1.16 (bru3p): Nr. 530 Aufzeichnung des Staatssekretärs v. Bülow über eine Unterredung des Reichskanzlers mit dem Amerikanischen Botschafter Sackett am 30. Oktober 1931 in der Amerikanischen Botschaft in Berlin

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Nr. 530
Aufzeichnung des Staatssekretärs v. Bülow über eine Unterredung des Reichskanzlers mit dem Amerikanischen Botschafter Sackett am 30. Oktober 1931 in der Amerikanischen Botschaft in Berlin

R 43 I /330 , Bl. 265–266

Nach dem Frühstück, das der Amerikanische Botschafter aus Anlaß der Reise des Botschaftsrats Gordon nach Washington heute veranstaltete, legte der Herr Reichskanzler den Umfang unserer Auslandsverschuldung1, unsere Etatslage und die Dringlichkeit der Neuregelung der Stillehaltung in allen Einzelheiten dar. Außer einigen ergänzenden Fragen hatten der Botschafter und der Botschaftsrat hierzu nichts Wesentliches zu bemerken. Anschließend kam die Sprache auf die Reparationsfrage und der Botschafter gab Kenntnis von einem Telegramm seiner Regierung, das den entscheidenden Passus des Hoover-Laval-Kommuniqués wiedergab[1880] und erläuterte2. Der amerikanische Präsident sehe sich außerstande, eine Initiative in der Reparationsfrage zu ergreifen, sei aber bereit, eine Neuregelung zu erwägen, wenn ihm von europäischer Seite diesbezügliche Vorschläge gemacht würden. Dazu sei erforderlich, daß die Deutsche Regierung alsbald gemäß dem Youngplan den Sonderausschuß einberufe; es sei keine Zeit zu verlieren. Wie der Botschafter ferner erläuterte, sei es mit Rücksicht auf die französische Mentalität und Einstellung unerläßlich, daß die juristischen Möglichkeiten des Youngplans erschöpft würden. Ferner war in dem Telegramm ausgeführt, daß Präsident Hoover sich von der Behandlung der Angelegenheit auf einer Konferenz jetzt nichts verspreche, da diese von langer Dauer sein und die Gegensätze sehr verschärfen würde. Das Telegramm betonte auch, daß Amerika nicht an den Haager Abmachungen beteiligt sei3.

1

Vgl. Dok. Nr. 522, Anm. 10.

2

„Hinsichtlich der zwischen den Regierungen bestehenden Verpflichtungen erkennen wir an, daß vor Ablauf des Hoover-Moratoriums irgend ein Abkommen darüber notwendig sein dürfte, durch das die Periode geschäftlicher Depression überbrückt wird, über dessen Einzelheiten und Bedingungen jedoch die beiden Regierungen alle Vorbehalte machen. Die Initiative hierfür sollte baldigst von den europäischen Mächten ergriffen werden, die im Rahmen der vor dem 1. Juli 1931 bestehenden Abkommen hauptsächlich daran beteiligt sind“ (WTB Nr. 2248 vom 26.10.31, R 43 I /99 , Bl. 14).

3

Das Telegramm Stimsons ist veröffentlicht in FRUS 1931 I, S. 333  ff.

Wir setzten dem Botschafter auseinander, daß die Kompetenzen des Sonderausschusses eng begrenzt seien und daß deshalb der Bericht des Sonderausschusses nicht zu praktischen Vorschlägen führen könne, die die Basis für eine Aktion der Regierungen bzw. des amerikanischen Präsidenten abgeben könnten. Im besten Falle werde der Ausschuß feststellen, daß die ihm gelassenen Kompetenzen in der gegenwärtigen Situation nicht ausreichen; möglicherweise werde er aber auch Vorschläge machen, die auf ein zweijähriges Moratorium für den aufschiebbaren Teil hinausliefen und das würde jede Regelung der Stillhaltungsfrage unmöglich machen. Wir könnten den Sprung ins Dunkle, den die Einberufung des Sonderausschusses bedeute, nicht machen, wenn wir nicht wüßten, wie weiter prozediert werden soll. Außerdem sei es sachlich notwendig, baldmöglichst mit einem praktischen Vorschlag zur Neuregelung der Stillhaltungsfrage herauszukommen4.

4

Ähnlich hatte StS v. Bülow gegenüber dem frz. Botschafter François-Poncet am 29.10.31 argumentiert (Aufzeichnung v. Bülows in R 43 I /330 , Bl. 257–259).

Der Botschafter bekämpfte – wie er aber betonte, nur im eigenen Namen – die These, daß die privaten Schulden den Vorrang vor den Regierungsverpflichtungen haben müßten und auch die Theorie, daß es zweckmäßig sei, zunächst eine Regelung für die kurzfristigen Kredite zu finden. Er betonte im Gegenteil, daß die Regierungen nicht mit ihren Forderungen hinter die privaten Gläubiger zurücktreten könnten und machte geltend, daß man bei einer befriedigenden Regelung der Reparationsfrage den Druck der Regierungen zwecks Verlängerung des Stillhalteabkommens ausnützen könnte.

Der Botschafter unterstellte offensichtlich bei seinen Ausführungen, daß auch künftig noch sehr nennenswerte Reparationen zu zahlen sein würden sowohl auf den geschützten wie auf den ungeschützten Teil, wenn er dies auch nicht ausdrücklich erklärte. Ferner betonte er ebenso wie sein Telegramm aus Washington dies tat, daß die anzustrebende Regelung, wie es auch in dem Hoover-Laval-Kommuniqué[1881] heißt, nur dazu dienen solle, die Periode geschäftlicher Depression zu überbrücken, die die Welt gegenwärtig durchmache5.

5

Bericht Sacketts an AM Stimson über die Unterredung mit dem RK in FRUS 1931 I, S. 335 –337. Vgl. Dok. Nr. 533.

Bülow

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