigen, bis die Anwartschaft auf versicherungsmäßige Unterstützung wieder erworben ist11. Diese Bedenken seien in einer Chefbesprechung ausgeräumt worden.

11

Diesen Satz hatte der RArbM mit Schreiben vom 19.1.32 in das Kabinettsprotokoll vom 23.12.31 (Dok. Nr. 614, P. 3) nachträglich einfügen lassen wollen (R 43 I /2042 , Bl. 143–144).

Der Reichsarbeitsminister bestätigte die Richtigkeit dieser Ausführungen. Er erklärte, daß mit der Post inzwischen zuverlässige Kautelen gegen die Verlagerung der Erwerbslosenfürsorgelasten auf die Reichsanstalt für Arbeitslosenversicherung vereinbart seien12. Vom Standpunkt des Arbeitsministeriums aus könne er seine[2266] Bedenken gegen den Plan der Reichspost daher fallen lassen. Bemerken müsse er jedoch, daß er sich von den Absichten der Reichspost keinen allzu großen Erfolg auf dem Gebiet der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit versprechen könne. Er erwähnte den im Schreiben des Reichsverbandes der Deutschen Industrie vom 2. Februar 1932 […] mitgeteilten Fall der Überweisung von Wohlfahrtsmitteln durch die Stadt Breslau an die Schuhfabrik Langermann-Dorndorf und fügte hinzu, daß dieser Fall dazu geführt habe, daß Schuhfabriken in der Pfalz stillgelegt seien und daß die Fabrikation nach Breslau verlegt worden sei13. Im ganzen gesehen sei daher eine Verminderung der Erwerbslosigkeit nicht erreicht worden.

12

Der RArbM hatte dem StSRkei in einem Schreiben vom 18.1.32 den einstimmigen Beschluß der Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertreter im Vorstand der RAfAuA gegen den Plan des RPM mitgeteilt (R 43 I /2042 , Bl. 145). Vgl. auch das Schreiben des RArbM vom 12.1.32, a.a.O., Bl. 139–141.

13

Schreiben des RdI vom 2.2.32 in R 43 I /2042 , Bl. 192–193; der RdI hatte hierbei betont: „Wir haben bisher Anträge der uns angeschlossenen Kreise auf Gewährung von Zuschüssen bei einer Beschäftigung von Wohlfahrtserwerbslosen stets ablehnend beschieden und glauben, hierin in Übereinstimmung mit den Absichten der Reichsregierung gehandelt zu haben. Die Aufrechterhaltung dieses Standpunktes würde uns aber zum mindesten außerordentlich erschwert sein, wenn der Beschluß der Stadt Breslau oder die Verhandlungen, die die Reichspost in ähnlicher Weise führt, verwirklicht werden sollten“ (a.a.O., Bl. 193).

Für den Reichswirtschaftsminister erklärte Staatssekretär Dr. Trendelenburg, daß er schwere grundsätzliche Bedenken gegen den Plan der Reichspost habe. Er führte aus, daß es unmöglich sei, eine Form zu finden, durch die Mißbräuche ausgeschlossen würden. Vor allem aber halte er die Lohnsubvention für Arbeiten der Reichspost wegen der unausbleiblichen Konsequenzen in der Privatwirtschaft für sehr bedenklich.

Der Reichskanzler erklärte, daß der Beratungsgegenstand auf Antrag des Reichspostministeriums nur deshalb auf die Tagesordnung gesetzt worden sei, weil angenommen würde, daß die hauptbeteiligten Ressorts sich zur Sache ohne weiteres einigen würden. Nachdem die bisherige Aussprache aber ergeben habe, daß eine schnelle Einigung nicht möglich sei, müsse der Gegenstand von der Tagesordnung abgesetzt werden mit Rücksicht auf die Dringlichkeit der Erledigung der übrigen Beratungsgegenstände14.

14

Mit Schreiben vom 12.2.32 verzichtete der RPM auf die weitere Verfolgung der Angelegenheit und behielt sich eine geeignete Regelung im Einzelfall vor (R 43 I /2042 , Bl. 221). Am 9.3.32 wandte sich der Präs. des Dt. Städtetages Mulert an StS Pünder und bat um Erörterung der Vereinbarung mit der RP im Kabinett; MinR Vogels wies in seinem Vermerk vom 14.3.32 auf den Verzicht des RPM hin (R 43 I /2042 , Bl. 307–308).

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