2.214.1 (mu21p): 1. Außerhalb der Tagesordnung: Belgische Markfrage.

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1. Außerhalb der Tagesordnung: Belgische Markfrage.

Der Reichsminister des Auswärtigen trug vor, daß der belgische Gesandte ihn im Auftrage seiner Regierung aufgesucht und erklärt habe, die belgische Regierung werde die Pariser Sachverständigenkonferenz als gescheitert ansehen, wenn nicht gleichzeitig mit dem Abschluß der Konferenz die Markfrage bereinigt sei. Ferner sei der Reparationsagent Parker Gilbert in Berlin gewesen und habe dem Staatssekretär von Schubert mitgeteilt, daß der Vorsitzende des Experten-Komitees Owen Young bitten lasse, der belgischen Markfrage besondere Aufmerksamkeit zuzuwenden, da die Belgier ohne Erledigung der Markfrage den Sachverständigenbericht möglicherweise nicht unterzeichnen würden1.

1

Siehe hierzu Anm. 4 zu Dok. Nr. 212.

Der Reichsminister des Auswärtigen erinnerte sodann daran, daß das Kabinett dem Reichsbankpräsidenten Dr. Schacht kürzlich eine neue Vollmacht für die Markfrage gegeben und ihm anheimgestellt habe, die Vollmacht zurückzugeben, wenn er dies nach Lage der Dinge für opportun halten sollte. Dr. Schacht habe bei der Bestätigung des Empfanges der neuen Vollmacht sich zunächst Entschließungsfreiheit vorbehalten, habe aber jetzt in einem Telegramm vom 30. Mai seine Verhandlungsvollmacht der Reichsregierung zurückgegeben. Gleichzeitig habe er empfohlen, die belgische Regierung in der Angelegenheit möglichst bis zum 1. Juni, also binnen kürzester Frist irgendwie zufrieden zu stellen. Darüber, wie nach seiner Meinung die Angelegenheit zweckmäßig weiter behandelt werde, habe Dr. Schacht in dem Telegramm vom 30. Mai gewisse Vorschläge gemacht. Der Reichsminister des Auswärtigen trug darauf den wesentlichen Inhalt dieses Telegramms […] vor2. Er erklärte[700] ferner, daß er den belgischen Gesandten auf heute nachmittag 6 Uhr zu sich gebeten habe, und er bat um die Ermächtigung, dem belgischen Gesandten bei dieser Gelegenheit eine schriftliche Erklärung abzugeben, die er im Wortlaut zur Verlesung brachte […]3. Erläuternd bemerkte der Reichsminister des Auswärtigen hierzu, daß diese schriftliche Antwort an die belgische Regierung die Frage der Rückgabe Eupen-Malmedy unerwähnt lasse. Ob die belgische Regierung sich mit den vorgeschlagenen Gentleman’s agreement einverstanden erklären werde und daraufhin den Expertenbericht unterschreiben werde, wisse er nicht. Er halte es sogar für sehr zweifelhaft, ob man mit der von ihm vorgeschlagenen Erklärung durchkommen werde. Immerhin halte er seinen Vorschlag als ersten Schritt gegenüber Belgien für genügend.

2

Schacht, der sich zu diesem Zeitpunkt in Versailles aufgehalten hatte, war von Kastl gedrängt worden, einen Vorschlag über die Weiterbehandlung der Markfrage nach Berlin zu senden (Telegramm Nr. 422 v. Hoeschs v. 30. 5.; R 43 I /54 , Bl. 53). Schachts Ansicht hatte dahingehend gelautet, daß die RReg. gegenüber der belgischen Regierung die Markfrage als ein bedauerliches Hemmnis zwischen beiden Ländern bezeichnen solle. Sie wolle deshalb „nach der Unterzeichnung des Sachverständigenberichts durch sämtliche Sachverständige und vor Inkraftsetzung des neuen Reparationsplans mit der belgischen Regierung in materielle Verhandlungen über die Regelung der Markfrage“ eintreten. Die RReg. solle keine parallelen Verhandlungen zur Sachverständigenkonferenz zulassen und sich vor weitgehenden Zugeständnissen im pactum de contrahendo hüten, da die vorgeschlagenen Zahlungen von 37 mal 25 Mio RM Annuitäten unter den geschützten Betrag gefallen seien. Im Falle einer bedingungslosen Zahlung könnten dafür beachtliche Gegenleistungen gefordert werden. Frage die belgische Regierung wegen des Eupen-Malmedy-Komplexes, solle die RReg. erklären, daß sie auf dieses Kompensationsobjekt nicht festgelegt sei. Durch eine Presseveröffentlichung über die Eröffnung der Verhandlungen werde „Francqui die Möglichkeit genommen, weiter zu intrigieren“ (Telegramm Nr. 427 vom 30. 5.; R 43 I /287 , gefunden in R 43 I /54 , Bl. 60 f. und 1437, R 43 I /1437 , Bl. 403-405).

3

Der RAM beabsichtigte dem Gesandten vorzutragen: I. Nachdem die letzten Verhandlungen über die Markfrage in Paris ergebnislos verlaufen seien, hätten Schacht und Francqui ihre Mandate niedergelegt. II. Die RReg. sei nach Zustandekommen des Sachverständigenplans zu Verhandlungen auf neuer Grundlage bereit. III. Stimme Belgien diesem Gedanken zu, werde das AA dem Gesandten eine Note über die sofortige Wiederaufnahme der Verhandlungen übergeben, die vom Gesandten durch eine Gegennote zu bestätigen sei. IV. Nach dem Notenwechsel könne die Einigung durch ein Pressecommuniqué bekanntgegeben werden (R 43 I /54 , Bl. 58 f. und 1437, R 43 I /1437 , Bl. 406-408).

Nach kurzer Aussprache stellte der Reichskanzler fest, daß das Kabinett mit dem vom Reichsminister des Auswärtigen vorgeschlagenen Antwortentwurf einverstanden war.

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