1.218.1 (ma32p): Auflösung des Roten Frontkämpferbundes.

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Auflösung des Roten Frontkämpferbundes.

Der Reichsminister des Innern berichtete über seine Absicht, ein Ersuchen an alle deutschen Länderregierungen zu richten, auf Grund des Republikschutzgesetzes sofort den Roten Frontkämpferbund aufzulösen. Er erläuterte die Rechtslage näher, wonach die Reichsregierung zu einer unmittelbaren Auflösung nicht berechtigt sei, sich hierzu vielmehr eines Ersuchens an die Länderregierungen bedienen müsse. Dieses Ersuchen sei aber insofern ein qualifiziertes, als die Länder verpflichtet seien, dem Ersuchen zu entsprechen, falls sie nicht binnen[1431] 48 Stunden Einspruch beim Staatsgerichtshof einlegen sollten1. Materiell begründete er sein Vorhaben mit dem zweifelsohne staatsumstürzlerischen Gebaren des Roten Frontkämpferbundes, wie es sich in verschiedenen Strafverfahren, namentlich vor dem Reichsgericht in den letzten Monaten, klar erwiesen habe.

1

Der RIM bezieht sich hier auf § 17 Abs. 1 und 2 des Republikschutzgesetzes vom 21.7.22 (RGBl. I, S. 585 ): „Zuständig für Maßnahmen nach § 14 [Versammlungs- und Vereinsverbote] sind die Landeszentralbehörden oder die von ihnen bestimmten Stellen. – Der Reichsminister des Innern kann die Landeszentralbehörden um die Anordnung einer solchen Maßnahme ersuchen. Glaubt die Landeszentralbehörde einem solchen Ersuchen nicht entsprechen zu können, so teilt sie dies unverzüglich auf telegraphischem oder telephonischem Wege, spätestens aber am zweiten Tage nach Empfang des Ersuchens dem Reichsminister des Innern mit und ruft gleichzeitig auf demselben Wege die Entscheidung des Staatsgerichtshofs zum Schutze der Republik an. Entscheidet dieser für die Anordnung, so hat die Landeszentralbehörde die erforderlichen Maßnahmen sofort zu treffen.“ Nach dem Gesetz zur Verlängerung des Republikschutzgesetzes vom 2.6.27 (RGBl. I, S. 125 ) waren die noch bestehenden Zuständigkeiten des Staatsgerichtshofs zum Schutz der Republik mit Wirkung vom 23.7.27 auf einen Senat (IV. Strafsenat) des Reichsgerichts übergegangen.

In der sich anschließenden Debatte wurde von den übrigen anwesenden Reichsministern stark betont, daß sie in der Frage der Beurteilung und Verurteilung des Roten Frontkämpferbundes mit dem Herrn Reichsminister des Innern völlig übereinstimmten; nur seien sie wegen des jetzigen Zeitpunktes der Auffassung, daß dieser denkbar unglücklich gewählt sei. Der Reichsminister des Innern würde sich dem Vorwurf ausgesetzt sehen, daß er nicht erst jetzt mitten im Wahlkampf, sondern bereits vor vielen Monaten hätte eingreifen sollen.

Diesen Darlegungen schloß sich der Herr Reichskanzler mehrfach nachdrücklichst an.

Der Reichsminister des Innern lehnte einen gemachten Vermittlungsvorschlag, sich grundsätzlich mit dem Vorgehen gegen den Roten Frontkämpferbund einverstanden zu erklären, die Durchführung der Aktion aber auf die Zeit unmittelbar nach dem Wahlkampf – ab 21. Mai 1928 – zurückzustellen, ausdrücklich ab und betonte, daß er jeglichen Kabinettsbeschluß in dieser Angelegenheit überhaupt ablehnen müsse; ihm läge nur an einer Orientierung der anwesenden Ministerkollegen und [er] betrachte im übrigen sein Vorgehen als eine reine Ressortangelegenheit.

Dementsprechend endete die Sitzung ohne Beschluß, aber mit der von verschiedenen Seiten ausgesprochenen Bitte an den Herrn Reichsminister des Innern, sich die taktische Seite der Angelegenheit erneut zu überlegen und keine übereilten Schritte zu tun2.

2

Zum Fortgang siehe Dok. Nr. 461.

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