2.80 (ma31p): Nr. 80 Aufzeichnung des Regierungsrats Planck zum Entwurf eines Ausführungsgesetzes zu Artikel 48 der Reichsverfassung. 14. September 1926

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Nr. 80
Aufzeichnung des Regierungsrats Planck zum Entwurf eines Ausführungsgesetzes zu Artikel 48 der Reichsverfassung. 14. September 19261

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Diese Aufzeichnung war für MinDir. Offermann bestimmt, der RegR Planck gebeten hatte, zu dem vom RIM übersandten Referentenentwurf eines Ausführungsgesetzes zu Art. 48 (Dok. Nr. 70) „wegen der Bedeutung der Angelegenheit auf dem Gebiete der Kommandogewalt“ eine schriftliche Stellungnahme anzufertigen (Vermerk Offermanns vom 7. 9. in R 43 I /1870 , Bl. 38).

R 43 I /1870 , Bl. 39

Der Referentenentwurf des Reichsministeriums des Innern2 scheint mir so weitgehende Abänderungen der dem Reichspräsidenten im Art. 48 gegebenen Rechte zu enthalten, daß er weniger ein Ausführungsgesetz im Sinne des Artikel 48, letzter Absatz, bedeuten, als vielmehr diesen Artikel selbst wesentlich abändern würde. Die Einschiebung des Staatsgerichtshofs im § 1 und § 7 des Referentenentwurfs als dem Reichspräsidenten übergeordnete Instanz ist ein völlig neues, in der Verfassung nicht vorgesehenes Moment. Ebenso bedeutet m. E. die in § 5 vorgesehene Art der Gegenzeichnung eine Abänderung des üblichen Verfahrens und somit auch eine Einschränkung der Rechte des Reichspräsidenten.

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Dok. Nr. 70.

Demgegenüber scheinen mir die im Art. 153 vorgesehenen Einschaltungen bürgerlicher Beauftragter neben dem Militärbefehlshaber im Falle des militärischen Ausnahmezustandes etwas weniger schwerwiegend zu sein. In[202] der Praxis ist vom Inhaber der vollziehenden Gewalt während des militärischen Ausnahmezustandes bereits mehrfach so verfahren worden (siehe Denkschrift des Reichswehrministeriums über den militärischen Ausnahmezustand4 und beiliegende Verordnung des Reichspräsidenten vom 26.9.235.) Immerhin ist auch hier Widerspruch des Reichswehrministeriums zu erwarten.

3

Muß heißen: § 15.

4

„Denkschrift über den militärischen Ausnahmezustand. 26. September 1923 bis 29. Februar 1924“, gedruckt im RWeMin., 12.8.24 (R 43 I /2708 , Bl. 290–314); wiederabgedr. in: Hürten, Das Krisenjahr 1923, Dok. Nr. 207, S. 334–362.

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Beiliegend in Abschrift die VO des RPräs. auf Grund Art. 48, Abs. 2 RV über den militärischen Ausnahmezustand vom 26.9.23 (RGBl. I, S. 905 ), ferner eine ZusatzVO des RWeM vom 27.9.26, durch welche die Übertragung der vollziehenden Gewalt auf die Militärbefehlshaber für bestimmte Wehrkreise bekanntgegeben wurde (R 43 I /1870 , Bl. 40–43).

Nach Fühlungnahme mit dem Reichswehrministerium und dem Büro des Reichspräsidenten erscheint es mir außerordentlich bedenklich, wenn tatsächlich, wie es beiliegende Zeitungsnotiz wahrscheinlich macht, vom Reichsminister des Innern geplant sein sollte, die Verhandlungen über das Ausführungsgesetz auf der Grundlage dieses Entwurfs zum baldigen Abschluß zu bringen6. Staatssekretär Meissner hat nach Vortrag beim Herrn Reichspräsidenten in Dietramszell mitgeteilt, daß der Herr Reichspräsident die §§ 1, 5 und 7 des Entwurfs als verfassungsändernde Einschränkung der Rechte des Reichspräsidenten rundweg ablehne. Auf dem gleichen schroff ablehnenden Standpunkt steht das Reichswehrministerium, das zur Zeit eine Gegendenkschrift bearbeitet. Im Büro des Reichspräsidenten besteht die Absicht, diese Gegendenkschrift abzuwarten und dann lediglich ein kurzes, dem Reichswehrministerium zustimmendes [sic] Kommentar hierzu zu geben. Die Äußerungen beider Stellen sollen der Reichskanzlei unmittelbar nach Fertigstellung zugehen.

6

Beiliegend mehrere Zeitungsausschnitte, die sich mit dem Entwurf des Ausführungsgesetzes befassen (R 43 I /1870 , Bl. 45–51). Planck bezieht sich anscheinend auf eine Meldung, welche die „Vossische Zeitung“ und das „Berliner Tageblatt“ am 12.9.26 unter der Überschrift „Das Ausführungsgesetz zum Artikel 48“ brachten: „Im Namen der demokratischen Reichstagsfraktion hat, wie der ‚Demokratische Zeitungsdienst‘ mitteilt, Reichstagsabgeordneter Erkelenz an den Reichsminister des Innern, Dr. Külz, das nachstehende Schreiben gerichtet: ‚Zu den wichtigsten Aufgaben des Reichstags und der Reichspolitik im Winterhalbjahr gehört nach Ansicht der demokratischen Reichstagsfraktion die gesetzliche Regelung all der Fragen, die mit dem Artikel 48 in Zusammenhang stehen. Durch gewisse Mißbräuche, die sich bei der Benutzung dieses Artikels 48 in der Inflationszeit herausgestellt haben, ist die endliche gesetzliche Regelung dieser Frage umso wichtiger, weil die Feinde der Weimarer Reichsverfassung die Absicht haben, sich bei der Durchführung ihrer Diktaturpläne und bei der Beseitigung der Weimarer Verfassung insbesondere des Artikels 48 zu bedienen. Wenn man auch die Gefahren, die der deutschen Republik in dieser Hinsicht drohen, nicht allzu ernst aufzufassen braucht, so ist es doch von entscheidender Wichtigkeit, daß in Verfassungsfragen dieser Art eine klare, unzweifelhafte Rechtsgrundlage geschaffen wird, die es verhindert, daß nicht ganz klare Verfassungsbestimmungen gegen die Verfassung ausgenutzt werden können. Die demokratische Reichstagsfraktion legt deshalb größten Wert darauf, daß die Vorbereitungen für die gesetzliche Regelung des Artikels 48 so gefördert werden, daß eine Verabschiedung des Gesetzes im kommenden Winter mit Sicherheit vorgenommen werden kann. Ich wäre Ihnen sehr zu Dank verpflichtet, wenn Sie uns mitteilen könnten, wieweit die Vorarbeiten gediehen sind, und ob auf einen rechtzeitigen Abschluß dieser Vorarbeiten gerechnet werden kann.‘ Reichsminister des Innern Dr. Külz hat daraufhin in einem Antwortschreiben mitgeteilt, daß, wenn nicht unvorhergesehene Zwischenfälle eintreten, das Gesetz noch im Laufe des September oder Oktober vom Kabinett verabschiedet werden wird.“ (R 43 I /1870 , Bl. 46, 48).

Staatssekretär Meissner sagte ausdrücklich, daß er davor warne, die Frage in der vom Reichsminister des Innern geplanten Weise und womöglich noch[203] beschleunigt zu behandeln. Dies könne zu schweren Konflikten innerhalb des Kabinetts führen, da der Herr Reichspräsident einen Widerspruch des Reichswehrministers voll billigen werde.

Unter diesen Umständen darf ich meine Auffassung gehorsamst dahin zusammenfassen, daß die Durchbringung eines derartigen Gesetzes zur Zeit untunlich ist. Zunächst darf ich gehorsamst empfehlen, die Stellungnahme des Reichswehrministeriums und des Büros des Reichspräsidenten abzuwarten und dem Reichsministerium des Innern erst nach ihrem Eingang die Meinungsäußerung der Reichskanzlei zugehen zu lassen7.

7

Hierzu Aktenvermerk MinDir. Offermanns vom 22.9.26: „Ich trete den Ausführungen des Herrn Regierungsrats Planck in vollem Umfange bei und halte die Durchbringung des Entwurfs des Reichsministeriums des Innern für unmöglich. Zunächst dürfte die von dem Herrn Referenten bereits hervorgehobene schriftliche Stellungnahme des Reichswehrministeriums und die eventuelle Stellungnahme des Büros des Herrn Reichspräsidenten abzuwarten sein. […]“ (R 43 I /1870 , Bl. 44). Siehe das Schreiben des RWeM an den RIM vom 12. 11. (Dok. Nr. 116) und das Schreiben des RPräs. an den RK vom 22. 11. (Dok. Nr. 122).

Pl[anck] 14. 9.

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