2.37.3 (lut1p): 3. Insurgentenprozesse in Oberschlesien.

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3. Insurgentenprozesse in Oberschlesien5.

5

Hierüber hatte Landrat Lukaschek, Mitglied der vom Völkerbund eingesetzten Gemischten Kommission für Oberschlesien, am 25. 2. in der Rkei berichtet: Im Herbst 1924 sei in Verhandlungen mit Calonder die Zusage gemacht worden, die strafrechtliche Verfolgung der an den oberschlesischen Aufständen beteiligt gewesenen Insurgenten alsbald einzustellen. Nachdem in den letzten Wochen jedoch fast fünfzig neue Verfahren eröffnet worden seien, müsse man größte Schwierigkeiten mit Calonder, mit dem Völkerbund und der Entente erwarten (Vermerk Pünders vom 25. 2. in R 43 I /557 , Bl. 19 f.). – Bei einer Besprechung des RK mit Vertretern des RJMin., des AA und der Gemischten Kommission für Oberschlesien am 26. 2. wurde dieser Angelegenheit „hochpolitische Bedeutung“ beigemessen und beschlossen, sie umgehend im Kabinett zu beraten (Vermerk Wiensteins vom 26. 2. in R 43 I /557 , Bl. 23).

Der Reichsminister des Auswärtigen berichtete über die Vorlage6.

6

In einer undatierten (Eingangsvermerk der Rkei: 27. 2.), nicht signierten Vorlage hatte das AA angeregt, gegenüber Calonder die Erklärung abzugeben, daß neue Verfahren gegen die Mitglieder des Verbandes der Oberschlesischen Aufständischen nicht mehr eingeleitet und schwebende Verfahren einer raschen Überprüfung unterzogen würden. Auf strafrechtliche Verfolgung der Führer der Losreißungsbewegung würde allerdings nicht verzichtet werden (R 43 I /557 , Bl. 14 f.).

Der Reichsminister der Justiz erklärte, daß er dem vorgelegten Entwurf einer Erklärung nicht zustimmen könne. Natürlich sei er bereit, bis an die Grenze des Möglichen zu gehen. Er werde infolgedessen auch umgehend persönlich mit dem Oberreichsanwalt Rücksprache nehmen. Falls eine schriftliche Erklärung notwendig sei, so vermöchte er nicht weiter zu gehen, als in der von ihm vorgelegten Fassung niedergelegt sei (vgl. Anlage)7.

7

In beiliegendem Erklärungsentwurf wird zugesichert, daß in Zukunft nur dann noch Haftbefehle wegen Zugehörigkeit zum Verband der Oberschlesischen Aufständischen erlassen würden, wenn dies mit Rücksicht auf die Schwere der Tat unerläßlich erscheine. Die Aufhebung erlassener Haftbefehle wird gleichfalls in Aussicht gestellt, jedoch mit der Einschränkung, daß sie erst nach sorgfältiger Prüfung durch den Oberreichsanwalt (Ludwig Ebermayer), der diesbezügliche Anträge zu stellen habe, und nach zustimmender Entscheidung der Untersuchungsrichter oder der Gerichte erfolgen dürfe. Abschließend ist hinzugefügt: „Einer endgültigen Erledigung können nach Lage der Gesetzgebung nur die Verfahren zugeführt werden, in denen sich die Beschuldigten dem Gericht gestellt haben oder das Verfahren ergeben hat, daß der Verdacht einer strafbaren Handlung nicht mehr besteht.“ (R 43 I /1400 , Bl. 41).

Der Reichskanzler stellte fest, daß in der Sache Einmütigkeit bestehe und es sich nur noch um die Form des Vorgehens handle. Er empfehle folgenden Beschluß:

[141] 1. Das Kabinett nimmt Kenntnis von den Richtlinien des Reichsministers der Justiz. Das Auswärtige Amt zieht seine Vorlage nicht zurück, sondern verfolgt die Angelegenheit weiter im Benehmen mit dem Reichsjustizminister.

2. Der Reichsminister der Justiz verhandelt umgehend mit dem Oberreichsanwalt mit dem Ziele, daß in den nächsten Tagen einige Personen aus der Haft entlassen werden8.

8

Wienstein vermerkt am 17. 3. für den StSRkei, nach Mitteilung des RJMin. seien seit 3. 3. zwölf bereits vollstreckte Haftbefehle aufgehoben worden (R 43 I /557 , Bl. 26).

3. Ist die Haftentlassung erfolgt, so wird sich sofort ein Referent des Reichsjustizministeriums gemeinsam mit einem Referenten des Auswärtigen Amts zu Calonder begeben, um mit ihm über die weitere Behandlung der Angelegenheit zu verhandeln9.

9

Diese Verhandlung findet nicht statt. Lt. Vermerk Wiensteins einigen sich RJMin. und AA auf eine Erklärung gegenüber Calonder, die mit dem Entwurf des RJMin. (s. zuvor Anm. 7) weitgehend übereinstimme. Die Erklärung sei am 20. 3. vom AA an den Reichs- und Staatsvertreter in Beuthen (Budding) zur Aushändigung an Calonder übermittelt worden (Vermerk vom 23. 3. in R 43 I /557 , Bl. 27).

Das Kabinett stimmte dem Vorschlage zu.

Staatssekretär Weismann brachte noch zum Ausdruck, daß auch die Preußische Regierung größtes Interesse an der Erledigung der Angelegenheit habe10 und wies noch darauf hin, daß besonders die jüngsten Verhaftungen von Eisenbahnbeamten größte Erregung ausgelöst haben.

10

Dazu ein Schreiben des PrMinPräs. an den RK vom 26. 2. in R 43 I /557 , Bl. 17 f..

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