2.132.1 (ma11p): [Parlamentarische Lage.]

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[Parlamentarische Lage.]

Der Reichskanzler berichtete über das Ergebnis der Ministerbesprechung vom gleichen Tage1 sowie insbesondere über die Bedenken, welche der Reichsbankpräsident Dr. Schacht auf Grund seiner in Paris empfangenen Eindrücke hinsichtlich des Zeitpunktes der Wahlen geäußert habe.

1

S. Dok. Nr. 131.

[437] Der Abgeordnete v. Guérard äußerte die Auffassung, daß eine Verlängerung des Wahlkampfes über Ostern hinaus große Nachteile für die Regierungsparteien mit sich bringen und auch in allgemeiner Beziehung eine schwere Erschütterung der Ruhe des Landes bedeuten würde.

Der Abgeordnete Leicht stimmte dem Vorredner zu und wies darauf hin, daß jeder Tag der Verlängerung der gegenwärtigen Reichstagsdebatte einen Stimmenzuwachs für die radikalen Parteien bedeute.

Der Abgeordnete Koch teilte diese Auffassung und warf die Frage auf, ob die vom Reichsbankpräsidenten geäußerten Bedenken auch in der Tat stichhaltig seien. Ein Abgehen von der einmal beschlossenen und bisher vom Reichskabinett eingehaltenen Linie sei in jeder Hinsicht unerwünscht; insbesondere aber hege er große Bedenken gegen jede Verlängerung des Wahlkampfes. Es müsse unter allen Umständen noch vor Ostern2 die Wahl abgeschlossen sein.

2

Ostersonntag: 20. 4.

Der Abgeordnete Scholz bemängelte das Fehlen konkreter Unterlagen; die allgemeinen politischen Ausführungen des Reichsbankpräsidenten genügten nicht, um darauf eine Beschlußfassung zu gründen. Zunächst sei jedenfalls festzustellen, was für gesetzgeberische Arbeiten vom Reichstag vor seiner eventuellen Auflösung erledigt werden müßten.

Der Reichskanzler erwiderte, daß es sich zunächst um die Durchbringung des Gesetzes über die neue Goldnotenbank3 handle. Dies würde eine nicht unerhebliche Debatte im Reichstag erfordern. Dann müsse der Notetat4 erledigt werden und der Antrag betreffend Wahl des Reichspräsidenten5. Eventuell kämen noch einige andere kleinere Gesetzesvorlagen in Frage.

3

S. Dok. Nr. 133, Anm. 17.

4

S. Dok. Nr. 105, Anm. 4.

5

S. Dok. Nr. 130, Anm. 6.

Was die Modalitäten der Auflösung anbelange, so habe der Herr Reichspräsident ein Verfahren im Sinne der ersten im Kabinett und unter den Parteiführern erörterten Vorschläge im Auge, d. h. Antrag der Regierungsparteien auf Übergang zur Tagesordnung unter Billigung der Haltung der Reichsregierung. Es sei jedoch wohl festzustellen, daß dieser Weg aus den bereits genügend erörterten Gründen heraus nicht gangbar sei, daß vielmehr die Regierung ohne Anträge der Parteien von sich aus kurzerhand auflösen müsse.

Die Parteiführer stimmten dieser Auffassung zu.

Der Abgeordnete Leicht wies darauf hin, daß der Reichsbankpräsident am 10. d. Mts. wieder in Paris sein müsse; es sei daher vielleicht zweckmäßig, wenn er die Ausführungen zum Gesetz über die Goldnotenbank am 8. d. Mts. im Haushaltsausschuß des Reichstags mache. Die Anwesenden stimmten seinem Vorschlage zu.

Der Abgeordnete Koch bat noch, zwei Angelegenheiten den Anwesenden unterbreiten zu dürfen. Es handle sich einmal um die Frage, wer berechtigt sein soll, eine Wahlliste einzureichen. Der gegenwärtige Zustand, nach dem 20 Unterschriften hierzu ausreichten, sei untragbar und werde eine völlige Verwirrung in die Wahlen hineintragen. Zur Abhilfe käme nur in Frage entweder die Forderung[438] eines Kostenvorschusses bei Einreichung einer Wahlliste oder die Erhöhung der Zahl der erforderlichen Unterschriften auf etwa 1000. Sodann bitte er um Mitteilung der Auffassung der Regierung zur Frage der Fahrkartenverlängerung.

Der Reichsminister der Finanzen machte hierzu die gleichen Ausführungen wie in der Sitzung des Reichsministeriums vom gleichen Tage, wonach die Verlängerung der Dauer der Fahrkarten nur durch Gesetz erfolgen könne6.

6

S. Dok. Nr. 131, P. 3.

Der Abgeordnete Koch stellte hieraufhin fest, daß die Durchbringung eines solchen Gesetzes unmöglich sei; die Verlängerung der Fahrkarten müsse daher unter diesen Umständen unterbleiben.

Zur Frage der Wahllisten stellte der Reichskanzler in Aussicht, die Angelegenheit im Reichsministerium zur Erörterung zu bringen7.

7

S. Dok. Nr. 134, P. 3.

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