1.115.3 (ma32p): 3. Ostpreußenprogramm.

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3. Ostpreußenprogramm.

Der Reichskanzler führte aus, daß der Preußische Ministerpräsident in einem Schreiben über das Ostpreußenprogramm bei Gegenvorstellungen von falschen Voraussetzungen ausgegangen sei22. Nach den bisherigen Beschlüssen[1125] der Reichsregierung23 handle es sich lediglich um den Ausbau der beim Reichsministerium des Innern bereits bestehenden Verwaltungsstelle unter Zuziehung Preußens.

22

In seinem Schreiben an den RK vom 28.11.27 erinnerte der PrMinPräs. Braun daran, daß bei seiner Unterhaltung mit dem RK über die bei der RReg. zu errichtende Ostpreußenstelle Einverständnis darüber bestanden habe, daß als diese Stelle die von MinDir. Dammann geleitete Abteilung des RIMin. gelten solle, bei der künftig alle Ostpreußen betreffenden Angelegenheiten, soweit das Reich beteiligt sei, zusammenlaufen sollten. Die Erledigung dieser Angelegenheiten sollte in engster Fühlungnahme mit den pr. Ressorts erfolgen. „Wie mir [Braun] berichtet wird, ist nun beabsichtigt, wenn auch zunächst im Rahmen der vorgenannten Ministerialabteilung, eine besondere, zunächst einem Ministerialdirigenten zu unterstellende Stelle, Einrichtung oder wie man es nennen mag, aufzuziehen. Diese Stelle soll auch nicht nur ostpreußische Angelegenheiten, sondern auch solche der anderen Ostgebiete, insbesondere auch Oberschlesiens, bearbeiten. Daneben soll unter Umständen noch ein besonderes Ost-Referat in der Reichskanzlei eingerichtet werden. Derartige Absichten stehen mit unseren Vereinbarungen nicht im Einklang. […] Die jetzt anscheinend geplante Sonderstelle, die ohne Zweifel starke Tendenz zum Wachsen entwickeln wird, muß aber zwangsläufig dazu führen, die in der Provinz vorhandenen [preußischen] Behörden, da sie ihr nicht unterstehen, auszuschalten und über deren Kopf hinweg eine Art Nebenverwaltung mit Hilfe wirtschaftlicher, privater Organisationen oder dergl. auszubauen.“ Die vereinbarte Besprechung zwischen dem RIM und dem PrIM über die beiderseitige Zusammenarbeit auf diesem Gebiet habe bisher nicht stattgefunden. Bis dahin solle jede Beschlußfassung der RReg. über die Angelegenheit ausgesetzt werden. „Bei den Bemühungen, die Sie, Herr Reichskanzler, und ich, bisher in einigen wichtigen Fragen ergebnislos, auf Beseitigung von Unstimmigkeiten zwischen dem Reich und Preußen dauernd aufwenden, würde mich eine Verstimmung gerade in der Ostpreußenfrage sehr schmerzlich berühren. Denn sie würde, da sie wichtige preußische Lebensinteressen berührt, so tief sein, daß ich daraus nur die nachteiligsten Folgen voraussehen muß.“ (R 43 I /1852 , Bl. 348–349a). Der RK antwortete hierauf am 9. 12.; siehe Anm. 27.

23

Vgl. Dok. Nr. 328, P. 2.

Staatssekretär Weismann erklärte, die letzte Beratung des Reichskabinetts über das Ostpreußenprogramm sei vom Vertreter des preußischen Staatsministeriums24 anders aufgefaßt worden. Mit dem Vorschlage des Reichskanzlers sei Preußen einverstanden.

24

An der letzten Beratung der RReg. über diese Frage in der Ministerbesprechung vom 25. 11. (Dok. Nr. 353, P. 2) hatte MinDir. Nobis als Vertreter des PrStMin. teilgenommen.

Die Frage soll alsbald nochmals zum Gegenstand einer Aussprache zwischen dem Reichskanzler und dem Preußischen Ministerpräsidenten gemacht werden.

Der Reichsminister des Innern vertrat seinen Antrag auf Genehmigung einer Dirigentenstelle für einen Vertreter Ostpreußens in seinem Ministerium sowie die Einberufung eines Oberregierungsrats aus Oberschlesien und eines zweiten Oberregierungsrats für die Verwaltungsstelle mit dem Hinweis auf die starke psychologische und politische Wirkung dieser Maßnahmen. Aus den gleichen Gründen trat er dafür ein, daß ein Vertreter Ostpreußens in die Reichskanzlei berufen würde.

Der Stellvertreter des Reichskanzlers schloß sich diesen Ausführungen an.

Auch Staatssekretär Meissner unterstützte die Anträge des Reichsministers des Innern im Namen des Reichspräsidenten.

Dagegen äußerten der Reichskanzler der Reichsminister der Finanzen der Reichsarbeitsminister und der Reichssparkommissar Bedenken gegen die Schaffung einer Dirigentenstelle im Reichsministerium des Innern. Dadurch würde die Schaffung einer besonderen Abteilung eingeleitet, obwohl noch keineswegs feststehe, daß für sie ausreichende Arbeit vorhanden sei und obwohl ihre Schaffung den Grundsätzen der Geschäftsvereinfachung widerspreche.

Der Reichskanzler hielt nach den Äußerungen, die ihm von maßgebenden Kreisen des Ostens zugegangen seien, die psychologische Wirkung der Beruhigung bereits durch die Pressenotiz für erreicht, in der der Ausbau der Verwaltungsstelle beim Reichsministerium des Innern angekündigt wurde25. Im übrigen arbeite, wie von mehreren Seiten eingeworfen werde, die Stelle im Reichsministerium des Innern bereits26.

25

Siehe Dok. Nr. 328, Anm. 11.

26

Unter Leitung des MinDir. Dammann (RIMin.) hatten bereits einige Ressortbesprechungen über Hilfsmaßnahmen stattgefunden, so am 28. 10., 5. 11. und 24.11.27 (Besprechungsprotokolle und -unterlagen in R 43  I /1852  und 1853 ).

Der Reichsminister der Finanzen glaubte, daß schwerwiegende psychologische Momente gegen die Schaffung einer Dirigentenstelle sprächen. Die preußische[1126] Regierung sehe darin eine starke Bedrohung ihrer Rechte. Wo angängig, müsse alles getan werden, um Konflikte mit Preußen zu vermeiden.

Staatssekretär Weismann dankte für diese Stellungnahme und wies darauf hin, daß der Ministerpräsident als Ostpreuße und Königsberger dafür gesorgt habe, daß alles geschehe, um die schwierige Lage Ostpreußens zu erleichtern. Der Anschein müsse vermieden werden, als wenn das Reich eingreifen müsse, um Ostpreußen die Hilfe zu bringen, die die Provinz vom eigenen Staate nicht erhalten könne.

Der Reichskanzler stellte fest, daß die Mehrheit des Kabinetts der Errichtung einer Dirigentenstelle im Reichsministerium des Innern nicht zustimme. Er stellte auf besondere Anfrage des Reichsministers des Innern weiter fest, daß die Einberufung eines besonderen Referenten für Ostpreußen in die Reichskanzlei nicht in Frage komme. Ob ein besonderer Referent für Ostpreußen ins Reichsministerium für Ernährung und Landwirtschaft berufen werden solle, soll in Anwesenheit des Reichsministers für Ernährung und Landwirtschaft verhandelt werden27.

27

Auf das Schreiben des PrMinPräs. vom 28. 11. (Anm. 22) antwortete der RK mit Schreiben vom 9.12.27, daß entsprechend den getroffenen Verabredungen nur beabsichtigt sei, die Ostfragen durch die Abteilung des MinDir. Dammann im RIMin. bearbeiten zu lassen. Alle Vermutungen über die Schaffung einer mehr oder minder unabhängigen Sonderstelle im RIMin. unter Leitung eines Ministerialdirigenten seien irrig. Auch solle kein Ostreferat in der Rkei gebildet werden. „Daß der Vollzug in Ostpreußen, soweit nicht die Reichsfinanzbehörden in Frage kommen, fast ausschließlich durch die preußischen Behörden erfolgen muß, ist selbstverständlich.“ Die RReg. lege „höchsten Wert“ darauf, „alle Ostfragen im engsten Einvernehmen mit der Preußischen Staatsregierung zu behandeln“ (R 43 I /1852 , Bl. 353 f.).

Am 9.12.27 wurde durch WTB bekanntgegeben: Nach übereinstimmenden Entschließungen der RReg. und der PrStReg. sei im RIMin. unter Leitung des MinDir. Dammann eine „Verwaltungsstelle“ eingerichtet worden, die „im engsten Einvernehmen mit den sonstigen sachlich zuständigen Ressorts, namentlich auch den preußischen Dienststellen, die einheitliche und beschleunigte Behandlung aller auf Ostpreußen und die übrigen östlichen Grenzprovinzen bezüglichen Fragen sicherzustellen“ habe. Auf Beschluß der RReg. werde dieser Verwaltungsstelle zunächst ein Vertreter der ostpr. Wirtschaft zugeteilt werden, der – vorläufig kommissarisch – in das RIMin. einberufen werden solle. Der RK habe sich vorbehalten, „diesen Beamten zum persönlichen Vortrag zwecks unmittelbarer Entgegennahme der Wünsche Ostpreußens heranzuziehen“ (R 43 I /1798 , Bl. 291; Entwürfe hierzu in R 43 I /1853 , Bl. 30–37). Am 23.1.28 vermerkte Feßler, daß der Landrat des Kreises Johannisburg, Gottheiner, in die Ostverwaltungsstelle des RIMin. einberufen worden sei (R 43 I /1798 , Bl. 276). Vgl. Hertz-Eichenrode, Politik und Landwirtschaft in Ostpreußen 1919–1930, S. 235 ff.

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