2.50.1 (bau1p): 1. Vertrag mit der Ilseder Hütte.

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1. Vertrag mit der Ilseder Hütte.

Der Reichsschatzminister teilte mit, daß die Verwaltung der Ilseder Hütte einen für das Reich sehr günstigen Vorschlag gemacht hätte, bei dem es <unter Aufgabe des Sozialisierungsgedankens>2 sehr günstig abschneiden und dem Reich ein ausreichender Einfluß gewahrt sein würde3. Er bitte um Stellungnahme, da er heute nochmals mit der Verwaltung der Ilseder Hütte verhandeln wolle, die übrigens mitgeteilt habe, daß die gesamte Arbeiterschaft, die erheblich an dem Gewinn beteiligt sei, sich gegen die Sozialisierung ausgesprochen habe4.

2

Die durch < > gekennzeichneten Worte sind – einem Randvermerk zufolge – auf Antrag des RSchMin. vom 20. 8. nachträglich aus dem Protokoll gestrichen worden.

3

Über die Einleitung der Verhandlungen s. Dok. Nr. 42, P. 10. – Der Inhalt des Verhandlungsergebnisses geht aus der vom RSchM in TOP 9 dieser Sitzung angekündigten Vorlage eines Privatvertragsvorschlags der Ilseder Hütte hervor. Danach bot eine Verhandlungsdelegation von vier Aufsichtsrats- und Vorstandsmitgliedern des Gesamtunternehmens dem Reich an, sämtliche in die Kriegsanlagen investierten öffentlichen Mittel mit Ausnahme bereits abgegoltener Beträge – insgesamt etwa 30 Mio M – zurückzuerstatten. Eine Beteiligung des Reichs am Aktienkapital war nicht vorgesehen. Außerdem wollte die Ilseder Hütte sich verpflichten, für andere Hüttenwerke auf Anforderung des Reiches jährlich bis zu 4,2 Mio Tonnen Erze zur Verfügung zu stellen und die dafür notwendigen Ausbauarbeiten auf eigene Rechnung vornehmen. Eine Reihe sozialer Maßnahmen wurde gleichfalls in Aussicht gestellt. Das Reich sollte ein Aufsichtsrecht über diese Zusicherungen sowie die Möglichkeit der Preiskontrolle für die zu liefernden Erze erhalten. Der dafür einzusetzende Kommissar sollte – neben einer Vertretung des Reichs im Aufsichtsrat – an den Aufsichtsratssitzungen teilnehmen dürfen (R 43 I /2114 , Bl. 65 a – 71: als Reichsministerialsache verteilt; o. D.; Paraphe des UStSRkei vom 20.8.19).

4

Nach Bekanntwerden der Verstaatlichungspläne hatte die Verwaltung der Ilseder Hütte den sog. „Abwehrkampf“ gegen das vom UStS im RSchMin. angekündigte Enteignungsgesetz an mehreren Fronten aufgenommen. Über seine Einschätzung der Lage berichtet der Aufsichtsratsvorsitzende der Ilseder Hütte AG., Wilhelm Meyer, an den Geschäftsführer des Vereins Dt. Eisen- und Stahlindustrieller in einem Privatschreiben vom 22. 8. u. a.: „Nach den uns gewordenen Nachrichten wäre [die Gesetzesvorlage] glatt angenommen, da sowohl Sozialdemokraten wie auch Centrum geschlossen dafür gewesen wären. Die Begründung der Vorlage ist natürlich eitel blauer Dunst. Die Angaben darin sind zum Teil falsch und für uns in hohem Grade beleidigend. Den wahren Grund hat auch der Unterstaatssekretär Goldkuhle bei einer Besprechung in einer unvorsichtigen Äußerung, die er nachher scheinbar auch bereute, angegeben, indem er auf alle Einwendungen erwiderte: ‚Es läßt sich nichts machen, es rast der See und will sein Opfer haben.‘ Damit ist ja klar gesagt, daß es sich um weiter nichts als einen ganz gemeinen brutalen Straßenraub handelt. Den jetzigen Machthabern, das Wort Regierung vermeide ich für diese Gesellschaft, muß man sich aber fügen, wie sich mancher in dieser Zeit hat fügen müssen, wenn 10 bewaffnete Soldaten ins Haus kamen und im Namen des Volkes alles, was nicht niet- und nagelfest war, beschlagnahmten“ (R 13 I /284 , Bl. 54–56). Im einzelnen hatten Aufsichtsrat und Direktion eine am 31. 7. an die NatVers. gerichtete Eingabe der breiten Öffentlichkeit vorgelegt (R 2 /1255 , Bl. 212–214). Den Protesten gegen die Verstaatlichung schlossen sich der Bürgermeister von Peine, der Landrat und die Handelskammer von Hildesheim mit Eingaben an den Staatenausschuß bzw. das RSchMin. an (R 2 /1255 , Bl. 233–243). Im Namen eines eigens für diesen Zweck eingesetzten Ausschusses der vereinigten Betriebsräte der Ilseder Hütte trug deren Obmann, Otto Rothke, anläßlich einer werksseitig finanzierten Reise nach Berlin dem UStS im RSchMin. den Protest der Belegschaft vor. Diese wünsche, „daß das Werk nicht in den Besitz des Reiches, sondern in den der Arbeiter übergehen solle, und zwar derart, daß den Aktionären eine Verzinsung von 6% gesichert werde, von dem erzielten Überschuß 75% an das Reich fiele und 25% für Arbeiter-Wohlfahrtseinrichtungen verwendet würden“ (Aktenvermerk Goldkuhles vom 31.7.19; R 2 /1255 , Bl. 190). Eine gegen die Verstaatlichung gerichtete Denkschrift legte Rothke am 11. 8. der NatVers. vor (R 2 /1255 , Bl. 255 ff.).

[197] Der Reichskanzler hielt diesen Vorschlag nicht für annehmbar, da man zweifellos der Regierung den Vorwurf machen werde, daß sie trotz ihrer programmatischen Erklärung, die Erzvorkommen in Deutschland, insbesondere der Ilseder Hütte, in Reichseigentum überzuführen5, nunmehr, wo es sich um die praktische Durchführung handle, wieder davor zurückschrecke. Er könne trotz der vielleicht volkswirtschaftlich gut und finanztechnisch richtig erscheinenden Maßnahme aus diesem Grunde seine Zustimmung nicht geben.

5

Vgl. die Regierungserklärung des RMinPräs. vom 23. 7. vor der NatVers. (NatVers.-Bd. 328, S. 1847 ).

Der Reichsminister der Finanzen behielt sich eine endgültige Stellungnahme vor, war aber auch der Auffassung, daß politisch der Eindruck erweckt werden würde, daß das Kabinett vor der Sozialisierung zurückgewichen sei.

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