1.99 (bru3p): Nr. 613 Besprechung über die Finanzlage Preußens am 22. Dezember 1931, 12.30 Uhr

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Nr. 613
Besprechung über die Finanzlage Preußens am 22. Dezember 1931, 12.30 Uhr

R 43 I /2376 , S. 105–110

Anwesend: Brüning, Dietrich; StS Pünder; MinDir. Zarden; MinR Olscher; RbkVPräs. Dreyse; RbkDir. Bernhard; PrFM Klepper; StS Weismann, Schleusener; MinDir. Hog; MinR Wellmann; Protokoll: MinDir. v. Hagenow.

Der Preußische Finanzminister trug die Finanzlage Preußens vor. Er erklärte, daß Preußen 1932, einschließlich des Fehlbetrages aus 1930,

ein Defizit von

515 Mill. RM

haben werde. Ziehe man hiervon das Defizit von 1930 in Höhe von

121 Mill. RM

ab, so verblieben

394 Mill. RM

Dazu treten als weiterer Rückgang der Lohnsteuer

45 Mill. RM

verblieben also rund

440 Mill. RM

Diese würden sich vermindern durch Gehaltskürzung um

100 Mill. RM

durch Sachabstriche um

100 Mill. RM

durch die Erhöhung der Umsatzsteuer um

72 Mill. RM

zusammen also

272 Mill. RM

272 Mill. RM

Ziehe man diesen Betrag ab, dann verbleibt noch ein Fehlbetrag von rund

170 Mill. RM

Würde die Schlachtsteuer genehmigt, so erbringe sie im Jahre

100 Mill. RM

Es verblieben dann für 1932

70 Mill. RM

Fehlbetrag.

[2129] Bis zum 31. März 1932 würden kassenmäßig ebenfalls 170 Millionen fehlen, die sich durch die noch nicht schätzbaren Ablösungsbeträge der Hauszinssteuer vermindern könnten1. Er beabsichtigte vom Jahre 1933 ab einen Schuldentilgungsfonds von jährlich 75 Millionen RM in den Etat einzustellen.

1

Vgl. Dok. Nr. 582, P. 4.

Der Preußische Finanzminister wies bei seinem Vortrag darauf hin, daß Preußen erforderlichenfalls vom Reich Abschlagszahlungen auf die Eisenbahnabfindung erhalten müsse2. Trotz aller Maßnahmen sehe er keine Möglichkeit, Ordnung in dem Etat zu schaffen, sofern nicht vom Reich aus Hilfe gewährt würde. Preußen sei nicht in der Lage, von sich aus allein den Etat auszugleichen. Die Reichsbank habe eine Hilfe nur zugesagt, sofern der Etat ausgeglichen sei.

2

Nach dem Staatsvertrag vom 30.4.20 (RGBl. S. 773 ) hatte Preußen durch die Abgabe seiner Staatsbahnen an das Reich Anspruch auf eine Eisenbahnabfindung. Die endgültige Regelung dieser Abfindung stand noch aus und blieb unerledigt.

Hierzu bemerkte der Vizepräsident der Reichsbank, daß es nicht sicher sei, ob auch bei ausgeglichenem Etat Kredit gewährt würde. Jedenfalls müsse das Konsortium, das sich mit der Angelegenheit befasse, bald klar sehen und Klarheit bringen3.

3

MinR Vogels hatte am 21.12.31 in einem Vermerk zur Kassenlage Preußens festgehalten: „Ich habe die Angelegenheit mit Ministerialrat Dr. Olscher besprochen. Preußen bedarf zur Überwindung des Endes des Kalenderjahres eines Kassenkredits von 50 bis 60 Millionen RM. Zur Zeit wird mit dem Bankenkonsortium, das bisher den preußischen Bedarf finanziert hat, wegen Beschaffung des vorgenannten Betrages verhandelt. Dem Konsortium gehört auch die Reichsbank an. Möglicherweise wird der Betrag beschafft werden können. Voraussetzung für die Mitbeteiligung der Reichsbank, auf die es ausschlaggebend ankommt, ist jedoch, daß Preußen durch die unmittelbar bevorstehende Notverordnung seinen Staatshaushaltsplan klar ausgleicht. Für den Fall, daß Preußen diese Forderung nicht erfüllen kann, befürchtet das Reichsfinanzministerium Preußen seinerseits aus Reichsmitteln beispringen zu müssen“ (R 43 I /2376 , S. 73).

Der Preußische Finanzminister betonte, daß die Reichsregierung ihre Bedenken gegen die Schlachtsteuer zurückstellen solle4. Nach seiner Meinung wirkte sich die Schlachtsteuer nicht gegen die Preissenkung aus. Er persönlich habe keine Bedenken, die Schlachtsteuer einzuführen. Auch bei Einführung der Schlachtsteuer verbleibe immerhin ein Defizit von 70 Millionen.

4

Vgl. Dok. Nr. 581.

Der Reichskanzler bemerkte, daß es nicht möglich sein werde, Preußen auf die Eisenbahnabfindung eine Abschlagszahlung zu gewähren. Zu solchen Zahlungen habe das Reich im gegenwärtigen Augenblick keine Gelder. Preußen müsse infolgedessen mit allen Mitteln anstreben, noch mehr als geschehen, an den sächlichen Ausgaben Ersparnisse erzielen.

Der Preußische Finanzminister kam sodann auf den Etat der Forstverwaltung zu sprechen und erwähnte, daß die Forstverwaltung nunmehr auch einen Zuschuß von 20 Millionen erfordere. Der Forstetat sei allerdings an und für sich mit 85 Millionen ausgeglichen. Er habe aber bei dem gegenwärtigen Stande der Holzpreise große Zweifel, ob es sich hier um einen wirklichen, echten Ausgleich handele. Er besorge sehr, daß auch beim Forstetat ein Defizit eintreten werde. Die Frage sei für ihn die, entweder Einführung der Schlachtsteuer oder Gewährung einer Entschädigung vom Reich. Statt der Schlachtsteuer könne man eine Margarinesteuer einführen. Ob das angängig sei, werde man sich überlegen müssen. Er glaube, daß die Margarineindustrie eine solche Steuer durchaus noch tragen könne, ohne zu Preiserhöhungen[2130] zu greifen. Außerdem werde man sich auch die Frage der Salzsteuer zu überlegen haben. Die Sachausgaben seien so stark gestrichen, daß er weitere Streichungen nicht mehr in Aussicht stellen könne, weil es sich hierbei in Zukunft um unvermeidbare wirkliche Ausgaben handele, die auch bei Streichungen entstehen würden5. Die Sachausgaben betrügen zur Zeit nur noch 400 Millionen. Dieser Betrag sei im Vergleich zu anderen deutschen Ländern relativ sehr gering.

5

Vgl. die 2. SparVo. der Pr.Reg. vom 23.12.31, Pr. Gesetzsammlung 1931, S. 293. Der Entw. der Vo. in R 43 I /2289 , Bl. 14–32.

Der Reichsminister der Finanzen ging auf die Ausführungen des Herrn Preußischen Finanzministers des näheren ein und kam zu dem Schluß, daß er vom Reich aus keinen Weg sehe, Preußen zu helfen. Preußen müsse aus eigener Kraft die Balancierung des Etats herstellen.

Der Preußische Finanzminister richtete sodann an den Herrn Reichsminister der Finanzen die Frage, ob das Reich seine Bedenken gegen die Schlachtsteuer zurückstelle.

Hierauf erwiderte Ministerialdirektor Zarden, daß die Schlachtsteuer zur Zeit sehr unangenehm sei, insbesondere auch deshalb, weil im Interesse der Volksernährung von der erhöhten Umsatzsteuer Brot, Getreide, Mehl, Schrot, Kleie aus Getreide sowie die daraus hergestellten Backwaren frei seien. Im übrigen müsse man bei Einführung der Schlachtsteuer auch die Frage klären, wie es mit den Hausschlachtungen gehalten werden solle.

Der Preußische Finanzminister bemerkte dazu, daß die Hausschlachtungen an und für sich unter die Schlachtsteuer fallen sollten, aber ermächtigt werde, sie freizustellen. Er habe die Absicht, zunächst die Hausschlachtungen frei zu lassen, um einen Versuch zu machen. Schlage der Versuch gegen den Fiskus aus, so werde man die Freilassung wieder aufheben. Im übrigen müsse er erklären, daß er die Schlachtsteuer nur im Einvernehmen mit der Reichsregierung einführen werde.

Der Reichsminister der Finanzen wandte sich gegen die Einführung einer Schlachtsteuer. Der gegenwärtige Augenblick sei, insbesondere aus innenpolitischen Gründen, sehr unbequem und ungeeignet.

Der Preußische Finanzminister führte aus, daß, wenn man die Schlachtsteuer am 1. Februar in Kraft treten lasse, sie am 15. Januar bekannt gegeben sein müsse. Hierbei müßten schon die Ausführungsbestimmungen vorher festgelegt werden. Ob Preußen an neuen Beamtengehaltskürzungen vorbeikomme, erscheine ihm fraglich. Man werde prüfen müssen, ob man nicht auch mit der Bekanntgabe der neuen Steuer auch eine neue Gehaltskürzung ankündigen müsse. Der Reichsminister der Finanzen lehnte den Gedanken einer neuen allgemeinen Gehaltskürzung ab. Der Preußische Finanzminister richtete an den Herrn Reichskanzler erneut die Bitte, zu prüfen, ob es nicht doch dem Reiche möglich sei, Preußen auf die Eisenbahnabfindung eine Abschlagszahlung zu leisten. Nachdem Bayern sowohl bei der Postabfindung6 als auch bei der Biersteuer gewisse Entschädigungen zugebilligt worden seien, sei es durchaus recht und billig, daß Preußen eine Entschädigung in Form einer Abschlagszahlung auf die Eisenbahnabfindung erhalte. Zur Zeit sei ein Betrag von 45 Millionen notwendig.

6

Vgl. Dok. Nr. 155, Anm. 4 und 5 und Dok. Nr. 639.

[2131] Am Schluß der Aussprache erklärte der Reichskanzler daß er heute nicht in der Lage sei, etwas Bestimmtes zu erklären, er werde sich noch einmal mit dem Reichsminister der Finanzen über die Angelegenheit aussprechen7.

7

Zur Fortsetzung der Verhandlungen siehe Dok. Nr. 655.

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