2.171.2 (bau1p): 2. Wiederanknüpfung wirtschaftlicher Beziehungen zu Rußland.

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Das Kabinett BauerKabinett Bauer Bild 183-R00549Spiegelsaal Versailles B 145 Bild-F051656-1395Gustav Noske mit General von Lüttwitz Bild 183-1989-0718-501Hermann EhrhardtBild 146-1971-037-42

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2. Wiederanknüpfung wirtschaftlicher Beziehungen zu Rußland4.

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Das RKab. hatte zuletzt am 1.9.19 beschlossen, sich abwartend in dieser Angelegenheit zu verhalten (Dok. Nr. 56, P. 12). Nachfolgend fanden im AA verschiedene Besprechungen mit dem russ. Unterhändler Kopp statt, der als Bevollmächtigter für Kriegsgefangenenangelegenheiten der Sowjetreg. in Dtld. weilte. Nachdem Kopp eine Woche nach Inkrafttreten des VV dem Leiter der OstAbt. im AA, von Maltzan, im Auftrag der Sowjetreg. offiziell die sofortige Aufnahme amtlicher Beziehungen angeboten hatte (Aufzeichnung Maltzans vom 17.1.20; PA, Dtld. Nr. 31 geh., Bd. 20), fand wahrscheinlich am 21. 1. unter Vorsitz des RK eine Chefbesprechung über die „Russische Frage“ statt. Einladungen ergingen an die Minister Müller, Schiffer, Bell, Schmidt und Erzberger. Der RAM wurde gleichzeitig gebeten, ein Rechtsgutachten über die Vereinbarkeit des VV mit der Aufnahme wirtschaftlicher und politischer Beziehungen zu Rußland vorzubereiten (Entw. der Einladung, 20.1.20; R 43 I /130 , Bl. 387). Ein Protokoll der Besprechung konnte nicht ermittelt werden. Das Gutachten des Leiters der RechtsAbt. des AA, Gauss, liegt bei den Akten (Abschrift; 23.1.20; R 43 I /130 , Bl. 399–403; abgedruckt in: Deutsch-sowjetische Beziehungen. Dokumentensammlung, Bd. II, Dok. Nr. 78).

Der Reichswirtschaftsminister trägt vor, daß der Augenblick gekommen sei, um wirtschaftliche Beziehungen mit Rußland anzuknüpfen. Er schlägt vor,[603] den in Berlin zum Zwecke von Handelsstudien sich aufhaltenden Vertreter der Sowjetregierung5 halboffiziell als Bevollmächtigten zur Anknüpfung wirtschaftlicher Beziehungen anzuerkennen. Deutschland müßte Vertreter mit ähnlichen Vollmachten nach Rußland senden. Der Reichsminister des Auswärtigen stimmt diesen Ausführungen zu. In Handels- und Industriekreisen dränge man neuerdings auf Anknüpfung wirtschaftlicher Beziehungen mit dem Osten6 Es sei wichtig, in dem Augenblick an Rußland heranzutreten, in dem es daran ginge, sein Transportwesen zu reorganisieren. Man müsse einen ähnlichen Weg beschreiten, wie England in Kopenhagen7. Falls die Herstellung der wirtschaftlichen Beziehungen von der Moskauer Regierung politisch mißbraucht würden, müsse die Tür wieder zugeschlagen werden. Die früher in Handels- und Industriekreisen vertretene Ansicht, daß wir durch Anknüpfung irgendwelcher Beziehungen zur Sowjetregierung uns die Position jeder etwaigen späteren Russischen Regierung gegenüber verderben würden, sei jetzt in der Hauptsache fallen gelassen. Er schlägt vor, den hier anwesenden russischen Vertreter als halbbevollmächtigten Unterhändler für Gefangenenfragen und wirtschaftliche Fragen anzuerkennen. Das Kabinett beschließt nach eingehender Aussprache8, daß der Versuch, mit Rußland wirtschaftliche Beziehungen anzuknüpfen, auf dem vom Reichswirtschaftsminister und Reichsminister des Auswärtigen vorgeschlagenen Wege gemacht werden soll.

5

Viktor Kopp. Zu seiner Person vgl. Dok. Nr. 56, Anm. 18.

6

In einer Denkschrift vom 17. 2 begründen der Präs. und der Generaldirektor der AEG, Rathenau und Deutsch, sowie der Bankier Alexander von der Dt. Orient-Bank AG dem RK ihre Auffassung, warum das bisherige abwartende Verhalten der dt. Politik gegenüber Sowjetrußland aufgegeben werden solle. Gleichzeitig erläutern sie ihren Plan, eine Sachverständigenkommission zum Studium der volkswirtschaftlichen Verhältnisse nach Rußland zu entsenden (R 43 I /1129 , Bl. 62–76; Abdruck der dem RPräs. übersandten Abschrift in: Deutsch-sowjetische Beziehungen. Dokumentensammlung, Bd. II, Dok. Nr. 81).

7

Nach amtl. brit. Mitteilungen waren am 25.11.19 in Kopenhagen brit.-sowjetruss. Verhandlungen über den Austausch der Kriegsgefangenen und Zivilinternierten aufgenommen worden. Von russ. Seite wurde dabei der Versuch unternommen, durch das Aufrollen der Friedensfrage einen Wandel im Verhältnis der All. zur Sowjetreg. herbeizuführen (Schultheß 1919, II, S. 57, 266, 308).

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Über die im Protokoll mitgeteilten Einzelheiten hinaus referiert RIM Koch in einer hschr. Tagebuchaufzeichnung vom 13. 2. u. a.: Der RAM sei der Ansicht, daß es bald zu kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen Rußland und Polen kommen werde. Er glaube, daß man auf das russ. Pferd setzen solle, um durch den Zerfall Polens Oberschlesien beim Reich zu halten. Nach Ansicht Minister Davids bedeute ein Sieg Rußlands über Polen den Kommunismus in Dtld.; deshalb sei im Krieg der Platz Deutschlands bei der Entente. Demgegenüber vertrat der RAM die Ansicht, daß die Sowjets Dtld. nicht mit Krieg überziehen würden; sie würden Polen verdauen und damit zufrieden sein. Politische Beziehungen zur Sowjetreg. wolle auch der RAM nicht. Der RK hielt sie sogar „im Augenblick für ungeheuer gefährlich“ (Nachl. Koch-Weser , Nr. 21, Bl. 84 f.).

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