1.159 (bru3p): Nr. 673 Vermerk des Staatssekretärs Pünder über die Wahl des Reichspräsidenten. 15. Februar 1932

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Nr. 673
Vermerk des Staatssekretärs Pünder über die Wahl des Reichspräsidenten. 15. Februar 1932

Nachl. Pünder Nr. 97, S. 119–121.

Entsprechend den Verabredungen vom gestrigen Sonntag abend1 empfing der Herr Reichspräsident heute mittag 12.15 Uhr den Herrn Reichskanzler zu einer halbstündigen Aussprache2. Der Herr Reichspräsident überreichte dem Herrn Reichskanzler den anliegenden Aufruf, den er kurz vor seiner Aussprache bereits[2294] unterzeichnet und der Presse zugeleitet hatte3. In Ergänzung dieses Aufrufs bemerkte der Herr Reichspräsident dem Herrn Reichskanzler gegenüber, daß er mit ruhiger Sicherheit sich in diesen Kampf begebe. Nach reiflicher Prüfung sei er zu dem Ergebnis gekommen, daß er auch seinen Namen wahren müsse, da er es nicht für verantwortbar gehalten hätte, seinen Posten in schwerer Zeit eigenmächtig zu verlassen (welche Bemerkung sich auch in der Anlage befindet).

1

Das Dok. auch in Schulz, Politik und Wirtschaft in der Krise, Dok. Nr. 430. Am 14.2.32 um 17.30 Uhr hatte eine Besprechung mit StS Meissner wegen der RPräs.-Wahl stattgefunden. Hierbei war offenbar auch über das frühere MdL von der Osten-Warnitz (DNVP) als Kandidat für das Amt des RIM gesprochen worden (Nachl. Pünder  Nr. 44, Bl. 108).

2

Vgl. hierzu Brüning, Memoiren, S. 527; Pünder, Politik in der Reichskanzlei, S. 114.

3

In der Anlage abgedruckt; siehe auch Schultheß 1932, S. 489; Ursachen und Folgen Bd. VIII, Dok. Nr. 1792 b.

Über den Stahlhelm äußerte sich der Herr Reichspräsident ziemlich mißmutig, fand aber doch anerkennende Worte für die schwierige Lage, in der sich die Bundesleitung befunden hätte4.

4

Vgl. Dok. Nr. 657 und Dok. Nr. 666.

Die Aussprache wandte sich dann auch noch der gestern bereits erörterten Frage einer neuen Besetzung des Reichsinnenministeriums zu, wobei der Herr Reichspräsident jetzt auch persönlich dem Herrn Reichskanzler gegenüber den Namen des früheren deutsch-nationalen Landtagsabgeordneten von der Osten-Warnitz nannte.

Der Herr Reichskanzler entwickelte entsprechend den gestern vorangegangenen Überlegungen die verschiedenen Bedenken gegen einen solchen Plan, erklärte sich aber grundsätzlich durchaus bereit, sofort in eine Prüfung dieser Anregung einzutreten. Er verabredete aber sofort mit dem Herrn Reichspräsidenten, daß angesichts der bevorstehenden Reichstagstagung eine Lösung unter keinen Umständen vor Abschluß dieser Reichstagstagung5 gefunden werden dürfe und alles streng vertraulich behandelt werden müsse. Der Herr Reichskanzler wies auch sofort darauf hin, daß er naturgemäß in dieser Frage nur im allerengsten Einvernehmen mit Exzellenz Groener vorgehen könne und werde, welcher Auffassung der Herr Reichspräsident übrigens sofort zustimmte.

5

Vgl. Dok. Nr. 672, P. 2.

Nach Rückkehr von seinem Vortrag besprach der Herr Reichskanzler letztere Angelegenheit noch mit mir. Zunächst wird unter allen Umständen nichts übereilt werden. Das erste, was geschehen muß, ist eine enge und harmonische Fühlungnahme mit Exzellenz Groener, dessen unstreitig loyale Einstellung der Herr Reichskanzler sich unter keinen Umständen verscherzen will. Den ihm genannten Herrn von der Osten-Warnitz wird er im Laufe der nächsten Zeit einmal empfangen, ist aber innerlich schon heute nicht geneigt, auf diesen Vorschlag einzugehen, schon allein aus dem Umstand heraus, daß es sich um einen 70jährigen alten Herrn handelt. Falls sich eine Lösung in völliger Harmonie mit den in Betracht kommenden übrigen Persönlichkeiten überhaupt finden lassen sollte, denkt der Herr Reichskanzler an Herrn Oberbürgermeister Goerdeler.

Abschließend besprachen wir beide dann noch die jetzt einsetzende propagandistische Vorbereitung der Reichspräsidentenwahl6, wobei wir sofortige Fühlung mit den Herren Dorpmüller und Luther in Aussicht nahmen.

6

Vgl. Dok. Nr. 680. Am 22.2.32 verkündete Goebbels Hitlers Kandidatur (Goebbels, Vom Kaiserhof zur Reichskanzlei, S. 50), am 23.2.32 nominierten Stahlhelm und DNVP den Zweiten Stahlhelmführer Duesterberg (Schultheß 1932, S. 28). Nach der Mitteilung des Reichswahlleiters vom 4.3.32 kandidierten folgende Personen für das Amt des RPräs.: Theodor Duesterberg, Oberstleutnant a. D., Halle a. d. Saale; Paul v. Hindenburg, RPräs., Generalfeldmarschall, Berlin; Adolf Hitler, Regierungsrat im braunschweigischen Staatsdienst, München; Ernst Thälmann, Transportarbeiter, Hamburg; Adolf Gustav Winter, Betriebsanwalt, Großjena bei Naumburg a. d. Saale (WTB Nr. 476 vom 4.3.32, R 43 I /585 , Bl. 151). Zum Ausgang des ersten Wahlgangs am 13.3.32 siehe Dok. Nr. 696, Anm. 1.

P[ünder]

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