1.26.1 (ma12p): Micum-Verträge.

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Micum-Verträge.

Direktor Herbig verlas das Protokoll über die Verhandlung der Sechser-Kommission und Micum am 28. Juni2 19243.

2

In der Vorlage ist an dieser Stelle irrtümlich der „26. Juli“ angegeben.

3

Nach dem beiliegenden Protokoll der Verhandlung zwischen der Sechserkommission und der Micum in Düsseldorf am 28. 6. verlangte der Micum-Präsident Frantzen die Verlängerung des am 30. 6. ablaufenden Micum-Abkommens bis zum Inkrafttreten des Sachverständigen-Gutachtens. Die von der Sechserkommission gewünschte Bezahlung oder Kreditierung der Kohlenlieferungen durch Frankreich und Belgien lehnte Frantzen kategorisch ab; die Finanzierung der Lieferungen sei Sache der dt. Regierung. Dagegen stellte Frantzen eine Ermäßigung der geldlichen Abgaben (Kohlensteuer usw.) in Aussicht, wenn die Sechserkommission einer Prolongierung des bisherigen Micum-Abkommens bis zur Annahme des Sachverständigen-Gutachtens zustimme (Protokoll in der Anlage).

Generaldirektor Vögler wies ergänzend darauf hin, daß die Franzosen mehr zum Nachgeben geneigt gewesen seien als die Belgier. Eine Bezahlung der Kohle[753] zu erreichen, hielte er für ausgeschlossen. In der Frage der Kohlensteuer werde man wahrscheinlich noch weitere Erleichterungen erzielen können. Die bisher zugestandenen Erleichterungen machten ungefähr 6 Millionen Mark aus.

Der Reichsminister des Auswärtigen hielt eine Verlängerung der Micum-Verträge bis zur Annahme des Sachverständigen-Gutachtens für unmöglich.

Generaldirektor Vögler wies darauf hin, daß die Micum, wenn die Verlängerung terminiert werden solle, den Versuch machen werde, alle Vergünstigungen wieder wegfallen zu lassen. Er bitte um eine Anweisung der Reichsregierung, wie sich die Sechserkommission bei den verschiedenen Möglichkeiten verhalten solle. Was die wirtschaftliche Lage der Zechen anlange, so müsse er ganz bestimmt erklären, daß diese nicht in der Lage seien, weitere Lasten auf sich zu nehmen. Weiterhin sei notwendig, daß die Kohlenpreise gesenkt würden, und zwar erheblich gesenkt würden, um die geradezu verhängnisvolle Absatzlage des Kohlenbergbaues zu bessern. Die Kosten für die Kohlensteuer, für die Reparationslieferungen von Kohle und Nebenprodukten beliefen sich nach Abzug der von der Micum zugestandenen Ermäßigung auf ungefähr 10 Millionen Mark je Woche.

Das Kabinett zog sich darauf zur Beratung zurück.

Der Reichsminister des Auswärtigen hielt ein Nachgeben der Micum gegenüber für ganz untragbar. Die gesamte außenpolitische Situation bezüglich des Dawes-Gutachtens sei derart, daß Deutschland jetzt nicht die Auffassung aufkommen lassen dürfe, als ob es bedingungslos nachgäbe. Eine Verlängerung der Micumverträge bis zum Inkrafttreten des Dawes-Gutachens sei ausgeschlossen. Wenn es nicht gelänge, die Befristung bis zum 31. Juli durchzusetzen und gleichzeitig die bereits zugestandenen Erleichterungen aufrechtzuerhalten, so müßte die Sechserkommission die Verhandlungen abbrechen. Die Reichsregierung müsse dann von Frankreich fordern, daß mit ihr verhandelt werde.

Der Reichsarbeitsminister schloß sich dieser Auffassung an, wünschte nur, daß die Sechserkommission auf noch weiteren Ermäßigungen bestehe.

Der Reichsminister des Auswärtigen hielt dies für notwendig, glaubte aber, die Erreichung weiterer Konzessionen nicht zu einer conditio sine qua non machen zu sollen.

Der Reichsverkehrsminister berichtete über den Stand des Eisenbahngesetzes. Er halte es für ausgeschlossen, daß die Gesetze bis zur Londoner Konferenz4 fertiggestellt seien.

4

Am 16. 7. soll in London eine Konferenz über die Durchführung des Sachverständigen-Gutachtens stattfinden. Vgl. Dok. Nr. 241, Anm. 3.

Der Reichsarbeitsminister erwiderte, daß an formellen Schwierigkeiten die Sache nicht scheitern dürfe; es müßte eventuell schneller gearbeitet werden.

Der Reichsminister der Finanzen warf die Frage auf, ob die finanzielle Unterstützung weiter in der Form eines versteckten Darlehens gewährt werden solle5, oder ob man jetzt zur offenen Bezahlung übergehen solle. Das letztere hätte den Vorzug, daß damit die Frage der Kohlenpreissenkung völlig klargestellt werden könne.

5

Vgl. Dok. Nr. 222, bes. Anm. 5.

[754] Der Reichsarbeitsminister bat, eine Regelung zu treffen, die es verhindere, Feierschichten einzulegen.

Der Reichskanzler stellte zunächst als Auffassung des Kabinetts fest: Die Sechserkommission solle die Verhandlungen fortsetzen; dabei solle der Versuch gemacht werden, weitere finanzielle Erleichterungen zu erzielen. Eine Verlängerung über den 31. Juli hinaus dürfe nicht stattfinden. Falls die Micum sich zu einer Verlängerung nur bis zum 31. Juli unter Aufrechterhaltung der bereits zugestandenen finanziellen Erleichterungen nicht bereit finde, seien die Verhandlungen abzubrechen.

Dieser Beschluß könne den Herren bereits mitgeteilt werden. Es frage sich nunmehr, wie die finanzielle Seite geregelt werden solle.

Der Reichswirtschaftsminister wurde beauftragt, zunächst mit Herrn Generaldirektor Vögler die Frage der Kohlenpreissenkung zu besprechen.

Die Verhandlungen wurden sodann auf Nachmittag vertagt.

Fortsetzung der Verhandlungen nachmittags 17 Uhr in der Reichskanzlei.

Der Reichsminister der Finanzen berichtete über die inzwischen stattgefundenen Vorverhandlungen. Der Bergbau sei entschlossen, die Kohlenpreise um durchschnittlich 20 v. H., d. h. um 5 M je Tonne zu senken6. Voraussetzung dafür sei die Bezahlung der Micumlasten durch das Reich. Die Kosten beliefen sich auf rund 40 Millionen Mark im Monat. Er sei bereit, aus Reichsmitteln 24 Millionen M für diesen Zweck zur Verfügung zu stellen. Für die Bereitstellung der restlichen 16 Millionen sei ein Ausweg noch nicht gefunden.

6

Die Senkung der Ruhrkohlenpreise um durchschnittlich 20% erfolgt am 1. 7. (vgl. DAZ Nr. 306 vom 2. 7.).

Nach längeren Verhandlungen wurde folgende Einigung erzielt:

Das Reich zahlt, um dem Ruhrbergbau die Juli-Reparationslieferungen zu ermöglichen, einen Beitrag von 24 Millionen Mark. Außerdem vermittelt das Reich dem Ruhrbergbau ein zinsloses Darlehen in Höhe von 12 Millionen Mark. Das Darlehen ist in Kohlenlieferungen an das Reich auf Abruf zurückzuerstatten. Wenn die Sechserkommission in den Verhandlungen mit der Micum weitere Herabsetzung der finanziellen Lasten erzielt, sollen diese zur Hälfte auf die 24 Millionen Mark angerechnet werden7.

7

Die vorstehende Finanzierungszusage wird wörtlich wiederholt in einem Schreiben des RK vom 1. 7. an die Sechserkommission des Bergbaulichen Vereins. Die Zusage ist hier außerdem an die Bedingung geknüpft, „daß die Micum-Verträge nur bis zum 31. Juli verlängert und die von der Micum bereits zugestandenen finanziellen Erleichterungen aufrechterhalten werden“ (R 43 I /454 , Bl. 273).

Dabei ist beabsichtigt, den Betrag des zinslosen Darlehens in Höhe von 12 Millionen Mark dem dem Reichsarbeitsministerium zur Verfügung stehenden Fonds zur Beschaffung von Hausbrandkohle für Kleinrentner vorläufig zu entnehmen. Das Darlehen soll tunlichst wieder auf dem Weg über die Eisenbahn gewährt werden. Die Mittel sollen verweigert werden, falls inzwischen[755] die in Aussicht genommene Senkung der Kohlenpreise um durchschnittlich 20% nicht eingetreten ist8.

8

Am 30. 6. unterzeichnet die Sechserkommission in Düsseldorf das 4. Micum-Abkommen. Es konzediert dem Ruhrbergbau eine Ermäßigung der Geldabgaben und des Liefersolls für Nebenprodukte. Im übrigen wird das bisherige Abkommen bis zur Inkraftsetzung des Sachverständigen-Gutachtens verlängert, jedoch kann das Abkommen jeweils zum nächsten Monatsanfang mit zehntägiger Frist gekündigt werden (Text: RT-Bd. 398 , RT-Drucks. Nr. 568 , S. 62; vgl. auch Schultheß 1924, S. 415 f.; Aufzeichnungen Ritters über die abschließenden Verhandlungen zwischen der Micum und der Sechserkommission in R 43 I /454 , Bl. 267-272).

Bereits am 3. 7. kündigt Klöckner das soeben abgeschlossene Micum-Abkommen zum 31. 7. mit der Begründung, neuerliche Besprechungen mit der RReg. hätten ergeben, daß die RReg. nicht in der Lage sei, dem Ruhrbergbau für den Monat August eine finanzielle Unterstützung zuzusichern (nach DAZ Nr. 309 vom 3. 7.).

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