1.65.1 (bru3p): Devisenbewirtschaftung. Handelspolitik.

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[2032]Devisenbewirtschaftung. Handelspolitik.

Der Reichswirtschaftsminister führte aus, neben der fortgesetzten Abschwächung ausländischer Valuten würde der deutsche Außenhandel von Maßnahmen auf dem Gebiete der Zollpolitik und der Devisenbewirtschaftung bedroht, die in einer Anzahl anderer Länder getroffen würden. Österreich, Ungarn, Jugoslawien, Griechenland, Finnland, die Randstaaten, Dänemark, zahlten bei der Ausfuhr deutscher Waren die Erlöse nicht mehr nach Deutschland aus, sie schrieben sie in der Währung des eigenen Landes gut1. Verfügung werde nur durch Einfuhr aus diesen Ländern möglich. Es handle sich also lediglich noch um einen Tauschverkehr unter Verlust der Spitze. Als Gegenmaßnahme komme in Betracht, für diese Gebiete keine Devisen mehr zur Verfügung zu stellen und auch keine Markguthaben.

1

Vgl. hierzu Luthers Tagesnotiz vom 1.12.31: „Danach wieder Kabinettssitzung, in der es sich zunächst äußerlich um das allgemeine System der Handelspolitik, innerlich, wie es sich immer mehr herausstellte, um die Frage der Butterpreise handelte. Der Preisdruck von Dänemark her, dessen Valuta immer mehr absinkt, wird unerträglich. (Die Valuta sinkt ab zusammen mit dem Pfund, das offenbar von Paris her fortgesetzt angegriffen wird, nachdem Flandin bei seinem Besuch gestern oder vorgestern in London für seine politischen Gedanken die englische Gefolgschaft wohl nicht gefunden hat). Die Frage von besonderen Zöllen gegen untervalutarische Länder soll noch weiter geprüft werden. Da offenbar Butter unter Ausnutzung von Devisengenehmigungen, die nicht für Butter bestimmt sind, importiert wird, soll eine verschärfte Überwachung stattfinden und auch die Reichsbank wird die Geschäfte der Butterimporteure besonders nachprüfen“ (Nachl. Luther  Nr. 367 Bl. 65); siehe auch Dok. Nr. 555, P. 3.

Ministerialdirektor Ritter sprach sich in eingehenden Ausführungen dagegen aus. Er hielt den Zeitpunkt noch nicht für gekommen, zu dem derartig einschneidende Maßnahmen getroffen werden müßten und fürchtete, daß das Vorbild Deutschlands die stärksten Auswirkungen zum Nachteil der deutschen Ausfuhr haben würde2. Die Einfuhr sei in den letzten Jahren stark gefallen, etwa auf die Hälfte von 1929. Würde sie weiter gedrosselt, so würde es nicht möglich sein, erhebliche Devisenersparnisse zu machen. Dadurch ständen 3 Milliarden deutschen Ausfuhrüberschusses auf dem Spiel3.

2

Vgl. dazu auch die Aufzeichnung des AA vom 7.12.31, R 43 I /2447 , Bl. 103–112.

3

Die dt. Einfuhr betrug 1931 6,727 Mrd. RM gegenüber 13,447 Mrd. RM im Jahre 1929; die Ausfuhr betrug 1929 13,483 Mrd. RM, 1931 9,599 Mrd. RM (Stat. Jhb. für das Dt. Reich 52 [1933], S. 184).

Der Reichskanzler hielt auch den Zeitpunkt noch nicht für gekommen, in den einzelnen Ländern gegenüber eine Devisensperre ausgesprochen werden müßte, wünschte aber elastische Devisenzuteilung bei der Einfuhr.

Hierzu berichtete Staatssekretär Dr. Trendelenburg, daß die Devisenzuteilung bereits auf 54,2% des Vorjahreskontingents gedrosselt worden sei. Er hielt eine elastische Handhabung bei den 36 in Frage kommenden Unterstellen nicht für möglich, ohne daß das Ausland alsbald davon erführe. Wenn Dänemark gegenüber die Buttereinfuhr gedrosselt würde, so würde sie über Holland hereinkommen4. Bei den bevorstehenden finanz- und wirtschaftspolitischen internationalen Verhandlungen könne sich eine Verärgerung der Holländer sehr ungünstig auswirken. Durch die Devisenzuteilung lasse sich nur bis zu einem gewissen Grad eine Einwirkung auf die Einfuhr ausüben. Praktische Gegenwehr sei nur möglich durch Zollerhöhungen. Es werde zu erwägen sein, ob nicht gegen England Maßnahmen ergriffen[2033] würden, weil dessen Vorgehen gegen den Sinn des Handelsvertrages in starkem Maße verstoße5.

4

Vgl. hierzu Dok. Nr. 99, Anm. 9.

5

Das brit. Landwirtschaftsmin. wurde am 27.11.31 ermächtigt, auf Agrar- und Gärtnereiprodukte durch Vo. Zollsätze in Kraft zu setzen, die 12% des Wertes nicht überstiegen (Schultheß 1931, S. 349). Vgl. auch den dt.-brit. Handelsvertrag vom 2.12.24 (RGBl. 1925 II, S. 777 ).

Der Reichsbankpräsident trat dafür ein, daß die Devisenkontingente noch weiter, etwa auf 25%, herabgesetzt würden, und daß für Einzelfälle, insbesondere für Rohstoffe, Ausnahmebewilligungen über dieses Kontingent hinaus vorzusehen wären. Einschränkung der Devisenzuteilung würde durch andere Transaktionen ausgeglichen. Vielfach bezahlten die Importeure in deutscher Mark. Daß die Mark im Auslande gesucht sei, ergebe sich aus ihrem festen Kurs. Auch Exporte würden jetzt vielfach in Mark fakturiert. Den Importeuren sollen die Markbeträge, die sie für die Einfuhr verwenden, auf ihr Devisenkontingent angerechnet werden. Das werde vom 1. Januar 1932 an möglich sein, da dann die neuen Meldepflichten in Kraft treten. Es sei zu erwägen, ob es möglich sein werde, diese Maßnahmen schon vorher in Kraft zu setzen. Dann werde auch die Einfuhr von Butter stärker gedrosselt werden können.

Ministerialdirektor Dr. Ernst wies darauf hin, daß die Mark auf verschiedenen Wegen über die Grenze gelangt. Auf der holländischen Seite wären eine Anzahl Wechselstuben errichtet worden, in denen die Umwechselung in holländische Gulden erfolge. Eine Überwachung der Reisenden fände nicht statt. Auch in Dänemark werde die Mark jetzt gern genommen. Diese Ausfuhr der Mark wirke sich allmählich ziemlich stark aus. Sie diene zum Teil auch der Einfuhr ausländischer Waren.

Eine Verringerung der Devisenbanken stehe in Widerspruch zu dem Bestreben, die Provinzbanken zu stärken.

Der Reichsminister der Finanzen hielt eine Überwachung der Reisenden zur Verhinderung der Abwanderung der Mark ins Ausland für kaum durchführbar. Er trat dafür ein, daß Deutschland sich in Brot, Getreide, Futtermitteln, Baumwolle und Kupfer eindecken solle, möglichst aus den Vereinigten Staaten auf Kredit6 oder aus Rußland7. Gegen Maßnahmen einzelner kleiner Länder, die Deutschland schädigten, müsse mit aller Schärfe vorgegangen werden. Nötigenfalls könne nicht vermieden werden, auch England gegenüber die Zölle zu erhöhen. Er sagte zu, die Buttereinfuhr, insbesondere auf dem Landwege, stärker als bisher zu überwachen. Der Abnahme eidesstattlicher Versicherungen müßten bestimmt formulierte Fragen zugrunde gelegt werden.

6

Hierzu Dok. Nr. 401, Nr. 402, P. 6 und Nr. 403.

7

Vgl. Dok. Nr. 259, Nr. 262, Nr. 268, P. 1 und Nr. 270, P. 2.

Der Reichskanzler wünschte eine energische Anwendung der erlassenen Bestimmungen, insbesondere auch der Möglichkeit, eidesstattliche Versicherungen abzunehmen8. Mit der Zuteilung von Devisen soll zögerlich vorgegangen werden. Es soll nachgeprüft werden, ob bei der Einfuhr von Butter auf dem Landwege Markbeträge ins Ausland gebracht werden. Im übrigen soll durch Verhandlungen mit den Butter-Importeuren festgestellt werden, ob und welche Mißbräuche sich bei der Buttereinfuhr ergeben haben. Nötigenfalls müsse dann die Devisenzuteilung[2034] und der Kredit durch die Reichsbank gesperrt werden9. Maßnahmen gegen die Länder, die die Bezahlung deutscher Einfuhren in ihrer Valuta verhindern, seien vorzubereiten.

8

Vgl. Dok. Nr. 555, P. 3.

9

Vgl. dazu Dok. Nr. 555, P. 3. Die Rbk teilte dem RK in Abschrift folgenden Erlaß an die Rbk-Anstalten und die Devisenabteilung der Reichshauptkasse vom 3.12.31 mit: „Es besteht Anlaß zu der Vermutung, daß unter mißbräuchlicher Verwendung der generellen Importgenehmigungen – wozu wir auch die Verwendung der Genehmigungen zu branchenfremder Einfuhr rechnen – große Butterimporte vorgenommen werden. Die Bankanstalten wollen ihr Augenmerk hierauf richten und bei Weitergabe von Devisenbestellungen ihre Beobachtungen mitteilen. Wir behalten uns vor, gegebenenfalls die Devisenzuteilung zu verweigern“ (R 43 I /2447 , Bl. 96).

Die Frage, ob ein Devisenkommissar bestellt werden soll, und ob die Zahl der Devisenbanken zu verringern sei, soll in einer Chefbesprechung verhandelt werden.

Der Reichsbankpräsident und der Reichskommissar für die Banken äußerten Bedenken.

Hinsichtlich der Eindeckung mit Roggen berichtete der Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft über inzwischen getätigte günstige Käufe10. Der Erlös werde an die Golddiskontbanken eingezahlt. An Weizen werde sich erst von Februar bis Juni Bedarf zeigen in Höhe von etwa 1 Million t. Es soll versucht werden, die Einfuhr aus Rußland in Verbindung mit dem Handel durchzuführen. Wegen der Einfuhr von Mais soll mit Rußland und den Balkanstaaten verhandelt werden. Rußland hat 150 000 t angeboten. Eine weitere Voreindeckung in Kupfer wurde nicht für erforderlich gehalten. Die Frage der Einfuhr von Baumwolle soll zurückgestellt werden. Es wurde darauf hingewiesen, daß nötigenfalls eine Streckung der Vorräte und eine Verwendung der anfallenden gebrauchten Baumwollwaren möglich sei.

10

Vgl. Dok. Nr. 544, Anm. 12.

1)

Das Reichswirtschaftsministerium wird Maßnahmen gegen die Länder vorbereiten, die die Ausfuhrerlöse nicht nach Deutschland hereinlassen, sondern in der Währung ihres Landes gutschreiben, so daß die Verfügung darüber nur durch Einfuhr aus diesen Ländern möglich ist. Österreich, Ungarn, Jugoslawien, Griechenland, Finnland, Dänemark und die Randstaaten haben derartige Regelungen getroffen. Als Gegenmaßnahme kommt in Frage, für diese Länder in Deutschland keine Devisen und keine Markguthaben mehr zur Verfügung zu stellen.

2)

Das Reichsfinanzministerium wird Maßnahmen treffen, um die Buttereinfuhr mehr als bisher zu überwachen und insbesondere festzustellen, ob bei der Einfuhr mittels Kraftwagen Markbeträge außer Landes gehen.

3)

Die Reichsbank wird durch besondere Prüfungsorgane in Form fliegender Kolonnen Devisenzuteilungen zur Einfuhr nachprüfen, insbesondere auch für Butter. Von der Möglichkeit, eidesstattliche Versicherungen abzunehmen, wird in verstärktem Umfange Gebrauch gemacht werden. Bei der Zuteilung von Devisen soll zögerlich verfahren werden.

4)

Das Reichswirtschaftsministerium wird mit dem legitimen Butterhandel über die Einfuhr von Butter verhandeln, um festzustellen, inwieweit durch andere Unternehmer ausländische Butter eingeführt wird und ob sich weitere Mißbräuche feststellen lassen.

[2035] Wegen der Einfuhr von Weizen und Mais wird mit Rußland, wegen Mais auch mit den Balkanstaaten verhandelt werden.

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