1.218.1 (bru2p): Sanierung der Haushalte der Länder.

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Sanierung der Haushalte der Länder.

Die Ländervertreter1 trugen übereinstimmend vor, daß es ihnen trotz eingreifendster Sparmaßnahmen, zu denen sie sich auf Grund der Verordnung des Reichspräsidenten über die Sicherung der Haushalte von Ländern und Gemeinden vom 24. August 19312 entschlossen hätten, nicht gelungen sei, die Fehlbeträge ihrer Haushalte abzudecken. Die Landesverordnungen seien im wesentlichen fertiggestellt, zum Teil sogar schon publiziert.

1

Der Württ. Ges. Bosler hatte im Namen von StPräs. Bolz am 14.9.31 den Empfang der MinPräss. erbeten (Vermerk des ORegR Pukaß in R 43 I /2373 , S. 1007); der Besprechung mit der RReg. war eine Konferenz der süddt. Länder und Sachsens in Stuttgart am 10.9.31 über die Finanzlage vorausgegangen (Schultheß 1931, S. 201). S. auch die Aufzeichnung des MinR Olscher über die Besprechung des RK in Dok. Nr. 471. Vgl. Brüning, Memoiren, S. 389 f.

2

RGBl. 1931 I, S. 453 .

[1689] Als 2. Fragenkomplex behandelten sie das Problem der Finanzierung der Wohlfahrtserwerbslosenfürsorge, und 3. wünschten sie eine Klärung des Problems der Umschuldung der kurzfristigen Kredite.

I. Zur Ergänzung des Ausgleichs der Haushalte hielten sie eine weitere Kürzung der Personalausgaben für unvermeidlich. Sie erklärten, daß sie in ihren Sparverordnungen das Niveau der Reichsbesoldungsordnung bereits unterschritten hätten, gleichwohl aber noch weitergehen müßten. Das sei ihnen aber nur dann möglich, wenn das Reich mit einer allgemeinen Gehaltskürzung vorangehe. Ferner müsse ihnen eine bestimmte Höhe der Überweisungssteuern garantiert werden.

II. Zur Frage der Wohlfahrtserwerbslosenfürsorge erklärten sie, daß sie mit dem Betrage von 60 Millionen, den das Reichsfinanzministerium bisher für diese Zwecke in Aussicht gestellt habe, unmöglich auskommen könnten. Der Betrag müsse wesentlich erhöht werden. Entscheidendes Gewicht müssen sie ferner darauf legen, daß das Reich die Beträge den Gemeinden nicht unmittelbar überweise, sie vielmehr zur Weiterverteilung über die Länder leite. Diese Maßnahme sei nötig, weil die Länder in ihren eigenen Programmen bei der Gestaltung des inneren Finanzausgleichs den Gemeinden mit Rücksicht auf die Wohlfahrtserwerbslosenlasten bereits weitgehend geholfen hätten. Gegen die Einführung einer Reichserwerbslosenfürsorge, die durch Zusammenlegung der Krisenfürsorge und der Wohlfahrtserwerbslosenfürsorge neu geschaffen werden soll, äußerten sie ernste Bedenken. Sie bezweifelten insbesondere, daß die Reichsarbeitsämter in der Lage sein würden, eine einheitliche Reichserwerbslosenfürsorge durchzuführen.

III. Ein Eingreifen des Reichs zur Umschuldung der kurzfristigen Schulden der Länder wurde für unumgänglich notwendig erklärt. Insbesondere Sachsen erklärte, ohne schnelle und durchgreifende Hilfe des Reichs nicht auskommen zu können.

Ministerpräsident SchieckSchieck wies darauf hin, daß die Verhältnisse in Sachsen wesentlich anders lägen als in Preußen. In Sachsen seien nämlich die kurzfristigen Schulden weniger von den Städten wie von der Staatsregierung aufgenommen worden3. Der Sächsische Staat habe sich zugunsten der Gemeinden verschuldet. Die schwebende Schuld des Landes Sachsen beziffere sich auf 212 Millionen, die der sächsischen Städte dagegen auf 130 Millionen.

3

Vgl. dazu Dok. Nr. 467.

Der Reichskanzler der sich aus der Besprechung vorzeitig entfernen mußte, mit Rücksicht auf das Abschiedsfrühstück für den scheidenden französischen Botschafter bei dem Herrn Reichspräsidenten4, erklärte, daß die Reichsregierung ihr Finanz- und Wirtschaftsprogramm noch nicht durchberaten habe und daß er daher außerstande sei, über dieses Programm Ausführungen zu machen.

4

Eine Aufzeichnung des StS Meissner über den Abschiedsbesuch de Margeries beim RPräs. am 15.9.31 befindet sich als Durchsirift in R 43 I /69 , Bl. 84–86.

Zwei Dinge könne er jedoch bestimmt erklären,

a)

eine Garantie für eine bestimmte Höhe der Überweisungssteuern sei ganz ausgeschlossen,[1690]

b)

eine Zusage darüber, daß eine allgemeine Gehaltskürzung von Reichs wegen beschlossen werde, könne er nicht geben. Er verspreche sich von einer schematischen Besoldungsregelung auch keinen Erfolg, da die Verhältnisse in den einzelnen Ländern sehr verschieden lägen.

Die Frage der Vereinheitlichung der Erwerbslosenfürsorge muß zunächst vom Reichskabinett durchberaten werden.

Der Reichsminister der Finanzen der für den Schluß der Sitzung den Vorsitz übernahm, erklärte weiter, daß im Reichsfinanzministerium ein Plan ausgearbeitet sei, der den Ländern zur Erleichterung der Wohlfahrtsfürsorge monatlich 30–35 Millionen bringen werde. Er glaube nicht, daß über diese Summe hinausgegangen werden könne. Ob die Summe auch im Rechnungsjahr 1932 verfügbar gemacht werden könnte, könne er heute unmöglich sagen.

In der Frage der Umschuldung sei die Reichsregierung bisher der Auffassung gewesen, daß eine Zwangskonsolidierung Ländern und Gemeinden unerwünscht sei. Jedenfalls habe sich der Deutsche Städtetag gegen eine Zwangsumschuldung ausgesprochen mit der Begründung, daß eine solche Maßnahme das Ende des Kommunalkredits bedeuten würde. Wenn die Länder hinsichtlich ihrer kurzfristigen Schulden eine andere Lösung, insbesondere die Zwangsumschuldung für erwünscht hielten, sei er bereit, diese Frage nochmals zu prüfen. Jedenfalls werde die Reichsregierung ihr möglichstes tun, um den Ländern in dieser Hinsicht zu helfen. Weitergehende Zusagen über den Inhalt des Winterprogramms der Reichsregierung könne er nicht machen, solange die Reichsregierung ihre Beratungen nicht abgeschlossen habe.

Da auch der Reichsminister der Finanzen durch die Einladung bei dem Herrn Reichspräsidenten zeitlich behindert war, wurde die Aussprache nicht weiter vertieft und vorzeitig abgebrochen.

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