2.231.2 (ma31p): 2. Beihilfe für wirtschaftlich und kulturell gefährdete Grenzgebiete.

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[734]2. Beihilfe für wirtschaftlich und kulturell gefährdete Grenzgebiete.

Staatssekretär Schmid beantragte, von dem im Grenzprogramm vorgesehenen Betrage von 25 Millionen Mark4 dem besetzten Gebiete 5 Millionen für die gefährdete Westgrenze zuzuteilen5.

4

Vgl. Dok. Nr. 225.

5

Den Antrag, aus dem Grenzfonds für 1927 von 25 Mio RM einen Betrag von 5 Mio RM für die Grenzbezirke des besetzten Gebiets im Westen abzuzweigen und dem RMinbesGeb. zur Verteilung zu überlassen, hatte der RMbesGeb. (i.V. Schmid) bereits mit Kabinettsvorlage vom 4.4.27 gestellt (R 43 I /198 , Bl. 127). Diesem Antrag hatte RIM v. Keudell in einem Schreiben an den StSRkei vom 14. 4. widersprochen. Der Grenzfonds „ist ausschließlich für die bedrohte Ostgrenze von Tilsit bis Passau und für die Rheingrenze des Staates Baden bestimmt. Die territoriale Begrenzung ist durch die Ausschüsse und das Plenum des Reichstags festgesetzt worden. Die Regierungen Preußens, Sachsens, Bayerns und Badens haben dieser Begrenzung sowohl formell zugestimmt als auch in den an mein Ressort gemachten Vorlagen über die Betreuungszwecke Rechnung getragen.“ (R 43 I /198 , Bl. 133).

MinDir. Dammann sprach sich für den Reichsminister des Innern dagegen aus, weil das Grenzprogramm aus der Fürsorge für den Osten hervorgegangen sei und weil die beteiligten Länder für ihre Westgrenzen keine Forderungen gestellt hätten.

Der Reichsminister der Finanzen führte aus, daß er grundsätzlich Gegner der Unterstützungsfonds sei, und daß er auch für den Osten im Jahre 1928 keine Mittel mehr zur Verfügung stellen wolle. Dem Westen seien 1927 insgesamt 31 Millionen für Unterstützungszwecke zugeflossen. Davon hätten auch die bedrängten Grenzgebiete unterstützt werden können. Er sei bereit, für Ostpreußen aus Mitteln der allgemeinen Finanzverwaltung 5 Millionen außerhalb des Grenzprogramms zur Verfügung zu stellen6.

6

Aus dem Grenzfonds 1927 sollte Ostpreußen nach dem Verteilungsvorschlag des RIMin. einen Betrag von 3,25 Mio RM erhalten.

Der Reichsarbeitsminister hielt es nicht für möglich, die Anforderungen des Westens an den Grenzfonds ganz abzulehnen. Die 30 Millionen, die im Etat für den Mittelstand des besetzten Gebietes vorgesehen seien7, seien ein Gegenstück zu den 700 Millionen, die der rheinisch-westfälischen Industrie zugeflossen seien8. Wenn für den Westen auch aus dem Grenzprogramm Mittel bereit gestellt würden, so würden auch die Verhandlungen über den Kommissionsbericht erleichtert, der dem Reichstag demnächst vorgelegt werde und sich mit der Verteilung der 700 Millionen an die rheinisch-westfälische Industrie befasse9. Die Lage in den besetzten Grenzgebieten sei besonders schwierig;[735] die Arbeitslosigkeit sei größer und die Preise seien teurer als an anderen Stellen des Reichs.

7

Der 30-Millionen-Fonds im Etat 1927 des RMinbesGeb. war zur Abgeltung von Ruhrbesetzungsschäden bestimmt; er sollte für Kredithilfen an mittlere und kleine Betriebe, für soziale Zwecke der Arbeitnehmer und zur Unterstützung notleidender Gemeinden des besetzten Gebiets verwendet werden. Siehe dazu den Antrag des Haushaltsausschusses des RT vom 25. 3. (RT-Bd. 414 , Drucks. Nr. 3183 ) sowie die Debatte im RT am 26.3.27 über den Haushalt des RMinbesGeb. (RT-Bd. 392, S. 9992  ff.).

8

Als Entschädigung für Reparationsleistungen und Beschlagnahmeschäden der rheinisch-westfälischen Industrie aus der Zeit der Micum-Verträge; siehe dazu die Denkschrift des RFM vom 16.2.25 „Die Reparationslasten und Schäden der Privatwirtschaft des Ruhr- und Rheingebiets und ihre Erstattung durch das Reich“: RT-Bd. 398 , Drucks. Nr. 568 .

9

Der Bericht des 23. Ausschusses des RT (Untersuchungsausschuß für die Ruhrentschädigungen) „über die Feststellung der an die Ruhrindustriellen ausgezahlten Beträge“ wurde dem RT am 5.7.27 vorgelegt: RT-Bd. 417 , Drucks. Nr. 3615 .

MinDir. Dammann hielt es für ausreichend, wenn Ostpreußen eine besondere Zuwendung von 5 Millionen erhalte, zumal die Unterstützungsmaßnahmen, die seit 1920 für die Provinz getroffen worden seien, insgesamt nahezu 100 Millionen Mark ausmachten. Für Oberschlesien und Niederschlesien könne aus einem Fonds für Wohnungsbauten in Höhe von 6 Millionen Mark ein Ausgleich geschaffen werden.

Der Herr Reichskanzler trat dafür ein, daß den ostpreußischen Fragen erhöhte Aufmerksamkeit zugewendet würde.

Auf Vorschlag des Herrn Reichskanzlers wurde beschlossen, vor endgültiger Entscheidung über die Berücksichtigung des Westens aus dem Grenzfonds festzustellen, welchen Betrag der Preußische Staat für Ostpreußen 1927 zur Verfügung stellen werde. Mit dem Interfraktionellen Ausschuß soll über die Berücksichtigung des Westens bei Verteilung des Grenzfonds verhandelt werden10. Der Betrag von 5 Millionen, den der Reichsminister der Finanzen für Ostpreußen zur Verfügung stellen will, soll ohne Zusammenhang mit dem Grenzprogramm verwendet werden11.

10

Bei den Verhandlungen des Interfraktionellen Ausschusses der Regierungsparteien am 17.5.27 traten StS Schmid und der Abg. v. Guérard entschieden für die Beteiligung des Westens am Grenzfonds ein, während MinDir. Dammann sowie die Abg. Ulitzka und Hensel sich dagegen aussprachen. Schließlich wurde entsprechend den Vorschlägen des RIM und der Abg. Graf Westarp und Leicht „Übereinstimmung dahin erzielt, daß an der Verteilung der 25 Millionen [des Grenzfonds], wie sie jetzt in der Öffentlichkeit bekannt geworden sei, nichts geändert werden dürfe und daß sowohl für Ostpreußen und Oberschlesien sowie für den Westen darüber hinaus wenn auch beschränkte Mittel vom Reichsminister der Finanzen zur Verfügung gestellt werden sollten“. MinDir. Lothholz erklärte hierzu, „daß für Oberschlesien aus dem Fonds für gemischte Ausgaben noch Geld zu Wohnungsbauten und für Ostpreußen aus dem Kriegsfonds der allgemeinen Finanzverwaltung Mittel freigemacht werden könnten. Ein Nachtragsetat würde allerdings nicht in Frage kommen.“ (Aufzeichnung Feßlers vom 17. 5., R 43 I /1798 , Bl. 76–77).

11

Zur Entscheidung des Kabinetts über die Verteilung von Beihilfen für gefährdete Grenzgebiete siehe Dok. Nr. 238, P. 1.

Ministerbesprechung.

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