2.19 (ma11p): Nr. 19 Der Chef der Heeresleitung an den Reichskanzler und den Reichsminister des Innern. 12. Dezember 1923

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[89] Nr. 19
Der Chef der Heeresleitung an den Reichskanzler und den Reichsminister des Innern. 12. Dezember 19231

1

Das Schreiben wird am 14. 12. von der Rkei abschr. an StS Meissner übersandt.

R 43 I /2314 , Bl. 239, 241-252

[Lage in Thüringen; Entsendung eines Reichskommissars]

Über die Lage in Thüringen haben die bürgerlichen Parteien des Landtags die beiliegende Eingabe eingereicht2; der Befehlshaber in Thüringen hat seine Auffassung in den 4 beigefügten Berichten und Meldungen dargelegt3, von denen ich bitte, Kenntnis zu nehmen.

2

Anlage 2.

3

Anlage 1, 3, 4; ferner eine Morgenmeldung des Militärbefehlshabers in Thüringen vom 9. 12. (nicht abgedruckt).

Die Entwicklung in Thüringen kann folgende Wege gehen:

Entweder die jetzige Rumpfregierung4 ergänzt sich mit Unterstützung der Kommunisten: dadurch würde der Zustand wieder hergestellt, der den Einsatz der Reichswehr in Thüringen notwendig machte5. Die Regierung würde sich auf eine Partei stützen, deren nächstes Ziel der gewaltsame Umsturz der Verfassung ist, deren Betätigung ich im Reiche habe unterbinden müssen6, deren Thüringer Bezirk besonders radikal ist; in diesem Fall würde das Lebensinteresse des Reichs den sofortigen Rücktritt der Regierung, Auflösung des Landtags und Einsetzung eines Reichskommissars erfordern.

4

Seit dem Rücktritt der kommunistischen Minister (12. 11.) bestand die thür. Rumpfregierung aus den sozialdemokratischen Ministern Frölich (MinPräs.), Hermann (Inneres), Hartmann (Finanzen) und Greil (Volksbildung). Vgl. Anlage 2.

5

Am 5. 11. waren Reichswehrtruppen unter Genlt. Hasse in Thüringen eingerückt; Hasse wurde am 15. 11. die vollziehende Gewalt für Thüringen übertragen. Vgl. hierzu die im RWeMin. verfaßte „Denkschrift über den militärischen Ausnahmezustand. 26. September 1923 bis 29. Februar 1924“, bes. S. 6 ff., 10 f. (in R 43 I /2708 , Bl. 290-314) sowie die Denkschriften des thür. StMin. vom 19. 11. und 12.12.23 „Der militärische Ausnahmezustand in Thüringen“ (in R 43 I /2314 , Bl. 220-238, 274-303; hier weitere Aktenstücke zur Handhabung des Ausnahmezustandes in Thüringen).

6

Durch eine VO Seeckts vom 20.11.23 war die KPD verboten worden.

Oder der Landtag löst sich selbst auf7. Verfassungsrechtliche Bedenken sprechen dann dagegen, daß das schon zurückgetretene, nicht ergänzte Rumpfkabinett die Geschäfte bis zum Wiederzusammentritt des Landtags nach den Neuwahlen führt; außerdem aber zeigen die in den Berichten geschilderten Zustände, daß das Reich diese Regierung, der das Mißtrauen der großen Mehrheit des Volkes entgegensteht, nicht weiter durch ihre einseitigen Maßnahmen Verwirrung und Schaden anrichten lassen darf, sondern daß es selbst so lange für stabile und geordnete Verhältnisse sorgen muß, bis wieder eine dem Wortlaut und dem Sinn der Verfassung entsprechende Regierung vorhanden ist: also auch in diesem Fall ist die Einsetzung eines Reichskommissars eine Notwendigkeit.

7

Vgl. Anm. 16.

[90] Versuche, die Entscheidung nach einer dieser Richtungen weiterhin durch Obstruktion zu verhindern, könnten an dieser Notwendigkeit nichts ändern; sie würden die verfassungswidrige Haltung und die Regierungsunfähigkeit der jetzigen Instanzen nur noch krasser beweisen und das Eingreifen des Reiches unmittelbar erforderlich machen.

Aus diesen Gründen bitte ich, nach der nächsten angesetzten Landtagssitzung, gleich welchen Verlauf sie nimmt, spätestens aber Ende dieser Woche, einen Reichskommissar für Thüringen zu ernennen und ihm die Verwaltung des Landes zu übertragen8.

8

Unter diesem Schreiben hschr. Vermerk Kempners vom 19. 12.: „Das Kabinett hat beschlossen, zunächst Kommissare zur Prüfung nach Thüringen zu senden. Das Ergebnis bleibt abzuwarten.“ Vgl. hierzu Dok. Nr. 33, P. 1.

v. Seeckt

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